Anja Burghardt vor der Postgarage

Tanzende Hände in der Postgarage – Inklusion im Kulturbereich

Lesezeit: 3 Minuten

Anja Burghardt eröffnete am 23. April das inklusive Festival InTaKT mit einem Deaf-Slam. Im Interview mit der Annenpost spricht die Linzerin über ihre Kindheit, vergangene Projekte und Inklusion.

Alle schauen gespannt auf die Bühne, als Anja Burghardt das inklusive Tanz-, Kultur- und Theaterfestival InTaKT in der Postgarage eröffnet. In die 10. Ausgabe wird jedoch nicht klassisch mit lauter Musik, sondern einer Deaf-Performance gestartet. Die Linzerin, die unter dem Künstlernamen Anja – Tanzende Hände auftritt, erzählt die Geschichte einer alten Dame mit Gebärden. Durch das ausschließlich visuelle Geschichtenerzählen lässt sie das Publikum in eine andere Welt eintauchen und eine neue Art von Kunst erleben.

Vor dem Auftritt trifft die Annenpost die Künstlerin im Café Postgarage. Zwei Dolmetscherinnen übersetzen die Fragen in die österreichische Gebärdensprache und geben ihre Antworten in Lautsprache wieder. 

Annenpost: Sind Sie mit Gebärdensprache aufgewachsen, würden Sie diese als ihre Muttersprache bezeichnen?

Anja Burghardt: Meine Muttersprache ist für mich ganz klar die österreichische Gebärdensprache. Ich bin zwar in einer hörenden Familie aufgewachsen und meine erste Sprache war die orale Erziehung, also die deutsche Lautsprache. Diese habe ich bis zu meinem 18. Lebensjahr gelernt. Aber ganz ehrlich, es gab viele Barrieren, die ich durch die Lautsprache erlebt habe. Als ich dann die österreichische Gebärdensprache entdeckt habe, hat mir das viel erleichtert, weshalb ich sie mittlerweile als meine Muttersprache bezeichnen würde. 

Hatten Sie in Ihrer Kindheit schon Kontakt zu anderen schwerhörigen beziehungsweise gehörlosen Kindern?

Ja, meine Familie hat schon ein bisschen versucht, mich mit anderen schwerhörigen und gehörlosen Kindern in Kontakt zu bringen. Wir haben gemeinsam Ausflüge gemacht, aber ich muss ehrlich sagen, wenn ich mir die Fotoalben anschaue, kann ich mich an vieles gar nicht mehr erinnern. Es hat also keinen bleibenden Eindruck hinterlassen. Erst mit 18 habe ich den Schritt in die gehörlose Welt gemacht und auch die Gebärdensprache sowie die gehörlose Community kennengelernt. Das ist für mich bis heute eine ganz intensive Zeit. Ich kann also beide Welten mein Zuhause nennen.

Wie sind Sie anschließend zum Deaf-Slam gekommen?

In meiner Schule hat es einen Sprachwettbewerb gegeben, wo Deutsch und die österreichische Gebärdensprache kombiniert waren. Da habe ich gemerkt, dass der Deaf-Slam etwas für mich ist und mich interessiert. Ich habe anschließend Kurse besucht, angefangen, mir eigene Texte auszudenken und bin so auf die Bühne gekommen. Im Sommer 2016 habe ich erfahren, dass es in der gehörlosen Community ein Sommerfestival gibt, wo ich Bühnenerfahrung sammeln konnte. 

Können Sie versuchen, einen Deaf-Slam aus der Sicht einer gehörlosen Person zu beschreiben? 

Ich würde den Deaf-Slam als eine Verbildlichung und Visualisierung von Emotionen beschreiben. Im Vergleich zu hörenden Texten, bei denen man viel über Dolmetschen erfährt, können bei einem Deaf-Slam eigene Emotionen ganz anders ausgedrückt werden und es ist den Zuschauer:innen möglich, alles barrierefrei wahrzunehmen. Man kann die hörenden Reize abschalten und sich so voll und ganz auf den visuellen Inhalt konzentrieren. Das ist das Schöne beim Deaf-Slam. 

Anja – Tanzende Hände bei ihrem Auftritt in der Postgarage – Video: Anna Fiala

Es gibt ja auch Vibrationswesten für gehörlose Menschen auf manchen Konzerten. Haben Sie da schon Erfahrungen gemacht? 

Nein, also ich selbst habe das noch nicht probiert. Früher habe ich versucht, Rockmusik durch die tiefen Bässe zu erleben, aber das war mir zu langweilig. Nur dieses „bumm bumm bumm“, ohne die Stimme zu hören. Ich brauche die Melodie und muss die Gefühle spüren, das ist eben nur dank dem Dolmetschen oder durch Visualisierung möglich. Einfache Musik, nur mit Spüren durch Vibrationen, das ist für mich zu wenig. Andere Gehörlose sagen wiederum, das passt für sie, das machen sie gerne, aber ich brauche mehr Anreize.

Wie sind Sie zum InTaKT-Festival gekommen? 

Ich glaube über meinen Instagram-Account. Das Team hat gesehen, dass es eine österreichische gehörlose Slammerin gibt und so ist es zu dieser Einladung gekommen. Über diesen Instagram-Account kann ich doch sehr viele Menschen erreichen, kann zeigen, dass es auch Personen wie mich gibt, die in der Musikszene tätig sind. 

Vielleicht allgemein, wie wird Ihrer Auffassung nach Inklusion in der Kultur schon gelebt? 

Es gibt mittlerweile schon Angebote, aber noch viel zu wenig. Das Bewusstsein für diese kunterbunte, barrierefreie Welt fehlt noch. Wir in Österreich müssen uns noch orientieren, wir müssen unseren Weg noch finden und es gibt momentan noch wenige Personen, die als Leuchttürme fungieren. In Amerika sieht es schon etwas anders aus. Social Media ist hier ein gutes Bindeglied und dadurch sind auch schon erste Schritte gemacht worden.

Mit welchen Künstlern, mit welcher Künstlerin würden Sie mal gerne zusammenarbeiten? Sie dürfen auch gerne träumen. 

Helene Fischer, das wäre wirklich ein Traum. Aber vielleicht, wer weiß. 

Danke für das Interview!

Titelbild: Anja Burghardt vor der Postgarage – Foto: Anna Fiala

 

Hey, ich heiße Anna und bin neu im Annenviertel! Da ich eigentlich aus dem östlichen Niederösterreich komme, gibt es für mich viel Neues in 8020 zu entdecken.

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