Lasselsbergers Vortragsweise hinterließ einen bleibenden Eindruck, Credits bei Martina Pozgainer

Literaturpreis: Wo sind die Mannsbilder?

Lesezeit: 2 Minuten

Am  zweiten “Weibsbilder“-Abend lasen die Nominierten für den zweiten Preis Lisa Lasselsberger, Heide Spitzer und Bettina Sticher in der Galerie Blaues Atelier. Die Annenpost war vor Ort, hörte spannende Texte und unterhielt sich mit einer Siegerin, die eigentlich keine sein möchte. 

 

Lasselsbergers Vortragsweise hinterließ einen bleibenden Eindruck, Credits bei Martina Pozgainer
Lasselsbergers Vortragsweise hinterließ einen bleibenden Eindruck, Credits bei Martina Pozgainer

 

Lisa Lasselsberger, Nominierte für den zweiten Platz in der Sparte Literatur, las am Dienstag neben den Autorinnen Heide Spitzer und Bettina Sticher. Während ihres Vortrags unterbrach sich die Neo-Berlinerin, die in Graz aufwuchs und unter anderem an der Universität Sorbonne in Paris studierte, und distanzierte sich dezidiert von der Veranstaltung. Sie habe es sich anders überlegt und stehe zwar zu ihrem Text „Atlantis in der Hand der Herren“ und dessen feministischer Aussage, glaube aber nicht, dass vom Annenstraße Weibsbilder Preis eine Botschaft nach außen dringen könne. Im persönlichen Gespräch erläuterte die wortgewandte 22-Jährige, deren Vortrag von Renate Meschuh mit Dichter Ernst Jandl verglichen wurde, ihren Standpunkt. Nachträglich sei sie vom Fehlen männlicher Teilnehmer abgestoßen und könne den Preis nicht für sich anrechnen, es fühle sich an, als habe sie außer Konkurrenz gewonnen. Sie denke, dass unsere Generation vom Geschlechterdenken weggehe und strebe in ihren Texten eine geschlechtsneutrale Schreibweise an. Wenn es das Anliegen sei, Frauen sichtbar zu machen, dann glaube sie nicht dass dies durch den „Rückzug ins feministische Fruchtwasser“ gelingen könne. Natürlich sei es wichtig, Frauen in der Kunst Platz zu schaffen, doch die Schaffung eines Sonderraumes wirke zwar positiv, habe aber für Lasselsberger einen bitteren Nachgeschmack von Schwäche und Bedürftigkeit.

Die Herrengasse leuchtet hell nur durch die Dunkelheit der Anne.

Renate Meschuh, Filmproduzentin von Art-Media und Sponsorin des Preises sieht dies nicht so streng. Die Gleichstellungsdiskussion ist ihr eigenen Angaben zufolge egal, sie halte Persönlichkeit und Leistung für wesentlich wichtiger als das Geschlecht. Den Annenstraße Weibsbilder Preis habe sie unterstützt, nicht nur weil es bemerkenswert sei, was Galeristin Kerstin Eberhard auf die Beine stellt, sondern auch um die Straße zu fördern. Sie wünsche sich, dass der Preis auch in Zukunft verliehen wird, dann aber auch Männer teilnehmen können und der Fokus nur auf der Annenstraße liegt. Diese habe das Potential, wachsen zu dürfen und vielleicht eine Straße der Kunst, Kultur und kleinen individuellen Läden – also eine „Straße der Vielfalt“ – zu werden.

Auch Christine Teichmann, nominiert für den ersten Preis, sieht eine Veränderung. Die erste Assoziation der gebürtigen Wienerin mit der Annenstraße stamme vom DKT-Spielen. Als sie die Straße vor rund 15 Jahren zum ersten Mal betrat, sei das für sie ein „richtiger Antiklimax“ gewesen. In der Zwischenzeit habe sich einiges gewandelt, allerdings mehr im Viertel, besonders Richtung Lendplatz. Christine Teichmann nimmt an Poetry Slams teil und ist bei der letzten Lesung der Reihe am Dienstag, den 28. Oktober, zu erleben.

