Beitragsbild: Hanfpflanze
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Legales Gras in Graz

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Gras ist in aller Munde: Cannabis ist Heilpflanze des Jahres, in Graz boomt das Geschäft mit dem grünen Alleskönner und die Regierung will das Suchtmittelgesetz verschärfen.

Derzeit wird Cannabis in zahlreichen Grazer Geschäften legal verkauft. Neben den Growshops, in denen Stecklinge als Zierpflanzen angeboten werden, boomt seit neuestem auch der Handel mit CBD-Produkten. Das im Gegensatz zum psychoaktiven THC legale Cannabinoid CBD kann auf unterschiedlichste Formen konsumiert werden und findet auch in der Medizin Anwendung. Jeder der Growshops, Headshops, und CBD-Apotheken in Graz setzt die Vermarktung von Cannabis etwas anders um. Viele der Besitzer kennen sich und zeigen Zusammenhalt, andere sind bedacht auf ein eher steriles Öffentlichkeitsbild. Was klar ist: im Grazer Stadtbild spiegelt sich eine neue und wachsende Industrie wider, die man im Auge behalten sollte.

Räucherstäbchen

In der Graslerei in der Leonhardstraße bekommt man Cannabisblüten grammweise über den Tresen. Die Blüten enthalten weniger als 0,2% des Wirkstoffs THC, bewegen sich also im Bereich des Legalen und wirken auch nicht berauschend. Am Tisch kann man die Blüten nach Bedarf mit einem Tabakersatz mischen und „Räucherstäbchen” bauen, wie Bastian Knabl, einer der Gründer der Graslerei, sie liebevoll nennt. Und so kann man in gemütlichem Ambiente den angenehmen Cannabisgeruch genießen, den man sonst nur von nächtlichen Spaziergängen im Stadtpark kennt. Gesetzlich bewegt sich die Graslerei im grünen Bereich, sowohl was das Jugendschutzgesetz (es gibt kein Alterslimit, doch die Besitzer setzten es sicherheitshalber bei 18 Jahren an), als auch das möglicherweise kommende Rauchverbot in der Gastronomie angeht (das Rauchen von Tabak ist im Coffeeshop jetzt schon verboten). Seit 7. März bietet die Graslerei sogar einen Lieferservice an, dessen Reichweite jedoch noch nicht bis ins Annenviertel reicht.

Heilpflanze oder Einstiegsdroge?

„Cannabis ist die Einstiegsdroge und sollte daher nicht entkriminalisiert werden.” Damit begründete die FPÖ gegenüber DOSSIER vor der Wahl ihre Position. Auch die anderen Großparteien sind nach dieser Recherche gegen eine Entkriminalisierung der Pflanze, die Liste Kurz zeigte sich damals aber noch als liberaler und aufgeschlossener als von der ÖVP erwartet und beantwortete die Frage, ob  “der Verkauf von Samen und Stecklingen weiterhin legal sein” sollte, mit ja. Dementsprechend überraschte es, als im neuen Regierungsprogramm von einem „Verbot des Verkaufs von Hanfsamen und Hanfpflanzen” die Rede war.

Michael Langerwisch - Foto: Nikolaus Zoltan
Michael Langerwisch berät Kunden gerne bei einem Glas Hanftee – Foto: Nikolaus Zoltan

Während die regierenden Parteien sich gegen eine Lockerung der Gesetzeslage sträuben, ist in der Gesellschaft eine gewisse Entstigmatisierung der Hanfpflanze zu erkennen. Dadurch geht es auch in der medizinischen Forschung voran. Cannabis wurde vom Netzwerk für pflanzliche Medizinprodukte (HMPPA) zur Heilpflanze des Jahres 2018 gekürt. Es wird jedoch von Experten immer wieder gewarnt, dass Cannabioide nicht in natürlicher Form, sondern kontrolliert als Arzneimittel eingenommen werden sollen. Michael Langerwisch vom CBD-Fachgeschäft Hanf auf’s Herz in der Sporgasse sieht das anders. Er setzt sich durch Aufklärungsarbeit für mehr Selbstbestimmung bezüglich der eigenen Gesundheit ein. Von Cannabis als Rauschmittel ist er jedoch nicht sehr angetan und bricht damit das Stereotyp des kiffenden Marihuana-Aktivisten – er bevorzugt den Genuss von Wein oder gutem Whiskey zur Entspannung.

Selber pflanzen

„Ich weiß nicht, warum sich alle so um die Innenstadt reißen”, meint Stefan Sailer, der mit einer Mitarbeiterin den Growshop ROOTS Ethnobotanik am Lendplatz führt. Er ist im Annenviertel zuhause und bezeichnet den Lendplatz als „alternatives Zentrum von Graz”. Er sieht sein Geschäft nicht von den Regierungsplänen, das Suchtmittelgesetz zu verschärfen, gefährdet und vermutet ein rein populistisches Thema hinter der Ankündigung. Seine einzige Sorge sei, dass „alles abgedreht wird”, wenn im gesetzlichen Graubereich zu viel Unfug getrieben wird. Für Growshops ist es wichtig, sich von illegalem Cannabishandel zu distanzieren. Sailer, der früher bei Magna angestellt war, hatte sich 2016 mit ROOTS selbstständig gemacht. Weil Cannabis seine Passion sei, wie er sagt. Er weiß auch von Erfolgsgeschichen seiner KundInnen mit CBD zu berichten. So konnte eine Dame, die sich zwei Rippen gebrochen hatte, die Risiken einer Operation vermeiden, weil die schmerzstillende Wirkung von CBD ihre Muskelrückbildung ermöglichte.

Stefan Sailer - Foto: Nikolaus Zoltan
Stefan Sailer fühlt sich im Lendviertel zu Hause und hat auch dort seinen Growshop angesiedelt – Foto: Nikolaus Zoltan

Schon seit 2011 gibt es das Tree Friends in der Belgiergasse. Der dort angestellte Christoph Gärtner ist für eine Lockerung des Gesetzes. Ein Verbot des Verkaufs von Hanfzierpflanzen würde seinen Job bedrohen. Er glaubt aber nicht, dass es wirklich so weit kommen wird. Die FPÖ kritisiert, dass „viel im Graubereich und ohne Kontrolle” stattfinde. Dabei sind die gesetzlichen Vorgaben eindeutig und werden auch eingehalten. Growshops dürfen keine Pflanzen verkaufen, die THC-haltige Blüten tragen. Gärtner betont auch, dass er Kunden keine Auskünfte darüber gibt, wie Zierpflanzen zum Blühen gebracht werden können.

Verschwiegene Szene

Die Ungergasse scheint sich zu einem Zentrum der Growshop-Szene im Annenviertel zu entwickeln. Dort sind die Botanic Matters GmbH mit ihrem Partnerbetrieb Cuttlings KG und dem vor Kurzem eröffneten Head- und CBD-Shop smokers.shop zu finden. Geschäftsführer Daniel Konrad zeigte sich, wohl aus Vorsicht, zurückhaltend, mit der Annenpost zu reden. Die Kette Seeds2Go, deren Graz-Filiale aufgrund ungeklärter Umstände schließen musste, hatte auch „kein Interesse an einem Interview”.

Wenn ihr diesen Text lest, hat er vergessen, seine biografischen Angaben zu aktualisieren. Ansonsten ist er eigentlich recht zuverlässig.

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