Rapperin Ikkimel singend auf der Bühne.

Radikal weiblich: Mama Ikki zu Besuch in Graz

Lesezeit: 3 Minuten

Knappe Outfits, große Klappe und ein ausverkaufter Club: Am 23. November stand die Berliner Rapperin Ikkimel im Grazer PPC auf der Bühne. Ihre provokanten Songtexte und Auftritte polarisieren – ein schmaler Grat zwischen Selbstermächtigung und Schamlosigkeit.

Autorinnen: Julia Klösch, Maya Fandl

Wenige Minuten vor dem Auftritt. Blaues Licht und Nebel schaffen eine angespannte Atmosphäre. „Ikkimel! Ikkimel!“, kreischt das Publikum. Aus den Lautsprechern tönen die Zitate einiger ihrer schärfsten Kritiker:innen. Erwartungsvolle Blicke richten sich auf die Bühne. Mit ausgebreiteten Armen und den ersten Zeilen ihres Songs „Aszendent Bitch“ begrüßt Ikkimel ihre Fans. Sichtlich genießt die selbstbewusste Rapperin ihren Moment im Rampenlicht. Von der ersten Sekunde an zieht sie das Publikum in ihren Bann. Der kalkulierte Spagat zwischen HipHop, Techno und Hyperpop gelingt. Tanzende Körper bewegen sich ausgelassen zum Beat.

Provokante Lyrics

„Es gibt kein Limit, weil ich bin es“, rappt die Berlinerin, die mit bürgerlichem Namen Melina Strauß heißt, in ihrem Song „Keta und Krawall”, mit dem ihr im September 2023 der Durchbruch gelang. Mittlerweile ist sie über die Grenzen Deutschlands hinaus bekannt und geht europaweit auf Tour. Die von ihren Anhängern als „Mama Ikki“ bezeichnete Rapperin, feiert sich selbst und thematisiert in ihren Lyrics offen weibliche Sexualität. Im Song „Bikini Grell“ bezeichnet sie sich selbst beispielsweise als „die allergrößte F*tze der Stadt“. Ihre Fans stört ihre vulgäre, ungezügelte Sprache nicht: „Ich finde es einfach cool, dass es auf asoziale Weise rübergebracht wird. Es muss nicht immer alles politisch korrekt sein. Es darf auch mal provokant sein!“, findet die 24-jährige Shanin, die an diesem Abend ins PPC gekommen ist.

Während ihre Unverblümtheit für die einen Ikkimels größte Stärke ist, kritisieren andere genau das. Für Kritiker:innen ist ihre derbe Ausdrucksweise nicht mehr als eine Reproduktion der Songtexte ihrer männlichen Kollegen. Ikkimel selbst äußert sich zu diesen Vorwürfen in ihrem Song „Jetzt erst recht“: „Ist Ikkimel jetzt überhaupt noch feministisch? Auf einmal tun die kleinen Pisser so als wär’s ihn‘ wichtig.“ Besonders in der digitalen Welt gibt es zahlreiche Personen, die ihre Schamlosigkeit empört. „Du bist eine Schande für den Deutschen Rap und Hip-Hop“, kommentiert etwa dafreak unter ihrem letzten Instagram-Post.

Geschlechterrollen im deutschsprachigen Rap

Manche ihrer Rap-Kolleg:innen sehen das ähnlich. Disstracks, persönliche Beleidigungen und Shitstorms gehören zum Alltag der Berlinerin. Trotz der vielen Gegenstimmen verstummt Ikkimel nicht. Eine Eigenschaft, die ihre Fans besonders an ihr lieben. Die 17-jährige Noelle, die extra aus Wien anreiste, ist der Meinung: „Es gibt so viele männliche Rapper da draußen, die sagen können, was sie wollen. Wenn eine Frau dasselbe macht, wird es auf einmal kritisiert.“

Tatsache ist, das Musikgenre Rap ist nicht nur quantitativ von Männern dominiert, wie ein Blick auf die meistgestreamten Rapper:innen auf Spotify zeigt, sondern auch inhaltlich. Durch den Einsatz sprachlicher Gewalt versuchen männliche Musiker im Gangsta-Rap, Kontrolle über die Verfügbarkeit von Frauen zu erlangen. Dabei kommt es oft zur Hypersexualisierung weiblicher Körper. Ausdrücke wie „B*tch” oder “F*tze” werden als sexistische Begriffe verwendet, um die sexuelle Entfaltung von Frauen moralisch zu degradieren. Das Berliner Partygirl Ikki hält dagegen und stellt gleich zu Beginn ihres Auftritts klar: „Viele sagen, Ikkimel, du bist zu slutty. Na und? Ich bumse einfach gerne!“ Somit nimmt sie sogenannten “Slut-Shamern” die Angriffsfläche und inszeniert weibliche Sexualität nach ihren eigenen Vorstellungen.

Caro und Lili sind schon lange Fans von Ikkimel

Caro, 20 und Lili, 23 feiern Ikkimel für ihre Schamlosigkeit. – Foto: Julia Klösch

Starke Frauen wehren sich

Ikkimel bricht besagte Geschlechterrollen und macht dabei auch gerne einmal Männer metaphorisch zu Hunden. Mit Texten wie „Schnauze halten, Leine an, Schatz, jetzt sind die Weiber dran” demonstriert sie Dominanz gegenüber dem männlichen Geschlecht und erntet dafür viel Applaus vom Publikum. Hinter ihren ironisch zugespitzten Lyrics versteckt sich oft eine ernste Botschaft. Sie scheut nicht davor zurück, Themen, über die Frauen oft schweigen, anzusprechen. Dazu gehören sexuelle Belästigung, Machtmissbrauch und übergriffiges Verhalten von Männern. „Das ist für uns Realität, nicht nur ein Songtext”, antwortet die 23-jährige Grazerin Lili auf die Frage, warum sie Ikkimels Texte so feiert. Sie und ihre Freundin Caro können jeden Song auswendig und rappen die Zeilen leidenschaftlich mit.

Neben fotzigen Rap-Passagen und anzüglichen Tanzeinlagen hält Ikkimel während des Konzerts auch eine Ansprache. Sie weist darauf hin, dass ihre Konzerte ein Safe Space für alle sein sollen, frei von Respektlosigkeit. „Wir neigen oft dazu, die Situation angenehmer zu gestalten und uns zurückzuhalten. Das müsst ihr nicht. Im Notfall schlagt auch einfach mal zurück, Leute!”, rät die Künstlerin Opfern von Übergriffen.

 

Titelbild: Ikkimel genießt ihren Moment im Rampenlicht. – Foto: Elisabeth Scharler

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