Ich öffne die Augen, sehe das Potenzial

Heide Spitzer ist Grazerin, studierte Kunstgeschichte und war unter anderem Museumspädagogin im Museum der Wahrnehmung MUWA. In ihrem Text „Neue und neuere Wege“, aus dem obiges Zitat entstammt, beschreibt sie Erinnerungen an die Annenstraße und an eine albanische Familie und überlegt, wie die Neuorientierung des Annenviertels aussehen könnte. Die Teilnahme am Annenstraße Weibsbilder Preis war Spitzers erster Ausflug in die Literatur, ihre bildende Kunst kann man ab Donnerstag, 30. Oktober, in der Galerie im Klinikum erleben.

 

Die Nominierten für den zweiten Preis lasen am 21.10.
Die Nominierten für den zweiten Preis lasen am 21.10.

Ebenfalls zum ersten Mal an einem Literaturpreis teilgenommen hat Bettina Sticher. Auch sie betont die Leistung, die Kerstin Eberhard erbracht hat, als sie den Preis ins Leben rief. Schade findet sie allerdings, dass von vielen Teilnehmerinnen nicht mehr Interesse bestand, zu den Veranstaltungsabenden zu kommen. Auch die Annenviertler mit Migrationshintergrund blieben den Veranstaltungen fern, sie nennt zur Verdeutlichung eine Stelle in Heide Spitzers Text, in dem diese darauf hinweist, dass bei Veranstaltungen wie dem Lendwirbel Menschen mit Migrationshintergrund meist nur „Zaungäste“ seien.

[box]Hier geht´s weiter zu den Veranstaltungsterminen des Annenstraße Weibsbilder PreisHeide Spitzers Homepage  und zur Facebook-Seite des Minoriten-Slam[/box]

Hat nach dem Umzug nach Graz festgestellt, dass der oberösterreichische Dialekt stärker ist, als gedacht. Führt seither auch ein Vokabelheft: "Oberösterreichisch – Steirisch". Mag Menschen und Musik. Nicht zwingend in dieser Reihenfolge.

2 Comments

  1. Frau Lasselsberger hat ja sooo recht: Wo bleibt der Mannsbilder-Preis? Unter der Flagge „Gleichstellung“ segeln Frauenprojekte ohne Unterlass, denen jedoch kein Pendant für Männer gegenübersteht.
    Das wäre das Eine. Das Andere ist jedoch, dass ausgerechnet der Beitrag einer Frau, die mit der Annenstraße persönlich nichts auf dem Hute hat, den Preis gewonnen hat. Ich war bei der Lesung zugegen, weil ich wissen wollte, wie die Frau von heute die Annenstraße von heute erlebt. Ausgerechnet der Beitrag, der dazu am wenigsten beigesteuert hat, wurde prämiert. Mein Favorit war der Text von Frau Sticher. Er war anschaulich, flott geschrieben und … authentisch.

    • Lasselsberger selbst meinte im persönlichen Gespräch nach der Lesung: „Es gibt keine Wettbewerbe die einzig für Männer ausgeschrieben werden, das wäre absurd“. Also ja, man solle Frauen in der Kunst Platz schaffen, aber nicht im abgegrenzten Rahmen eines geschlechtsspezifischen Preises. Ich interpretiere diese Aussagen so, das Lasselsberger auch von reinen Männer-Preisen alles andere als begeistert wäre.
      Weiters zeigen die im Katalog auf Seite drei abgedruckten Zahlen klar auf, dass kunstschaffende Frauen bei Preisvergaben deutlich weniger vertreten sind als ihre männlichen Kollegen. Beispielsweise wurde seit 1974 der Literaturförderungspreis der Stadt Graz zweiundachtzigmal vergeben – davon an 24 Frauen. Im Bereich der bildenden Kunst verhält es sich ähnlich: dreiundachtzigmal wurde der Preis vergeben, 33 Frauen erhielten ihn.

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