Blick in eines der Zimmer des UMF-Demiri
Lesezeit: 3 Minuten, 52 Sekunden

Ein gutes Geschäft?

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Seit wenigen Wochen leben 31 Jugendliche aus Afghanistan im Flüchtlingsheim „UMF-Demiri“ am Grazer Lendplatz. Bei anderen Heimbetreibern sorgt das neue Haus für Unmut.

Von Katrin Nussmayr und Max Sommer

Demiri Räume1

Vor der Eröffnung wurde das UMF-Demiri baulich adaptiert. So sehen die WGs der 31 afghanischen Flüchtlinge aus.

 

„Asylkinder ohne Eltern landeten jetzt in Graz“ titelte die Gratiszeitung „der Grazer“ und berichtete mit einer ordentlichen Portion Skepsis über ein neues Flüchtlingsheim am Lendplatz, das seit kurzem „24 junge Leute aus Traiskirchen kommend“ zu versorgen habe. „Kinder, die ohne Eltern ins Land kommen“, seien „ein neues Phänomen“, schreibt die Zeitung. Außerdem würden „Experten befürchten, dass für die Jugendlichen kein entsprechendes Personal zur Verfügung“ stehe.

Namentlich genannt werden diese „Experten“ freilich nicht. Nur Sabina Džalto, Leiterin der Flüchtlingsunterbringung der Caritas, die aber nur mit der Aussage zitiert wird, sie könne zu diesem Quartier nichts sagen. Woher also die Sorge der „Experten“? Unklar ist auch, auf welcher Recherchebasis die Annahmen beruhen. Der Autor des Artikels, Vojo Radkovic, möchte seine Quellen nicht bekannt geben. Der Heimleitung zufolge war er selbst jedenfalls nicht vor Ort.

Auf Nachfrage erklärt Sabina Džalto dann, sie fürchte, dass die Infrastruktur und die Betreuung im Haus „UMF-Demiri“, ein privates, von Shqipri Hajrizi betriebenes Heim für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge (UMF), nicht zufriedenstellend seien. Ihre Befürchtung stützt sie ebenfalls bloß auf Annahmen. Auch sie hat sich bis dato selbst kein Bild von der Lage gemacht. „Ich weiß von früher, als es noch ein Heim für Erwachsene war, dass es dort selbstständige Wohnungen gibt. Das finde ich nicht gut. Jugendliche brauchen den ,WG-Charakter´, sie sind noch nicht selbstständig und brauchen Anleitung. Genau das bekommen sie in den Heimen der Caritas“, sagt Džalto.

 

Alltag im Flüchtlingsheim

Wer das „UMF-Demiri“ besucht, gewinnt einen anderen Eindruck. Das Heim ist eine vom Gasthaus Demiri im Erdgeschoß separate Einrichtung und verfügt über einen eigenen Eingang. 2009 als Unterkunft für erwachsene Asylwerber geschaffen, wurde es nun zu einem UMF-Heim umfunktioniert und baulich adaptiert. 31 Afghanen im Alter von 13 bis 17 Jahren sind hier derzeit – meist zu dritt – in eigenständigen Wohnungen untergebracht. „Unter Anleitung und Aufsicht lernen sie selbstständig einen Haushalt zu führen. Sobald sie volljährig sind, müssen sie hier raus, dann sind sie auch auf sich allein gestellt“, sagt Waltraud Ljubi, die Jugendbetreuerin des Heims.

Insgesamt stehen den Jugendlichen im Heim Demiri drei Vollzeitbetreuer, eine Deutschlehrerin, sowie zwei Nachtdienste zur Verfügung. Pädagogisches Personal für das Wochenende wird derzeit noch gesucht. Das Betreuungsverhältnis liegt somit über den gesetzlichen Auflagen – was aber auch in anderen Heimen üblich ist. Mithilfe eines Wochenplanes versucht die Heimleitung Freizeitprogramm und Pflichtaktivitäten wie Deutschunterricht, Haushalt und Gruppenreflexionen zu verbinden. Auch das Kochen will gelernt sein, deswegen versuchen die Betreuer, den Jugendlichen die österreichische Küche näher zu bringen, eingekauft wird frisch am Bauernmarkt am Platz gegenüber. Im Gegenzug gibt es auch hin und wieder traditionelle Gerichte aus der Heimat der Kinder.

