Im FRIDA Tattoo-Kollektiv in Eggenberg trifft Kunst auf Identität: Wir sprechen mit Reini D. Trabi ─ Tätowierer, Studioinhaber und „queerartist“ ─ über die Tattoo-Szene, kreative Prozesse und die Frage, wie queere Perspektiven unter die Haut gehen können.
Betritt man das Studio, spaziert man über die Fußmatte mit der Aufschrift „Dare to be different“. Drinnen angekommen fühlt man sich fast wie im eigenen Wohnzimmer: gemütliche Einrichtung, Wände voller Tattoo-Motive, Skateboard-Decks und graffiti-ähnliche Zeichnungen. Zwischen Pflanzen streunt ein Zwergdackel.
Annenpost: Kannst du dich noch an das erste Tattoo erinnern, das du gestochen hast?
Reini D. Trabi: Das war tatsächlich bei mir selbst. Damals war die Ausbildung noch etwas anders. Mein Ausbilder hat gesagt, dass man sich das erste Tattoo selbst tätowieren muss. Bei mir war es ein kleiner, geometrischer Bärenkopf. Perfekt ist es nicht geworden, bereuen tue ich’s aber nicht.
Du hattest schon immer den Traum vom Tattoo-Studio, bist aber eher zufällig dazu gekommen. Wie kommt man zufällig dazu, Tätowierer zu werden?
Eigentlich wollte ich in die Ortweinschule gehen. Irgendwie ist es dann dazu gekommen, dass ich eine Koch-Kellner-Ausbildung gemacht habe. Zum Tätowieren bin ich gekommen, weil ich nach Graz gezogen bin und sechs Jahre lang gekellnert habe. Bei einem Nachtdienst war ein Kunde mal total ungut und hat mir beim Bezahlen das Geld einfach vor die Beine geschmissen. Meine erste Wohnung war damals neben einem Tattoo-Studio. Dort bin ich am nächsten Tag hingegangen und habe gefragt, wie es funktioniert, dass man Tätowierer wird. Er hat gesagt: „Komm einfach vorbei, ich zeig dir was und dann machen wir eine Ausbildung daraus“.

Man liest, z.B. auf eurer Webseite, dass du teilweise eher provokante Arbeiten machst und deine Motive nicht immer in den Mainstream passen. Stimmt das?
Naja, provokant … Es sind eher meine kleinen Motive aus der queeren Szene, mit denen man etwas zum Ausdruck bringt. Das hat jeder Tätowierer gemacht, zum Beispiel als Lockdown war. Da hat eben jeder seine Corona-Bilder gemacht, weil man einfach diesen Einfluss gekriegt hat. Vielleicht auch mal was Politisches. Meine Mama findet’s nur super provokant. Ich glaube, deswegen hat sich der Satz auf der Homepage ergeben.
Du machst meistens Blackwork oder arbeitest viel mit Ornamenten. Wieso?
Ich bin kein Realistik-Tätowierer. Ich kann auch keine Porträts zeichnen. Dafür habe ich nie ein Auge entwickelt und ich interessiere mich auch nicht sonderlich dafür. Ich finde die ganzen Mandala- oder Blackwork-Geschichten einfach zeitloser und ästhetischer. Mir gefällt’s wenn es um größere Motive geht, dass du dich ein bisschen austoben kannst. Wenn man seinen Stil hat, dann ist das ein bisschen wie eine Handschrift.
Wie kam es, dass du selbst dein Tattoo-Studio gegründet hast?
Es war eigentlich immer geplant, dass ich mich als selbständiger Tätowierer irgendwo in ein Studio einmiete. Dann habe ich aber gemerkt, dass die unglaublich viel Geld dafür haben wollen und so habe ich selbst ein Studio gemietet. Aufgesperrt habe ich dann am 4. Mai, direkt nach dem ersten Lockdown 2020.
Was war dir wichtig, als du dein Studio aufgemacht hast? Gibt es etwas Besonderes im Gegensatz zu anderen Studios?
Es hat schon Studios gegeben, die einen Safe Space anbieten wollten, aber sie waren nicht so bekannt dafür. Mir war es wichtig, ein queeres Tattoo-Studio zu haben, das funktioniert und wo sich auch wirklich jeder wohlfühlt. Vor allem aber, dass jeder frei Schnauze reden kann und sich nicht verstellen muss, das gehört zum Wohlfühlen dazu.
Welche Menschen kommen zu dir und was suchen sie hier?
Wir machen viel Werbung mit Vereinen oder eben in der queeren Community. Grundsätzlich kommen zu uns Leute, weil die beste Freundin oder sonst irgendwer bei uns war. Wir bieten hauptsächlich Fineline-Arbeiten an, meist kleinere Tattoos aber eben auch andere Stilrichtungen. Uns ist es wichtig, dass wirklich jeder immer sagen kann: „Hey, das gefällt mir jetzt nicht“. Viele trauen sich einfach nicht was zu kritisieren. Aber das ist extrem wichtig. Das darf auch nicht untergehen, wenn man in seinem Arbeitstunnel vertieft ist.

