Das Frauenservice Graz und „Mutausbruch“ unterstützen Frauen, die Gewalt erfahren haben. Auch während der „16 Tage gegen Gewalt an Frauen“, die gerade zu Ende gingen. Die strukturellen Herausforderungen – darunter die Kürzungen durch das Land Steiermark – begleiten sie aber das ganze Jahr.
Autorinnen: Erja Mair und Elena Pausch
Es ist der 25. November. Vor dem Grazer Kunsthaus hat sich eine Menschenmenge versammelt. In respektvoller Stille umringen die Anwesenden einen Kreis aus Kerzen.Das Kunsthaus hatte gemeinsam mit dem Verein Frauenservice Graz zum Auftakt der „16 Tage gegen Gewalt an Frauen und Mädchen“ zu einem besonderen Gedenken eingeladen. Insgesamt stehen 124 Kerzen im Kreis, jede beschriftet mit Name und Alter einer Frau, die in den vergangenen fünf Jahren in Österreich von einem Mann aus ihrem näheren Umfeld ermordet wurde. Die Zahl ist erschreckend – dennoch vermittelt der Blick auf die Gesichter der Anwesenden ein starkes Gefühl von Zusammenhalt und Gemeinschaft.
Das Gedenken, das vom Kunsthaus und dem Frauenservice organsiert wurde, stellte den Auftakt der diesjährigen „16 Tage gegen Gewalt an Frauen und Mädchen”, einer internationalen Kampagne, die auf Gewalt gegen Frauen aufmerksam macht. Zahlreiche Grazer Organisationen haben dafür ein eigenes Programm auf die Beine gestellt. Anschließend an das Gedenken stand “Mutmachkino” im Kunsthaus am Programm: Zu sehen war Les Invisibles – Die Macht der Unsichtbaren”. Der Film spielt in Frankreich und handelt von Sozialarbeiterinnen, die solidarisch für Frauen in Notsituationen kämpfen – und das trotz staatlicher Kürzungen.

Kürzungen trotz Notwendigkeit
Der Plot des Films klingt bekannt? Kein Wunder, in der Steiermark hat die blau-schwarze Landesregierung ja ebenfalls eine Reihe von Sozialförderungen gekürzt. Betroffen sind unter anderem Projekte im psychosozialen Bereich und eine Reihe von Frauenhilfsorganisationen. Darunter auch das Info-Café „Palaver” des Vereins Frauenservice, das einst 1999 von der späteren Grünen Vizebürgermeisterin Lisa Rücker eröffnet worden war. Förderungen, die das „Palaver” vom Land Steiermark bekam, wurden gestrichen. Mit weitreichenden Auswirkungen, künftig bleibt es mittwochs geschlossen, die Telefone sind an diesem Tag nicht besetzt. „Ich glaube, für Fördergeber ist es oft nicht so leicht, nachzuvollziehen, wie die Einrichtungen intern strukturiert sind”, erzählt uns Petra Leschanz mit nachdenklichem Gesichtsausdruck in ihrem Büro. „Das Palaver ist unser Empfangsbereich, wo Frauen einfach ohne Termin hinkommen können, um niederschwellige Beratung zu erhalten. Die Schwächung eines Bereichs im Frauenservice beeinträchtigt unsere gesamte Arbeit.” Petra ist im Frauenservice unter anderem zuständig für die Rechtsberatung und das Zivilcourage-Training sowie Fragen der Gewaltprävention.
Zudem musste das Frauenservice Projekte wie die „English Conversation“ und das „Generationen- und interkulturelle Frauenfrühstück“ einstellen. Beide Angebote boten Frauen verschiedenster Herkunft einen geschützten Raum, in dem sie wertvolle Kontakte knüpfen konnten. Darüber hinaus waren diese Projekte für die Frauen eine Möglichkeit, in einem betreuten Rahmen psychische Belastungen aufzuarbeiten. Für manche sei es der erste Schritt aus der Isolierung gewesen, erzählt Petra Leschanz. Doch auch die Förderungen für diese Projekte wurden eingestellt. Begründet hätte das Land die Entscheidung damit, dass es an Relevanz und Nachfrage fehle. Dies trotz erhöhter Nachfrage – im Jahr 2024 besuchten 221 Teilnehmerinnen ein Frauenfrühstück – und trotz zahlreicher positiver Rückmeldungen der Teilnehmerinnen.
Das Frauenservice spielt mit seinen Angeboten auch eine wichtige Rolle bei der Bewusstseinsbildung von Gewalt-betroffenen Frauen. „Es gibt Frauen, die zu uns kommen und das, was ihnen passiert ist, gar nicht als Gewalt sehen”, berichtet Edith Abawe bei einem Gespräch im Café. Sie ist Fachbereichsleiterin des Info-Cafés Palaver und interkulturelle Sozialberaterin. Im Gespräch wird klar: Für sie ist ihre Tätigkeit im Verein Frauenservice mehr als nur ein Beruf. Sie erzählt uns mit aufrichtigem Verständnis von den hilfesuchenden Frauen: „Wir helfen diesen Frauen ohne bürokratische Hürden.”
