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„Die Zahlen müssen uns aufrütteln“

in KULTUR von

Seit vielen Jahren produzieren und verkaufen Jugendliche im tag.werk in der Mariahilferstraße in Zusammenarbeit mit Grazer Designern Mode aus Recyclingmaterialien. Bei der tag.werk.schau am 16. November wurde die neue Kollektion vorgestellt und ein Forumtheater zur Problematik der Jugendarbeitslosigkeit lud zum Mitspielen ein. Ein prominenter Gast trat ebenfalls als Unterstützer der Einrichtung auf.

Bella ist verzweifelt. Das Mädchen ist auf der Suche nach einer Lehrstelle, bewirbt sich nach einem erfolglosen Beratungsgespräch beim AMS („Sie werden wohl wissen, was Sie wollen?!“) schließlich bei einer Bäckerei, wird dort von Kollegen und Vorgesetzten als „AMS-Dodl“ beleidigt und gedemütigt. Was beim Forumtheater „jung.pleite.abgestempelt… sucht: das gute Leben“ der Theaterinitiative interACT anlässlich des Tages der offenen Tür im tag.werk nur gespielt wird, ist für viele Jugendliche Realität. interACT versucht auf diese Weise, mit den Jugendlichen eine spielerischen, kreativen Zugang zu dem Problem der Jugendarbeitslosigkeit zu finden.

Nachdem alle Szenen einmal durchgespielt wurden, ruft Michael Wrentschur, künstlerischer Leiter des Theaters, das Publikum auf, die Szenen in der zweiten Runde zu unterbrechen und Lösungsvorschläge für die jeweilige Situation zu erarbeiten. Am Ende des zweiten Durchgangs sind sich alle Teilnehmer einig, worum es im Grunde geht: junge Menschen mit Selbstbewusstsein auszustatten, Vorurteile abzubauen und ihnen Anerkennung entgegenzubringen.

Auch Sozialstadträtin Martina Schröck gibt sich als große Unterstützerin des tag.werks und betont immer wieder die Rolle der Einrichtung als „wichtiger Mosaikstein“ in der Jugendbeschäftigung in Graz. Schröck lobt auch die generell geringe Arbeitslosigkeit, trotzdem liege die Jugendarbeitslosigkeit in absoluten Zahlen bei 1820 Personen. Des weiteren seien etwa 400 Personen nicht in der Statistik erfasst, das sei die Dunkelziffer derjenigen Jugendlichen, die sich nach der Schule nicht arbeitslos melden und keine Lehrstelle suchen – sogenannte Dropouts. „Diese Zahlen müssen uns auch hier in Graz aufrütteln.“

Aufrüttelnd wirken auch die Statements der Jugendlichen selbst zum Thema Anerkennung und Wertschätzung. „Ich hab‘ zuhause immer nur gehört, ,Du bist Abfall, aus dir wird eh nix‘. Das interessiert mich nicht mehr. Mir geht‘s darum, dass wir erhört werden.“, sagt Goran, der früher an einer manischen Depression litt. Die Jugendliche fordern „Problemlösung statt Problemverschiebung“. „Mir wäre wichtig, dass man zu verstehen versucht, was wir zu sagen haben und dass mit Vorurteilen gegen Jugendliche aufgeräumt wird.“, so Martin, genannt Crazy.

Zwischen Nähmaschinen, bunten Garnen, Stoffen und den Entwürfen der neuen Kollektion wird beim anschließenden Strudelbuffet in der Werkstätte des tag.werks noch gegessen und getrunken, diskutiert und gelacht. Bei den neuen Stücken wurden vor allem gebrauchte Spitzenstoffe verarbeitet und „upgecycelt“ – so wird beispielsweise aus einem alten Tischtuch ein trendiges Spitzenhemd. Für die Jugendlichen scheint das tag.werk jedenfalls ein Ort zum Wohlfühlen und Spaß haben zu sein, an dem sie die Chancen bekommen, die ihnen sonst verwehrt bleiben.

* 31.O7.1993 // originaltirolerin // wahlgrazerin // journalismus & pr // fh joanneum // sprachaffin // liebt reisen // journalistin des jahres 2O27 // mein blog: http://wbw.fh-joanneum.at/angerv/

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