Starthilfe in ein neues Leben

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Flüchtlinge, die in Österreich um Asyl ansuchen, benötigen Hilfe beim Start in ihr neues Leben. Auch in ganz banalen Angelegenheiten. Das Open Space in der Annenstraße hat für diese Anliegen seine Türen geöffnet.

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Jeden Mittwoch findet das Projekt „Open Door“ von 16 bis 18 Uhr statt.

Für Flüchtlinge, die dieser Tage etwa aus dem Nahen Osten nach Österreich kommen, gilt es, viele Hürden zu überwinden. Nicht nur bürokratische. Sie müssen eine neue Sprache lernen, sich mit einer anderen Kultur vertraut machen. Ohne fremde Hilfe fällt dies schwer. Organisationen wie die Caritas oder der Österreichische Integrationsfond haben es sich zur Aufgabe gemacht, AsylwerberInnen dabei zu helfen. Auf Grund der beschränkten Ressourcen fehlt es dennoch an Unterstützung in oft ganz banalen Angelegenheiten. Genau da kommen Vereine wie das „Open Space“ in der Annenstraße ins Spiel.

Helfen mit Hausverstand
Im März dieses Jahres startete das Open Space das Projekt „Open Door“. Anfangs nur einmal im Monat, später dann alle zwei Wochen und inzwischen jeden Mittwoch helfen zwei Mitarbeiterinnen MigrantInnen bei den unterschiedlichsten Problemen. Von Straßenbahntickets über das Ausfüllen von Formularen bis hin zur Job- und Wohnungssuche. Wo andere Organisationen nicht helfen können, tut dies das Open Door Team.

Laut Milad Kadkhodaei, dem Gründer des Open Space, liegt die Hauptaufgabe des Vereins darin, mit „Hausverstand“ zu helfen. Dies fällt vor allem dann nicht leicht, wenn die Asylsuchenden weder Deutsch noch Englisch sprechen. Dann wird manchmal auch kurzerhand der Google-Übersetzer als Dolmetscher herangezogen. So hilft das Open Door Team vier bis fünf Personen pro Tag, abhängig davon, wie viel Zeit die Erfüllung der einzelnen Anliegen in Anspruch nimmt. Viele der Menschen, die diese kostenlose Unterstützung in Anspruch nehmen, haben bereits einen positiven Asylstatus, einigen wurde subsidiärer Schutz gewährt und wiederum andere warten noch auf ihren Bescheid.

Dramatische Erlebnisse
So unterschiedlich die Anliegen der MigrantInnen sind, so unterschiedlich sind auch deren Geschichten. Viele von ihnen sind redebedürftig, oft müssen sie die dramatischen Erlebnisse ihrer Reise erst verarbeiten. Manche zeigen den MitarbeiterInnen des Open Space auch Videos von ihrer Überfahrt über das Mittelmeer in einem der berüchtigten Flüchtlingsschiffe.

Nach der Arbeit einfach nach Hause zu gehen und nicht mehr an das Erzählte zu denken ist für die BetreuerInnen des Open Door nicht einfach. „Wenn man in so einem Bereich arbeitet, wird man immer über diese Thematik nachdenken. Es ist sozusagen eine Lebensaufgabe.“, so Kadkhodaei.

Die Mitglieder des Vereins sind oft Studierende, also keine Experten. Doch sie können Tipps aus dem „echten Leben“ geben und eigene Erfahrungen schildern. Sie wollen helfen und das funktioniert auch. Kommen Fragen auf, die die MitarbeiterInnen nicht beantworten können, so wissen sie immerhin, welche andere Institution dafür zuständig ist und woher man die benötigte Information bekommt. Dabei spielt der Faktor Zeit kaum eine Rolle. Den MitarbeiterInnen geht es darum, den Menschen zu helfen, unabhängig davon, ob sie dafür 15 Minuten oder 2 Stunden benötigen. Dafür müssen sie die unterschiedlichsten Rollen einnehmen, vom Makler über Jobberater bis hin zum Google-Operateur. Aber was besonders wichtig ist: Sie müssen gute Zuhörer sein.

Kooperationen mit anderen Organisationen
Das Open Space kooperiert mit der Caritas und dem Österreichischen Integrationsfond. Diese beiden Organisationen verweisen Asylanten mit Anliegen, die nicht in ihren Zuständigkeitsbereich fallen, an das Open Space. Außerdem stellt der Verein seine Räumlichkeiten in der Annenstraße zweimal in der Woche der Drehscheibe Volksgarten für einen zweistündigen Deutschkurs zur Verfügung.

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In den Deutschkursen wird in kleinen Gruppen gelernt.

Vertreten sind dabei alle Sprachlevels. In der Alphabetisierungsgruppe lernen MigrantInnen die lateinische Schrift. Auch Grammatikgruppen gibt es, in denen den TeilnehmerInnen sozusagen noch ein Deutsch-Feinschliff verpasst wird. Zu Beginn des Kurses, den wir an diesem Tag besuchen, wird schnell klar: Pünktlichkeit wird nicht in jedem Land groß geschrieben. Mit einigen Minuten Verspätung kommen jedoch nach und nach immer mehr MigrantInnen ins Open Space. Einige unter ihnen kennen sich bereits, andere sind alleine hier.

Die erste Herausforderung für die Lehrerinnen besteht darin, die Namen der SchülerInnen richtig auszusprechen, was nicht immer leicht ist, aber dafür oft umso lustiger. Der Kurs an sich ist ähnlich aufgebaut wie andere, mit dem Unterschied, dass er in kleinerem Rahmen als beispielsweise an der Universität stattfindet. Meist sind es junge Männer, die hierher kommen, um Deutsch zu lernen. Die Atmosphäre ist konzentriert, von respektvollem Umgang geprägt. Und der Spaß kommt auch nicht zu kurz.

Interessiert an fast allem und stets offen für Neues liebt Angela es, die Welt zu erkunden. Ob ihr weiterer Lebensweg sie ins Ausland führt oder nicht, steht derzeit noch in den Sternen.

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