Unterstützung, wenn die Gefahr vorbei ist
Einen anderen Ansatz, um Opfern von Gewalttaten zu helfen, bieten Greta Pomberger und ihr Team aus Expert:innen mit dem Projekt „Mutausbruch”. Im Zuge des Verfassens ihrer Dissertation „Vom Opfer zum Serienopfer” stieß sie auf ein Defizit im Angebot österreichischer Hilfsorganisationen: Frauen in Akutsituationen würden gut betreut werden, aber es mangle an niederschwelligen Nachbetreuungsangeboten sowie an Räumen, in denen sich Betroffene untereinander austauschen können. Ohne diese würden Frauen oft in Einsamkeit verfallen oder wieder gewalttätige Beziehungen eingehen, meint Greta. Sie studierte Kriminologie an der Universität Wien und ist neben der Arbeit an ihrem Herzensprojekt auch als Juristin tätig. Nicht nur beruflich, sondern auch privat engagiert sie sich für den Kampf gegen jegliche Form von Diskriminierung. In ihrer Dissertation untersuchte sie das Phänomen der Reviktimisierung. „Diese Frauen sind vielleicht nach den gesetzlichen Bestimmungen Opfer. Das muss man aber nicht das ganze Leben lang bleiben”, sagt sie dazu. Auch Greta hat früher Gewalt erlebt und weiß, wie sehr der Austausch mit anderen helfen kann.
Genau so einen Austausch möchte Mutausbruch bieten. In Selbsthilfegruppen können Frauen unter der Leitung einer Sozialpädagogin über Themen sprechen, die ihnen am Herzen liegen. Ob sie nun aktiv mitreden oder einfach nur zuhören, ist dabei egal. Die Sozialpädagogin liefert Ratschläge für den Alltag oder hilft, neue Beziehungen einzuschätzen. Sie bietet Infosessions an und hat jederzeit ein offenes Ohr. In den Gruppen können die Frauen ein soziales Umfeld aufbauen und Halt in Freundschaften finden. „Ich merke, dass ich etwas Richtiges mache, wenn andere Menschen zu mir kommen und sagen, dass sich ihre Lebensrealität durch meine Arbeit verbessert hat”, erzählt Greta stolz der Annenpost.
Zugang zur Selbsthilfe
Voraussetzungen für die Teilnahme gibt es keine. Dennoch werden Vorkehrungen getroffen, um die Teilnehmerinnen zu schützen. Auch der Veranstaltungsort ist deshalb anonym. „Beim Erstkontakt wird geprüft, ob das Angebot zu den Bewerber:innen passt. Für Menschen in Akutsituationen ist Mutausbruch nicht die richtige Anlaufstelle”, erklärt Greta. Wenn akute Hilfe gefragt ist, vermittelt sie diese Frauen an entsprechende Organisationen weiter. Auch weil es in Akutsituationen darum geht, Frauen bewusst voneinander zu trennen, um eine Retraumatisierung zu vermeiden. Liegt die Gefahr allerdings in der Vergangenheit, kann der Kontakt mit Personen in ähnlichen Situationen zur Heilung beitragen.

Wie das Frauenservice ist auch Mutausbruch Mitglied im Grazer Frauenrat und will Menschen für das Thema „Gewalt an Frauen” sensibilisieren. Deshalb nahmen sie an den 16 Tagen gegen Gewalt an Frauen teil. „Das Ziel ist es, dass Personen, die kommen, irgendwann nicht mehr kommen müssen”, äußert sich Greta hoffnungsvoll. Sie sollten das Angebot irgendwann nicht mehr brauchen, weil sie durch Mutausbruch auf eigenen Beinen stehen können und das Vertrauen in sich selbst zurückgewonnen haben.
Die Vereine Frauenservice und Mutausbruch verwenden in seinen Projekten die Bezeichnung Frauen*. Mit dem Sternchen ist gemeint, dass auch FINTA-Personen angesprochen sind – also Frauen, Inter-, Nicht-binäre, Trans- und Agender-Personen.
Mutausbruch
Webseite: https://www.mutausbruch.at/
Email: hallo@mutausbruch.at
Verein Frauenservice Graz
Webseite: https://www.frauenservice.at/
Email: office@frauenservice.at und Tel: 0043 316 71 60 22
Falls ihr auf der Suche nach feministischer Fachliteratur seid: https://www.frauenservice.at/bildung/bibliothek-und-demokratiepolitischer-denkraum
Frauenhelpline: 0800 222
Titelbild: Petra Leschanz vom Verein Frauenservice und Edith Abawe vom Infocafe Palaver. Hinter ihnen ist die feministische Fachbibliothek des Frauenservice Graz. – Foto: Elena Pausch
