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Money Boy: „Graz ist mega die Drogencity“

in KULTUR von

Rapper, Akademiker, Jugendidol. Der Wiener Money Boy stattete dem Annenviertel mit seinem neuen Album “Mann unter Feuer” einen denkwürdigen Besuch ab.

Nach Mitternacht betritt der studierte Kommunikationswissenschaftler Mag. Sebastian Meisinger die Bühne, die akademische Viertelstunde Verspätung nutzt er selbstverständlich aus. Wir befinden uns im Bunker – eine Location, die normalerweise eher kaugummikauende Fans monotoner Bum-Bum-Musik anzieht. Jetzt steht da der Boy, gekleidet in feinstem Designer-Zwirn, das obligatorische Cap am Kopf, den Wohlstandsbauch stolz vor sich hertragend. Diniert wurde zuvor, wie bei jedem Besuch in Graz, bei der amerikanischen Restaurantkette “Hooters”, bekannt für ihre großbusigen Kellnerinnen. Auch bekannt für die vom Boy favorisierten boneless chicken wings.

Begleitet vom Tour-Dj Sonix teilt sich “Mbeezy” die Bühne mit seinem langjährigen Kollegen und Glo Up Dinero Gang-Mitglied Hustensaft Jüngling. Der 20-jährige Berliner ist für seinen exzessiven Konsum von codeinhaltigem Hustensaft bekannt – das Rapszene-Pendant zu Makava und Club Mate im Start Up-Milieu. Die Show nimmt langsam an Fahrt auf, Money Boy anfangs ungewohnt ruhig, Hustensaft motiviert, schnell entsteht ein Namedropping-Spektakel sondergleichen. Fast-Food-Ketten, Designermarken, Designerdrogen. Beim Boy ist alles Designer. Das ist nicht nur einer seiner zahlreichen Hits, sondern mittlerweile wohl sein Motto. Der dilettantische Trash-Charme, der ihn berühmt gemacht hat, blitzt zwar noch oft durch, trotzdem bekommt man mittlerweile solide produzierte Rapmusik.

Money Boy (links), Jakob (Mitte), Hustensaft Jüngling (rechts) – Foto: Kilian Flitsch

Der Rapper beglückt seine treuen Fans dann zwischen den Liedern auch immer wieder mit kleinen, improvisierten Freestyle-Einlagen. Mit einem Augenzwinkern, aber doch etwas stolz, macht er Aussagen über den vermeintlich hohen Drogenkonsum seines Publikums. “Ich hab gehört,  Graz ist mega die Drogencity”, ruft er ins Publikum, das zustimmend grölt. Drogenvergangenheit, oder eher Drogengegenwart, das waren schon immer zentrale Inhalte von Money Boys Musik. Mittlerweile sieht man dem 37-jährigen das auch etwas an und es ist sicher kein Zufall, dass er die Bühne öfter als früher seinem jugendlichen Kollegen überlässt. Seine lyrische Raffinesse beweist “Young Hustensaft”, laut eigener Aussage übrigens erster Rapper mit Abitur, durch ausgeklügelte, gesellschaftskritische, postmoderne Meisterwerke. Sein karriereprägender Hit “Rarri”, ein zweiminütiges, konsumkritisches Autotune-Gemetzel, steht stellvertretend für den für ihn so typischen Musikstil: Texte, die fast nur aus einem ständig wiederholten Wort bestehen. Und so viel Autotune, wie das Macbook hergibt. Dadaismus Pur. Sein Freestyle des Abends: „Ich bin heute live in Graz, in meinem Körper sind mehr Medikamente als in der Praxis von einem Arzt.”

Nach einigen eher unbekannten Tracks kommt schnell einer von Money Boys größten Hits: “Choices”. Mit einer simplen Textstruktur verschließt sich der durch seine Naivität betörend eingängige Song allen üblichen Kriterien von Musik. „Magst du Hitler? Nope! Magst du Pizza? Jop!“ Während Deutschprofessoren kopfschüttelnd den Raum verlassen würden, singt der Mob ausnahmslos mit. Wenn man seinen Blick im Raum schweifen lässt, fällt auf: Mag. Meisinger, der mit Vong, I bims und Swag für die meisten Jugendwörter des Jahres der letzten Jahre verantwortlich ist, hat nicht nur 1 eigene Sprache erfunden, die mittlerweile von den Mainstream-Medien kopiert und durch furchtbare Sparkassenwerbung entswagisiert wird. Nein, Money Boy hat eine eigene Parallelwelt geschaffen. Eine Welt, in der sich Anglerhut tragende Halbstarke mit Neologismen gegenseitig linguistisch vergewaltigen, während sie ihre Goldketten zurechtzupfen. Schöne neue Welt.

„Magst du Hitler? Nope! Magst du Pizza? Jop!“

Nächstes Lied, die Melodie vom millionenfach geklickten “Monte Carlo” ertönt und mittlerweile sind auch die letzten Skeptiker mitgerissen. Namen von Designermarken und die so typischen sprachlichen Eigenkreationen werden durch den Raum gebrüllt. “Turn Up”, “Gucci”, “Ferragamo”, “Sheeeeeeesh”. In einem mittlerweile viral gegangenen Skandal-Interview hat Money Boy 2015 empfohlen, unbedingt Drogen zu konsumieren, wenn man beim Feiern Vollgas geben will. Diesen damals nicht ganz ernst gemeinten Tipp haben viele anwesende offenbar befolgt. Turn Up.

Sein Konzert beendet der Swaggeneral mit dem mittlerweile acht Jahre alten “Dreh den Swag auf”. Seinem ersten großen Hit. Kurioserweise löst das bei mir ähnlich nostalgische Gefühle aus, wie zuletzt bei einem Radiohead Konzert, als die Band zum ersten Mal seit vielen Jahren wieder ihren großen Hit “Creep” spielte.

Wer Money Boy diesmal verpasst hat, bekommt am 26. April 2019 wieder die Gelegenheit, ihn in Graz live zu erleben, diesmal im p.p.c., einer etwas größeren Location. Und danach vielleicht bald in Konzerthallen und riesigen Stadien in Amerika.  

8200, 2320. mag: musik, film, medien, kochen, lesen, schwechsn, das internet. mag nicht: leere (wort-)hülsn, sich selber beschreiben, das internet.

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