Ein Netzwerk in der Keimungsphase

Lesezeit: 3 Minuten

Magdalena Muner ist seit rund fünf Monaten die neue Betreiberin des Traditionsgeschäfts Samen Köller am Südtiroler Platz. Wie sich die Samenhandlung am harten Pflaster des Innenstadthandels behaupten kann und wie ein nachhaltiges Netzwerk im Herzen von Graz entstehen soll.

„Es ist voll schräg, aber auch eine große Ehre!“, antwortet Magdalena Muner auf die Frage, wie es sich anfühlt, ein Geschäft zu übernehmen, das seine Türen bereits seit 1773 geöffnet hat. Die gebürtige Oberösterreicherin, die bis dato 16 Jahre lang direkt gegenüber im Kunsthaus tätig war, kam eher unverhofft dazu, hier die Nachfolge anzutreten. 

Die Vorbesitzer, Fritz Zemann und Gabriele Medan, hatten der Samenhandlung zum schwarzen Rettig wieder neues Leben eingehaucht. So schaffte es auch der alte Apothekerschrank, der schon in seine Teile zerlegt im Lager verstaubte, wieder zurück in den Verkaufsraum. Mit über 150 Schubladen und den Original-Beschriftungen aus längst vergangenen Zeiten, bildet er heute wieder das Herzstück des Ladens und bietet ausreichend Platz für Raritäten. „Jede Lade steckt voller Liebe und Leben“, sagt Muner.  Kund:innen sind auch selbst dazu eingeladen, in den Laden zu stöbern und sie so ein Stück weit lebendig zu machen.

Unzählige Laden und Regalfächer laden zum Stöbern und Schmökern ein – Foto: Nina Pachner
Unzählige Laden und Regalfächer laden zum Stöbern und Schmökern ein – Foto: Nina Pachner

Ein Laden voller Leben

Neben Sämereien finden sich hier auch Pflanzhilfen, Gartenwerkzeug und unzählige kleine Kunstgegenstände. Zwischen Büchern, Puzzeln, Servietten, Broschen und Postkarten findet man alles –  vom kleinen Mitbringsel bis zu liebevoll in Handarbeit gestalteten Unikaten. Die Vielfalt an Produkten zieht auch ein breites Publikum an. Speziell die Lage gegenüber des Kunsthauses und direkt neben einer Straßenbahnhaltestelle sei ideal, so Muner. Täglich finden sowohl Tourist:innen als auch Einheimische den Weg zur Samenhandlung. „Es lebt davon, dass die unterschiedlichsten Leute hereinkommen und miteinander zu reden beginnen“, erklärt Muner, „Das findet man in keinem Onlineshop.“ So wird die Samenhandlung auch zum Ort des Austauschs. „Ich kann selbst oft so viel von meine Kund:innen lernen“, erzählt Muner, während sie einen Kunden bedient, alles sorgfältig verpackt und eine hauseigene Postkarte als eine Art Visitenkarte beilegt. 

Von Nachhaltigkeit und Regionalität

Abgesehen vom gemütlichen Ambiente, das zum Stöbern und Verweilen einlädt, ist auch die Herkunft der Produkte ein Teil des Erfolgsrezepts. Verkauft wird ausschließlich samenfestes und größtenteils biologisches Saatgut. Zusätzlich finden sich auch Insektenhotels, Nistkästen und dergleichen in den Regalen, welche der Umwelt ebenso zugutekommen. Wenn möglich, wählt Muner heimische Produkte von regionalen Hersteller:innen aus. Nicht nur der Nachhaltigkeit wegen, sondern auch um die regionale Wirtschaft zu unterstützen und wieder mehr Kund:innen von den Onlineshops zurück in die Geschäfte zu holen. „Allein hier in der Umgebung gibt es so viele kleine Läden, die deutlich mehr Aufmerksamkeit verdienen“, sagt Muner. „Dafür möchte ich ein Netzwerk aufbauen, in dem sich alle gegenseitig unterstützen.“

Magdalena Muner und Johanna Dorner präsentieren Johannas illustrierte Karten. - Foto: Nina Pachner
Magdalena Muner und Johanna Dorner präsentieren Johannas illustrierte Karten. – Foto: Nina Pachner

Verbindungen schaffen

Aber nicht nur kleine Traditionsgeschäfte, wie die Samenhandlung selbst, sollen in diesem Netzwerk Platz finden. Es soll eine zentrale Austauschmöglichkeit für regionale Betriebe, von Frauen geführte Unternehmen, Traditionsbetriebe, aber auch heimische Produzent:innen und Künstler:Innen bilden. Muner möchte damit nicht nur die Grazer Wirtschaft unterstützen, sondern vor allem einen Raum für Austausch schaffen, in dem man sich gegenseitig kennt und hilft. 

Bestes Beispiel dafür ist die junge Künstlerin Johanna Dorner. Spezialisiert auf Illustrationen, gestaltet sie Karten und Kalender oder fertigt sogenannte „Waldbodenbilder“ in liebevoller Handarbeit an. Auf der Suche nach einer geeigneten Verkaufsmöglichkeit, stieß sie auf Magdalena Muner. „Der Shop passt perfekt zu meinen Naturkarten und zu meinem Stil”,  sagt Johanna, die gerade neue Karten zum Verkauf vorbeibringt. „Ich starte gerade erst mit meinen Illustrationen durch, da ist Samen Köller eine super Möglichkeit, mir in der Gegend einen Namen zu machen.“

 

Infobox
Ursprünglich war Samen Köller ein Umschlagplatz für Devotionalien wie Heiligenbilder und Rosenkränze. Erst als Klosterbrüder Samen aus ihren Gärten mitbrachten, entwickelte sich die Samenhandlung. Mehr über die Geschichte und ein kurzes Interview mit der Vorgängerin Gabriele Medan findet man hier.

 

Titelbild: Die neue Inhaberin Magdalena Muner mitten in ihrem Geschäft – Foto: Nina Pachner

Hi, seit Oktober 2024 darf ich mich JPR-Studentin nennen. Neben dem Schreiben ist der Tier- und Umweltschutz meine zweite große Leidenschaft, so findet man mich nicht selten in Parks oder beim Wandern. Egal wo, Hauptsache draußen!

Schreibe einen Kommentar

Your email address will not be published.

7 + 17 =

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.

Vorherige Geschichte

Verstehen jenseits von Krieg und Migration

Nächste Geschichte

Sounding Jerusalem: Musikalische Brücken gegen den Hass

Letzter Post in VIERTEL(ER)LEBEN