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Die neuen Deutschklassen: Ein Projekt auf wackeligen Beinen

in POLITIK & WIRTSCHAFT von

Seit Herbst müssen Kinder, die schlecht Deutsch sprechen, spezielle Förderklassen besuchen. In der Volksschule Gabelsberger hat sich das System trotz anfänglicher Skepsis bewährt. Direktor Bruno Leitner über sein “Erfolgsgeheimnis”.

700 Deutschförderklassen gibt es seit Herbst in Österreich, nachdem die türkis-blaue Bundesregierung beschlossen hatte, Kinder mit nicht ausreichenden Deutschkenntnissen am Beginn ihrer Schullaufbahn wenigstens ein Semester lang gesondert zu unterrichten. Eine dieser Klassen ist in der Volksschule Gabelsberger eingerichtet. Bruno Leitner, Direktor der Schule, hatte sich im Frühjahr im Gespräch mit der Annenpost skeptisch gegenüber der Einrichtung solcher Klassen gezeigt.

Nun bilden 15 Kinder, ausschließlich Erstklässler, als außerordentliche SchülerInnen die erste Deutschförderklasse an Leitners Schule. Eigentlich eine überraschend kleine Zahl, wenn man den hohen Migrationsanteil an der Schule in Betracht zieht: Von den 264 SchülerInnen sprechen nur 14 Deutsch als Erstsprache, zwei von ihnen sind ursprünglich aus Deutschland.

Variationen von Schule zu Schule

Zusammengestellt wurde die Klasse, indem die LehrerInnen alle Neuzugänge an der Volksschule in ordentliche oder außerordentliche SchülerInnen einstuften. Ein offizielles, standardisiertes Einstufungsverfahren gibt es wohl erst nächstes Jahr. „So ist es subjektiv, von Schule zu Schule wird es Variationen geben“, meint Direktor Bruno Leitner. Ein Schüler, der an der Grenze liegt, könnte in einer Schule als ordentlich, in einer anderen als außerordentlich eingestuft werden. Gerecht ist das nicht gerade. Laut den Leitner vorliegenden Informationen soll das Einstufungsverfahren aber bereits ab April 2019 für ganz Österreich standardisiert sein. Somit sind für alle Kinder, die nächstes Jahr in die Schule kommen, offizielle, einheitliche Sprachstandserhebungen vorgesehen.

Die Kinder der Deutschklasse werden 15 Stunden pro Woche, also drei Stunden pro Tag, aus ihren Regelklassen geholt und intensiv in Deutsch gefördert. Insgesamt gibt es in der Volksschule Gabelsberger drei erste Klassen, wobei aus jeder dieser Klassen ein paar Kinder der Deutschklasse angehören. Aktuell feilt die Regierung vermutlich an einem eigenen Lehrplan für Deutschförderklassen, der ab dem Schuljahr 2019/20 verbindlich sein wird. Leitner sieht es optimistisch: „Jetzt arbeitet man mit den Erfahrungen, die man vorher schon gemacht hat.” Die Kinder, die schlecht Deutsch sprechen, gab es immerhin schon vor der Einführung der Deutschklassen. Trotzdem. Die Unterstützungsstunden für Kinder mit Deutsch als Zweitsprache wurden gekürzt und nicht erhöht, wie es sich Leitner gewünscht hätte: „Es ist jetzt nicht schlechter als im Schuljahr 2014/15. Aber schlechter als letztes Jahr und zwar um 50 Stunden!“

Zwei Kinder in einer Schulklasse
An der Volksschule Gabelsberger wird schon lange mit Kindern mit Migrationshintergrund gearbeitet – Foto: Victoria Schifko

Ein zusätzliches Schuljahr

Im Laufe eines Schuljahres ist es von der Regierung vorgesehen, dass Kinder, die die deutsche Sprache bereits ausreichend beherrschen, in ihre Regelklasse zurückgeführt werden können. Dadurch soll vermieden werden, dass sie ein Schuljahr verlieren. Offizielle Tests, sogenannte Sprachstandserhebungen, sollen feststellen, welches Kind nicht mehr in die Deutschklasse muss. Bis diese Tests jedoch erscheinen, müssen alle Schulen selbst entscheiden, ob und wann jemand mit der deutschen Sprache gut genug umgehen kann. „Wir werden natürlich am Ende des ersten Semesters überprüfen, ob vielleicht einzelne Kinder schon so viel Fortschritt gemacht haben, dass sie in der Regelklasse verbleiben können. Weil die hätten dann noch eine Chance, in die zweite Klasse aufzusteigen“, so Leitner. Das wird jedoch wahrscheinlich nur bei drei oder vier SchülerInnen der Fall sein, die übrigen Kinder müssen in der Deutschklasse bleiben.

So würde die Gruppe zwar nach und nach schrumpfen, was positiv für den Lernfortschritt sei, jedoch verlieren die meisten Kinder wohl ein ganzes Jahr. Denn die Verknüpfung des Sprachunterrichts mit anderen Fächern, wie Mathematik und Sachunterricht, funktioniere nur teilweise, sagt Leitner. Während alle anderen Kinder in den ersten Klassen vier reine Mathematik-Stunden pro Woche haben, müssen sich die Kinder in der Deutschklasse mit ausschließlich Deutschunterricht, der sich ab und an mit Zahlen und einfachen Rechnungen vermischt, zufrieden geben. Unter solchen Umständen ist die Erreichung des gleichen Niveaus in Mathematik nur sehr schwer möglich. „Die Kinder, die das ganze Jahr in der Deutschförderklasse sind, können sicherlich nicht im nächsten Jahr die zweite Klasse besuchen. Die verlieren auf jeden Fall ein Schuljahr“, bestätigt Leitner. Offiziell würden diese Kinder als Vorschulkinder eingestuft werden, damit sie im nächsten Jahr wieder in die erste Klasse kommen. Rein formal verlieren sie damit also kein “Schuljahr”.

Das Erfolgsgeheimnis

Grundsätzlich funktioniere das neue System aber gar nicht so schlecht. Vor einem halben Jahr äußerte sich Leitner noch sehr skeptisch. Natürlich habe es bei der Umsetzung Schwierigkeiten gegeben, die Organisation entpuppte sich als besonders aufwendig. Und hätten mehr Kinder in die Deutschklasse gemusst, hätte der Platz nicht ausgereicht. Zwei Lehrer mussten wegen der Stundenkürzungen die Schule verlassen. Nach zahlreichen Dienstbesprechungen und Umstellungen des Stundenplans pendelte sich das System jedoch Ende September gut ein. „Aus organisatorischer Sicht wäre es natürlich leichter gewesen, wenn alles fertig organisiert gewesen wäre, inklusive dem standardisierten Überprüfungsverfahren plus Einschulung für die Lehrer“, so Leitner.

Aber er und sein Team haben es auch so ganz gut geschafft. Sein Erfolgsgeheimnis? Ganztagsklassen! Zwei der drei ersten Klassen sind Ganztagsklassen. „Dort kann es gut funktionieren, weil die Kinder trotz der drei Stunden in der Deutschklasse fast den gesamten Tag in der Regelklasse verbringen. Der Halbtagsschüler hat schon ein größeres Risiko, zum Außenseiter in der Klasse zu werden, weil er ja so wenig dort ist.“

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