Ivana Dević blickt auf eine journalistische Karriere in Bosnien zurück. Vor fünf Jahren kam sie mit ihrer Familie nach Graz und wagte nun mit ihrem eigenen Pilates-Studio den Neustart.
Autorinnen: Nina Winkler, Iris Stark
Betritt man das Studio “Pilatesness” in der Feuerbachgasse 9, wird man von Ivana Dević mit einem warmen Lächeln begrüßt. In den hellen Räumen mit viel Licht und ästhetischen Bildern, die sie selbst beim Training zeigen, fühlt man sich sofort willkommen.
Die 42-Jährige kommt ursprünglich aus Banja Luka, dem Regierungssitz der Republika Srpska, die Teil von Bosnien-Herzegowina ist. Seit fünf Jahren lebt sie mit ihrem Mann und drei Kindern in Graz. Sie beschreibt sich selbst als engagiert, geduldig und kommunikativ. Vor allem aber als jemand, der gut zuhört – eine Fähigkeit, die sie auf all ihren bisherigen beruflichen Stationen begleitet hat.
Aller Anfang ist schwer
Mit 19 Jahren fiel ihre Entscheidung im Journalismus tätig zu werden. Im Jahr 2010 schloss sie ihr Bachelor-Studium im Bereich Journalismus und Kommunikation in ihrer Heimatstadt ab. Parallel dazu leitete sie die bosnische Ausgabe des kroatischen Franchise-Reisemagazins „Reisen zu zweit“. Mit einem Funkeln in den Augen schwärmt sie von der „Zeit ihres Lebens“ und der abwechslungsreichen Funktion als Chefredakteurin.
Eineinhalb Jahre arbeitete sie als TV- und Radiosprecherin bei RTRS, meist als Sportreporterin. In dieser Zeit erlebte sie persönlich keine direkten Einschränkungen, doch ein Vorfall blieb ihr besonders in Erinnerung, weil er ihr zeigte, wie politisch aufgeladen selbst Sport sein kann:
Bei einer Live-Sendung über ein Fußballspiel der bosnischen Nationalmannschaft hatte ihr Chef ihr gesagt, sie solle erwähnen, dass viele Menschen im Land das Spiel mitverfolgen. Ivana tat das – doch parallel spielte die Regie Bildmaterial ein, das leere Lokale zeigte. In der Republika Srpska unterstützen viele Menschen traditionell Serbien und nicht die bosnische Nationalmannschaft. Dementsprechend verfolgte kaum jemand das Spiel. Dieser Clip ging viral und online hagelte es Kritik. Ivana erzählt diese Geschichte lachend – nicht, weil das Erlebnis angenehm war, sondern weil sie gelernt hat, mit solchen Situationen gelassen umzugehen.
Ihren Erfahrungsschatz in verschiedenen Feldern der Kommunikationsbranche konnte sie in der Marketingabteilung der UniCredit Bank erweitern. Durch die facettenreichen Herausforderungen kam sie zu dem Schluss: „Arbeite in einer Bank, danach bist du bereit für das echte Leben.”

Zwischen Heimat und Neuanfang
Ivana lebt heute in Graz, ihr Heimatland ist noch immer nicht ganz zur Ruhe gekommen. 30 Jahre nach dem Dayton-Abkommen, das den Bosnienkrieg (1992–1995) beendete, ist die politische Lage im Land nach wie vor angespannt.
Ivana sagt, dass heute zwar Frieden herrscht, den Menschen jedoch ein grundlegendes Gefühl von Freiheit fehlt. Viele fühlen sich im Alltag eingeschränkt, es entstehe eine Stimmung der „zerrissenen Freiheit“. Diese Unsicherheit wird dadurch erhöht, dass sich die politischen Kräfte im Land immer wieder gegenseitig blockieren. Insbesondere die Führung der von Serben dominierten Republika Srpska legt wichtige Entscheidungen häufig lahm und verhindert so, dass das Land vorankommt.
Für junge Menschen sieht Ivana deshalb kaum Perspektiven: „Kluge, hart arbeitende junge Leute – und auch ältere Menschen – sehen hier keine Zukunft.“ Die einen bleiben und lernen in einem korrupten System zu leben, während die anderen sich für den Weg ins Ausland entscheiden – so wie Ivana es tat. „Hier ist es fair. Wenn du dich an die Regeln hältst, hast du viele Möglichkeiten“, berichtet sie von ihren Erfahrungen in Österreich.
Der Anfang von allem, was noch kommt
Im Jahr 2020 begann sie eine Ausbildung zur Pilates-Trainerin. Das Training begleitet sie schon ihr ganzes Leben und half ihr, in herausfordernden Zeiten die Balance zu halten. Für sie sei Pilates nicht nur ein Job, sondern eine Herzensangelegenheit. Mit „Pilatesness“, das während des Corona-Lockdowns als reine Online-Plattform konzipiert war, wollte sie Menschen dabei unterstützen, ihr Leben ganzheitlich zu verbessern. Mit ihrem eigenen Studio will sie nun einen Ort schaffen, an dem sich Leute austauschen können und Freude daran haben gemeinsam zu trainieren. Davon habe sie immer geträumt, obwohl ihr Umfeld ihr in der Vergangenheit davon abgeraten hatte. Ihre Haltung ist es, alles zu versuchen und niemals aufzugeben. Das Bewusstsein, dass wir alle nur ein einziges Leben haben und um unsere Träume kämpfen sollen, schwingt im Gespräch mit Ivana ständig mit.

Das Trainingsangebot reicht von unterschiedlichen Pilates-Einheiten von auf der Matte, in der Gruppe und Einzelstunden bis hin zu vielen verschiedenen Trainingsangeboten mit dem Reformer, wie zum Beispiel “Reformer Toning”. Auf ihre Reformer-Geräte ist Ivana besonders stolz, auch bei den Besucher:innen finden sie großen Anklang. Es ist ein Ganzkörper-Workout, das kontrollierten Widerstand und bewusste Bewegungen kombiniert, um Muskeln zu stärken. Die Besonderheit: Das erste Reformer-Gerät wurde bereits 1924 von Joseph Pilates entwickelt, und diente ursprünglich der Rehabilitation verletzter Kriegsgefangener in Internierungslagern.
Am Ende der Begegnung mit Ivana wird klar, dass ihre Arbeit das Ergebnis all der Dinge ist, die sie jemals gelernt hat. Sie ist eine echte Allrounderin – ganz nach dem Motto: „Probiere alle verschiedenen Aspekte deiner persönlichen Reise aus, um herauszufinden, wofür du geschaffen bist!”
Titelbild: Ivana in ihrem Studio – Foto: Nina Winkler
Ivana’s Instagram Accounts:
@iivanadevic
@pilatesnessstudios
Website:
https://pilatesness.com/
