Bald ist es wieder so weit und nicht nur der Frühling wird uns auf die Straßen, Gassen, Parks und Plätze von Graz locken. Auch heuer wird der Lend sich wieder eine ganze Woche im Ausnahmezustand befinden – die Planungen für den Lendwirbel 2014 sind bereits in vollem Gange. Ein Gespräch mit Franz Lammer, einem Mitglied des sich gerade formierenden Organisationsteams.
War der Lend auch früher als Rotlichtviertel verschrien, so bessert sich sein Ruf stetig. Seit den späten 1990er Jahren ließen sich immer mehr einzelne künstlerische Initiativen rund um den Lendplatz nieder. Eine junge, urbane Szene entstand um die „Achse“ zwischen Kunsthaus und Lendplatz, die im Wesentlichen von der Mariahilferstraße definiert ist.
Aus einem inoffiziellen Nachbarschaftsfest im Jahre 2007, das die Eröffnung der Haarschneiderei als Anlass hatte, wurde mit den Jahren ein soziokulturelles Straßen- und Stadtteil-Fest mit tausenden Besuchern und Flanierenden, die angeregt werden, sich mit den Themen Nachbarschaft und Zusammenleben, öffentlicher Raum, Stadtentwicklung, Kunst und Experiment auseinanderzusetzen. Der Grundgedanke ist der, dass jeder, der eine Idee hat, diese im Zuge des Lendwirbel auch umsetzen kann.
Die vielen Projekte und Performances, die von Künstlern, Anrainern oder auch einfach nur von engagierten Menschen eingebracht werden, benötigen zum Großteil Genehmigungen, Koordination und Vorbereitung. Darum wurde letztes Jahr eine Organisationsstruktur aufgebaut und der Verein Lendwirbel gegründet. Das Team für 2014 formiert sich gerade noch, die ehrenamtliche Gruppe soll Drehscheibe und Infoquelle für alle Projekte sein. Sie kontaktiert Interessierte, stellt Ansuchen, findet Ideen, koordiniert und organisiert.
Franz Lammer, Informationsdesign-Absolvent der FH Joanneum und eigentlich Consultant und Partner bei der Agentur En Garde, gehört zum aktiven Kern des Vereins. Er sitzt aufrecht, einen Arm entspannt über seine Sessellehne gelegt, den anderen auf die Tischplatte gestützt. Mit leuchtenden Augen erzählt er von den Projekten der letzten Jahre, dass die Menschen sogar an einem lauen Freitag, an dem den Anrainern zuliebe keine Aktionen eingeplant waren, zu hunderten durch die Straßen flanierten und miteinander ins Gespräch kamen: „Die ganze Woche wird ein Ausnahmezustand“, sagt er. „Der Lendwirbel hat ein richtiges Rummelflair.“
Von den letzten Wirbeln sind ihm vor allem Überraschungen im öffentlichen Raum in Erinnerung geblieben – Gebäude, denen mit Styropor-Augen Gesichter verliehen wurden oder mit Steinen gefüllte Koffer, die wie vergessen an einer Straßenecke standen; Ideen zu der Fragestellung, wie man das Stadtbild verändern könnte.
Auch heuer werden die Besucher wieder viele Überraschungen erwarten, Performances, Diskursveranstaltungen, Ausstellungen, Theater und vor allem viel Musik. Über 40 Musiker und Bands haben sich bereits gemeldet und werden an den verschiedensten Standorten im Lend spielen – diesmal vorwiegend unplugged und ohne große Bühnen, um einerseits den Darbietungen den Event-Charakter zu nehmen, und andererseits die Anrainer nicht allzu laut zu beschallen.
Und die Finanzierung? „Keiner hat beim Lendwirbel den Anspruch, etwas zu verdienen, sondern eher, nur etwas auszuprobieren. Aber genau das macht das Flair aus.“ Für Essen und Trinken würde normalerweise gesorgt, und im Idealfall sollten zumindest die anfallenden Materialkosten für alle Mitwirkenden gedeckt werden.
Auch wenn die Finanzierung noch nicht so ganz klar ist, ein Motto für den Lendwirbel 2014 gibt es schon: „Unter freiem Himmel“. Die Mottofindung ist schnell erklärt: „Es findet alles im Freien statt – auf Straßen und Plätzen, in Gassen und Hinterhöfen. Das Prinzip vom Lendwirbel ist ja: die Straße ist unser Wohnzimmer.“ Nachdem das mehrtägige Fest keinen dezidierten Anfang oder ein abruptes Ende haben soll, wird nur eine Kernzeit genannt: 02.-11. Mai.
Einige Programmpunkte sind bereits fixiert, wie der Schlagergarten Gloria, den Lammer mitbegründet hat und der am 3.Mai in den Volksgarten lädt – die meisten Projekte befinden sich allerdings noch im Prozess und man kann seine Ideen bis Mai unter office@lendwirbel.at einsenden. Je mehr Ansuchen für ein Projekt zu stellen sind, desto früher sollte das Team natürlich informiert werden. Ist aber keine Genehmigung der Stadt notwendig, kann man auch kurzfristig etwas machen, so Lammer. „Vielen Anrainern fallen spontan Dinge ein, die keine Genehmigung brauchen und die sie dann einfach umsetzen“, schmunzelt er.
Seine Vorfreude ist ihm deutlich ins Gesicht geschrieben: „Die Straße ist gesperrt, und es herrscht Anarchie. Man glaubt, so eine Stadt gibt es nirgendwo sonst.“ Er grinst: „Man geht durch und alle Menschen sind Freaks.“