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Maria hilf und halt zu uns!

in VIERTEL(ER)LEBEN von

Daumendrücken für Frankreich, Fahnenschwingen für Deutschland oder laut jubeln für Portugal. Das Public Viewing am Mariahilferplatz machts möglich. Doch ist der Rummel um die Euro 2016 allen Recht?

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Ein paar blaue Shirts mit blau-weiß-roter Stickerei, ein paar blaue Shirts mit dem isländischen Kreuz auf der Brust. Betende Hände vor der Mariahilferkirche. Torfeuerwerk. Um 22:45 Abpfiff. Frankreich weiter, die Überraschungsmannschaft aus Island draußen. Trotzdem schallt das Markenzeichen der Nordmänner, das „Hu Hu Hu“, durch das französische Stadion, aber auch über den Grazer Mariahilferplatz. Eigentlich schon viel zu spät für diese Geräuschkulisse, denn eigentlich muss um 22:00 Ruhe sein.

Hier finden sich bei den Spielen bis zu 1.260 Fußballfans ein.
Hier finden sich bei den Spielen bis zu 1.260 Fußballfans ein.

Es kann einem gar nicht entgehen. König Fußball regiert wieder einmal ganz Europa. Es „müllert“, „griezmannt“ und „buffont“ aus jedem Gasthaus, aus jedem Pub. Die Europameisterschaft ist für Fußballfans, natürlich neben der Weltmeisterschaft, ein Muss. Dabei gönnt sich der Fan ein Trikot um stolze 60 Euro, hängt sich bei hochsommerlichen Temperaturen einen Schal in den Farben der Lieblingsnation um den Hals und setzt sich vor den Fernseher. Variante zwei: Man gönnt sich ein kühles Bier im Lokal um die Ecke. Wem dort auch noch zu wenig Gleichgesinnte auftauchen, begibt sich zum Public Viewing. Das bedeutet: Viele Fans verfolgen gemeinsam vor einer riesigen Leinwand ein Match.

Auch Graz bietet seinen Fußballverückten zwei Public Viewing Arenen. Eine am Fuße des Schlossbergs am Karmeliterplatz und eine etwas kleinere mitten im Annenviertel, am Mariahilferplatz. Dabei bietet diese Zone bis zu 1.260 Personen Platz um dort Daumen zu drücken. Um diese Mengen zu versorgen, verbraucht die ganze Infrastruktur viel Platz. Vom Mariahilferplatz bleibt deshalb währen der EM nicht viel übrig. Teilweise ist das Begehen des Platzes nur über schmale Korridore möglich.

Nur über schmale Durchgänge ist der restliche Platz zu überqueeren.
Nur über schmale Durchgänge ist der restliche Platz zu überqueeren.

Der Dorn im Auge

Diese fast vollständige Verbauung des Mariahilferplatzes ist vor allem für die Angehörigen der Pfarre Mariahilf ein Problem. Der Pfarrer Pater Petru Farcaş ist zwar ein leidenschaftlicher Fußballfan, sieht aber das Public Viewing auch sehr kritisch. Er und seine Mitbrüder schauen sich jedes Match im Fernsehen an, dabei wurde in der Gruppenphase natürlich auf die österreichische Mannschaft gehofft. Trotzdem ist für ihn die Fanzone vor seiner Pfarrkirche überdimensioniert. „Wir wurden als Pfarre über das Public Viewing im Vorfeld der EM informiert, jedoch wurde die komplette Benützung des Platzes und das zweistöckige Zelt direkt vor unserem Eingang nicht erwähnt“, sagt der Pfarrer. Das Aufstellen von Bierbänken und einer großen Leinwand würden ihn nicht stören, jedoch ist der Platz nun zirka einen Monat quasi nicht existent.

Für die Pfarre Mariahilf ist das Public Viewing eindeutig zu viel Rummel.
Für die Pfarre Mariahilf ist das Public Viewing eindeutig zu viel Rummel.

Im Gespräch erwähnt Pfarrer Petru Farcaş frühere Events: „Im Dezember zum Beispiel war Ö3 mit seinem Weihnachtswunder zu Gast am Mariahilferplatz. Da wurde allerdings nur ein Teil des Platzes genutzt und es dauerte auch nur ein paar Tage, aber jetzt dauert das ganze schon zu lange.“ Weiteres Problem war das Ausbleiben von Gottesdienstbesuchern zu den Abendmessen, da es bei den 18-Uhr-Matches einfach keine Ruhe in der Kirche gab. Die Geräusche von draußen ließen eben keine entspannte Atmosphäre zu. Die Pfarrangehörigen haben auch schon dem Bürgermeister ein Schreiben zukommen lassen, in welchem sie über die Zustände klagen. Eine Antwort hat man laut Pfarrer Farcaş noch nicht bekommen.

„Mich stört das Ganze nicht“

Etwas anders sieht Dominik Salzger das Public Viewing. Der 22-Jährige wohnt nämlich direkt am Mariahilferplatz. Zwar ist sein Zimmerfenster nicht zum Platz gewandt, trotzdem nimmt er die Geräusche deutlich wahr. „Das stört mich aber nicht wirklich“, sagt Salzger. „Ich bin Student und die EM findet genau während der Prüfungszeit statt, aber ich habe vollstes Verständnis. Natürlich höre ich jeden Jubel und jedes Raunen, lasse mich dadurch ein wenig vom Lernen ablenken, denn dann muss ich natürlich die aktuellen Zwischenstände checken. Aber ehrlich gesagt würde ich mich selbst am liebsten bei jedem Spiel unter die Massen beim Public Viewing mischen.“

Ebenso wie die Pfarre, wurde man auch als Bewohner der umliegenden Häuser im Vorhinein über das Event informiert. Im Falle von Dominik Salzger wurde ein Informationsschreiben des Veranstalters im Eingangsbereich des Hauses ausgehängt. In diesem wurde wegen der Lärmbelästigung um Verständnis gebeten.

Man punktet mit Sicherheit

Ein reibungsloser Ablauf ist dem Veranstalter des Public Viewings offensichtlich ein Anliegen. Beim Eingang werden gleich wie am Karmeliterplatz Taschen und Jacken von Securitypersonal genau unter die Lupe genommen, danach erfolgen bei Verdacht Leibesvisitationen. Dabei wirft auch die Polizei ein Auge auf jeden Besucher. „Zu jedem Spieltag werden seitens der Polizei sechs Mann gestellt, die aus den verschiedenen Dienststellen herangezogen werden“, erzählen die diensthabenden Beamten. Auch Rettungssanitäter des Roten Kreuzes sind bei jedem Match anwesend. Bei der Sicherheit gehen die Meinungen wohl nicht auseinander.

Taktvoll in der Percussion und hinter der Tastatur. Taktgebend in seinen Ehrenämtern. Was er macht, macht er mit Leidenschaft und Pflichtbewusstsein.

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