Im „Welcome UMF-Quartier Carnerigasse“ der Caritas ist die Betreuungssituation ähnlich. Die Jugendlichen wohnen in Zweibettzimmern und teilen sich Gemeinschafträume, eine Küche und Sanitäranlagen. Freizeitbeschäftigung und Deutschkurs stehen auch hier täglich auf dem Programm.

 

Soziale Verantwortung oder gutes Geschäft

Dass es im Betreuungsbereich zu Spannungen kommt, ist nichts Neues. Hier kurz die Geschichte: Aufgrund des heftigen Zuwachses an minderjährigen Flüchtlingen in den frühen 90ern, beschloss die EU erste Projekte zur Unterstützung dieser Gruppe zu initiieren. Im Jahr 1999 startete die Caritas das Programm „Welcome“ und war dann lange Zeit der einzige Betreiber von UMF-Heimen in der Steiermark. Im Laufe der Zeit begann dann auch die Diakonie sich mit der Thematik auseinanderzusetzen. Auf die Eröffnung des ersten privaten Heims in Gratwein im Jahr 2009 folgte heftige Kritik von Seiten der NGOs, erzählt Sabina Džalto.

Als fragwürdig empfinden NGOs vor allem den möglichen kommerziellen Hintergedanken von Privatpersonen, wenn diese ein Flüchtlingsheim ins Leben rufen. Ihnen wird vorgeworfen, mit dem Taggeld von 60 Euro pro Kind Gewinn machen zu wollen, indem sie beim Betreuungspersonal sparen. Außerdem ist die Caritas auch selbst auf eine möglichst hohe Auslastung ihrer Heime angewiesen. Gerade in den Wintermonaten, wenn weniger Flüchtlinge in Österreich ankommen, hat die Caritas in der Vergangenheit immer wieder Engpässe erlebt. Private Heime hingegen wären Angaben der Caritas zufolge ausgelastet gewesen.

Die Kritik an der Betreuungssituation im UMF-Demiri im Gratisblatt hat auch das Jugendamt auf den Plan gerufen. Ob die Sorgen der „Experten“ begründet sind, wollte Ursula Schoberl, Leiterin des Jugenamts Nord-West, nicht bestätigen: „Ich konnte bei diesem einen Besuch nichts feststellen, also sehen oder hören, was dem Kindeswohl widersprechen würde. Das heißt aber nicht, dass alles passt. Dazu müsste die Einrichtung rund um die Uhr geprüft werden.“

Dass die Kritik am Privatheim im Lend unsachlich gewesen sei und aus der Konkurrenzsituation resultiere, dementiert Sabina Džalto. „Es gibt ganz konkrete Kritik aus Wien von der Asylkoordination. Es geht nicht darum, dass man neidisch ist. Es dreht sich um die Frage, was der Gesetzgeber gewollt hat: nämlich, dass diese bestimmte Gruppe unter einem Schutz steht und daher einen erhöhten Tagsatz erhält. Und nicht, dass der Herr Demiri seine Ćevapčići-Bude saniert!“

Zu beurteilen, wie gut die Betreuung im Demiri tatsächlich ist, liegt in letzter Instanz bei den Betroffenen, den Bewohnern selbst. Das meint auch Jugendamt-Leiterin Schoberl. Die Jugendlichen erwecken – wie auch jene, die im Caritas-Heim untergebracht sind – einen zufriedenen Eindruck. Auf die Frage, wie es ihm im Demiri gefalle, antwortete einer der Jungen: „Mir gefällt es hier sehr. Ich glaube, wir sind alle glücklich, hier zu sein.“

 

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