Zwischen den vertrauten Mauern, Farben und Wegen der Triester-Siedlung finden Martin Behr und Martin Osterider immer neue Bilder und Geschichten, die es lohnen, festgehalten zu werden. Nun folgte ein Kurzfilm, der für die beiden ein neues Kapitel in ihrer kreativen Reise durch die eigene Geschichte öffnet.
Autoren: Lukas Lackner, Niklas Saria
Martin Behr und Martin Osterider kennen einander schon von klein auf. Sie wuchsen in der Grazer Triester-Siedlung auf, nur wenige hundert Meter voneinander entfernt, besuchten gemeinsam die Volksschule, dann trennten sich ihre Wege vorerst. Erst später erfuhren die beiden, dass der jeweils andere rund um den ehemaligen Wohnort fotografisch arbeitete – und legten den Grundstein für ein großes gemeinsames Projekt. Seit 2003 dokumentieren beide mit Leidenschaft den Ort ihres Aufwachsens. Seit 2013 erscheint die Publikationsreihe „Triester“ in Zusammenarbeit mit Camera Austria. 17 Bände haben die zwei bisher veröffentlicht. Jeder dieser Bände folgt einem eigenen Thema. Auf den bisher letzten, den 17. Band, folgte der nächste Schritt: „Triester, ein Farbfilm”. Sowohl Band als auch Film beziehen sich auf die Hauswände der Siedlung.
Nur Wände und Musik
Für den Betrachter ist der Film beim erstmaligen Sehen schwer zu greifen, denn es ist kein Film im klassischen Sinne. Die Zuseher:innen sehen vier Minuten lang Wände in Bewegt- und Standbildern. Dabei kommt die Vielfalt an Schnittflächen, Granulaturen und Farbtönen zum Ausdruck. Dazu eine nicht zuordenbare Musik oder ein Geräusch, das die Zuschauer:innen an das Kratzen an etwas Rauem erinnert. Martin Osterider streitet das beim Gespräch mit der Annenpost, das im Gasthaus Fasching stattfand, auch gar nicht ab. Aber: „Wenn du die Augen schließt, hast du ein gewisses Nachbild im Kopf.”
Für den musikalischen Teil haben Behr und Osterider mit dem in Graz lebenden Musiker Josef Klammer zusammengearbeitet. Das Soundmaterial dafür erzeugte Klammer, indem er mit einem Blindenstock über eine Hausmauer fuhr. „Die Kombination der Bilder mit der Musik macht das Ganze „erträglich“, findet Behr. Für die beiden Künstler haben die für die Triester-Siedlung typischen Mauern auch einen gewissen Wiedererkennungswert: „Durch die farbenfrohen Mauern erkennt man darin etwas Positives“, sagt Behr. Die typischen Farben der Triester Mauern ziehen sich wie ein roter Faden durch die Arbeit der beiden Grazer, sind doch auch die Cover der kleinen Fotobände in diesen gehalten.
Wenn das Hobby zur Sucht wird
Die Filmpremiere gab es schon 2024 im Rahmen der Grazer Diagonale, den Bewohnern der Siedlung wurde der Film erstmals am 7.11. dieses Jahres beim Triester-BAHÖ im Gasthaus Fasching gezeigt. Bei der Veranstaltung wurde die Buchreihe thematisiert, dazu gab es Live-Musik von Hirsch Fisch, Karli Braun und DJ TRST. Die Menschen aus dem Viertel freuten sich, durch die Arbeit der Fotografen repräsentiert zu werden, meinen die beiden. Das erkenne man auch daran, dass es im Gasthaus Fasching Bierdeckel mit Fotos aus der Serie gäbe und dass im Gasthaus Buchmesser ausgewählte Bilder an der Wand hängen. „Man merkt, dass unsere Arbeit wertgeschätzt wird”, sagt Behr.
Die Anerkennung der künstlerischen Arbeit durch die Bewohner:innen freut die beiden, doch sei dies nicht ihr Hauptantrieb. Was sie wirklich motiviert, ist die Liebe zum Bild – und zum langfristigen Arbeiten daran. „Durch die lange Beschäftigung mit der Siedlung wird es zu einer Art Sucht. Man findet immer etwas Neues”, meint Behr. Auch persönliche Bindungen spielen natürlich eine Rolle. Bei Besuchen Osteriders bei dessen Mutter werden oft Neuigkeiten aus der Siedlung besprochen. Auch bei Behr spürt man diese Verbundenheit im Gespräch. Vor zwei Jahren brachte er ein Buch über die Wohnung seiner Mutter heraus, vor allem damit diese nach ihrem Ableben nicht in Vergessenheit gerät.

Visionen für das Visuelle
Welche kreative Richtung die beiden in Zukunft einschlagen werden, lassen Behr und Osterider offen – schließlich wissen sie es selbst noch nicht genau. „Wir haben keinen Fünf-Jahres-Plan, den wir abarbeiten”, meint Osterider. Für 2026 ist allerdings bereits ein weiteres Projekt mit Josef Klammer geplant. Der Plan ist, dass Bewohner:innen der Siedlung ein Orchester bilden, das nicht mit Instrumenten musiziert, sondern mit Gegenständen aus den Wohnungen. Behr und Osterider sollen dafür die visuelle Begleitung liefern. Ideen zu zukünftigen Projekten seien laut Osterider im Überfluss vorhanden: „Es gibt immer mehr Ideen, als man realisieren kann.“ Die beiden ziehen es ebenfalls in Betracht, ihre bisherige Arbeit zusammenzufassen – egal ob in Buch-, Film-, oder in einer anderen Form.
Link zum Kurzfilm: https://vimeo.com/995346640
Titelbild: Martin Behr (links) und Martin Osterider (rechts) thematisieren Farben und Flächen in der Triester-Siedlung. – Foto: Joana Grahovac