Hast du deine fixen Künstler:innen hier im Studio?
Die Tätowierer, die in Ausbildung sind, sind bei mir angestellt. Wenn sie ihre Prüfungen haben, können sie einen Mietvertrag bei mir machen und sind dann auf selbstständiger Basis hier. Momentan sind zwei Leute in Ausbildung, die Restlichen sind Selbstständige. Insgesamt sind wir 13.
Wie ist die Community unter Tätowierer:innen in Graz? Eher Konkurrenz oder Gleichgesinnte?
Naja, teils, teils. Es gibt Studios, mit denen arbeiten wir zusammen, weil man sich privat gut versteht oder weil man sich gegenseitig respektiert. Es gibt aber auch Tattoo-Studios, da funktioniert es nicht so. Aber ich denke mir: Graz ist so ein riesiges Einzugsgebiet und jeder hat sein Geschäft und jeder hat seine Leute. Ich glaube, die meisten leben ganz gut davon.
Du bezeichnest dich selbst als „queereartist“ und hast hier dein queeres Tattoo-Studio. Hast du schonmal eine negative Erfahrung damit gemacht?
Also nix Tragisches. Innerhalb der Community hat man’s ganz am Anfang ein bisschen mitkriegt, wo Leute zu mir gesagt haben: „Warum spielst du jetzt die schwule Karte? Das ist so wie Coca-Cola im Pride-Monat: Zuerst machen alle auf Regenbogen und dann ist es eh wieder egal.“ Dann habe ich halt zu ihnen gesagt: „Naja, ich bin halt schwul und ein queeres Tattoo-Studio zu haben, heißt ja nicht nur einfach Regenbogenfähnchen irgendwo aufhängen“. Ich finde, da gehört schon ein bisschen mehr dazu. Zum Beispiel, dass man zum CSD (Christopher Street Day) geht und sich zeigt und präsent ist oder eben auch Vereine unterstützt.
Und sonst nur ein paar Zeitungsartikel-Kommentare, wie wir in Klagenfurt aufgesperrt haben, aber das ist halt ein bisschen ein anderes Fleckchen Erde. Da sind dann Fragen aufgetaucht wie: „Was ist ein queeres Tattoo-Studio?” Und nachher sind halt ganz komische Antworten gekommen… Zur Klarstellung: Queer bedeutet nicht pädophil oder so. Das war bis jetzt das Heftigste, so Internet-Trolls, die teilweise schon unter die Gürtellinie gegangen sind. Aber dann ärgert man sich zwei Tage und dann ist es auch wieder vorbei.

Wenn du dir etwas wünschen könntest, für die Tattoo-Studios allgemein oder für dein Studio, was wär´s?
Grundsätzlich bin ich doch recht happy mit dem Ganzen. Man hilft sich gegenseitig in der Szene und das ist gut. Ich verstehe nur nicht, warum Tätowieren sowas Freiberufliches ist und nicht in einer Lehre drinnen ist, weil sich viele junge Leute für den Job interessieren . So wie beim Rafi (ein weiterer Künstler aus dem FRIDA Tattoo-Kollektiv), der macht heuer die Akademie und ist jetzt schon bis nächstes Jahr ausgebucht. Ansonsten ist der beste Weg, in einem Studio angelernt zu werden. Kostet zwar was, braucht Zeit, ist aber sinnvoll.
Du bist ja schon seit 2014 Tätowierer. Wenn die Leute aus dem Studio gehen, an was sollen sie bei deiner Kunst denken?
Tattoos sind einfach ein bisschen zur Mode geworden oder als Accessoire zu sehen. Natürlich kommt es immer auf die Idee vom Kunden an. Es gibt schon den Teil der Kunden, wo jedes Tattoo eine Bedeutung oder seine Geschichte hat. Ich mache eher grafische Motive, da geht es um Körperverschönerung und Ästhetik. Bei Mandalas zählt selten eine coole Story ─ kann zwar auch passieren ─ aber grundsätzlich ist das Grafische eher zur Verschönerung.
Titelbild: Reini D. Trabi in seinem Studio. – Foto: FRIDA Tattoo-Kollektiv
Erklärung der genannten Tattoo-Stile:
Blackwork: gänzlich schwarz tätowierte Flächen oder auch komplett geschwärzte Körperteile. Durch Linien, Punkten und Flächen werden Dreidimensionalität und Tiefe geschaffen.
Fineline: Motive aus feinen, filigranen Linien. Sie zeichnen sich durch präzise, exakte Arbeit aus, wobei die feinen Linien eine hohe Detailgenauigkeit ermöglichen.