Beatrix Eiletz im ÖGB Haus in Eggenberg.

Sozial-Löhne: Wer hilft den Helfenden?

Lesezeit: 3 Minuten

Vor der zweiten Runde der Kollektivvertragsverhandlungen geben sich Vertreter:innen der Arbeitnehmer:innen im Pflege-, Sozial- und Gesundheitsbereich kämpferisch: Bleiben Verbesserungen bei Lohn und Arbeitsbedingungen aus, sind die Beschäftigten bereit, ihre Arbeit niederzulegen.

Autorinnen: Julia Ertl, Matilda Royer

Seit dem 29. Oktober laufen die Kollektivvertragsverhandlungen der Sozialwirtschaft Österreich (SWÖ). Konkret fordern die Vertreter:innen der Arbeitnehmer:innen zumindest eine Lohnanpassung an die Inflation, sodass keine Reallohnverluste entstehen. Von der Arbeitgeber:innenseite heißt es hingegen, eine Valorisierung sei unter den aktuellen Rahmenbedingungen nicht leistbar, die Sorge vor drohenden Kürzungen wiege zu schwer.

Neben der Valorisierung stehen eine Lohn- und Gehaltsforderung von plus 4 Prozent im Fokus. Außerdem geht es um Zuschläge für Sonn-, Feiertags-, Nachtschichten sowie darum, geteilte Dienste zu verbessern, sodass diese nicht mehr auf Kosten der Mitarbeiter:innen gehen. Betroffen sind österreichweit rund 130.000 Beschäftigte im Pflege-, Gesundheits- und Sozialbereich.

Wie viel ist die Arbeit am Menschen wert?

„Die Arbeit am Menschen muss ja doch weit mehr wert sein, als wenn ich zum Beispiel einen Tisch produziere. Wenn der Laptop runterfällt, dann ist er kaputt, ja, Pech gehabt. Kostet zwar was, aber wenn ein Mensch runterfällt, hat er im Ernstfall einen Oberschenkelbruch und verstirbt dann im Spital. Da habe ich doch viel mehr Verantwortung!“, so Beatrix Eiletz, Betriebsratsvorsitzende bei der Volkshilfe Steiermark und eine der Chefverhandlerinnen des SWÖ-Kollektivvertrags für die Arbeitnehmer:innen an der Seite der GPA. Die 51-Jährige arbeitet seit 1991 bei der Volkshilfe und vertritt dort rund 3.000 Mitarbeiter:innen. Bei unserem Treffen im ÖGB-Gebäude in Eggenberg strahlt sie Entschlossenheit und Selbstbewusstsein aus. Eine Frau, die weiß, was sie will.

Das ÖGB Haus in Eggenberg.

Wir haben Beatrix Eiletz im ÖGB-Gebäude in Eggenberg getroffen. – Foto: Matilda Royer

Dieses Jahr sei es besonders schwierig, zu einer Einigung zu kommen, sagt Eiletz. Der aktuelle Spardruck der blau-schwarzen Landesregierung führt derzeit zu massiven Einsparungen in vielen Bereichen. Im Gesundheits-, Sozial- und Pflegebereich werde die Sorge größer, auch wenn niemand wisse, welche weiteren Kürzungen es tatsächlich geben werde. Arbeitgeber:innen führten an, dass aufgrund der drohenden Einsparungen Lohnerhöhungen nicht möglich seien. Dies beeinflusse die laufenden Kollektivvertragsverhandlungen massiv.
„Wir stehen zwischen zwei Fronten: Den Beschäftigten, die zu Recht faire Löhne fordern, und der öffentlichen Hand, die die Budgets vorgibt.”, so der Geschäftsführer einer großen Sozialeinrichtung im Annenviertel, der aufgrund laufender Gespräche nicht namentlich genannt werden will. „Sollte die Gewerkschaft nicht von den Forderungen abrücken, werden viele Vereine in Geldnot geraten, da der Staat die Gehaltserhöhungen nicht abdeckt.”

Aktion „Vier gewinnt“

Die erste Verhandlungsrunde Ende Oktober wurde kurzzeitig ohne Ergebnis abgebrochen. Das ist grundsätzlich nichts Neues, doch dieses Jahr starteten die Gewerkschaften GPA und vida die Aktion „Vier gewinnt“. Vom 3. bis 5. Oktober wurde auch in den Sozialbetrieben im Annenviertel für vier Minuten die Arbeit niedergelegt: vier Minuten für + 4 Prozent Einkommenserhöhung. Daran beteiligt waren Betriebe wie das Mosaik, Jugend am Werk, Lebensgroß oder die Volkshilfe. Ein symbolischer Streik, der mobilisieren und aufmerksam machen sollte.

Zweite Verhandlungsrunde

Die zweite Verhandlungsrunde ist für den 13. November angesetzt, doch Eiletz zeigt sich skeptisch. ”Dass wir alle einen Beitrag liefern müssen, das ist für mich schon nachvollziehbar. Nur, alle haben bis jetzt keinen Beitrag leisten müssen, aus meiner Sicht.” Laut Eiletz zahlen die Falschen. Großunternehmer:innen, die während der Pandemie mit Förderungen überschüttet worden seien, müssten sich mehr beteiligen. „Die müssen nichts dazu beisteuern. Aber ein alter Mensch, der eher Hilfe und Unterstützung braucht, der soll einen Beitrag liefern?“

Beatrix Eiletz bleibt optimistisch und hofft auf einen Abschluss der Verhandlungen, ist aber auch bereit, weitere Streiks einzuleiten, falls diese in die nächste Runde gehen. Dabei spiele aber auch die Motivation von Seiten der Beschäftigten eine große Rolle. „In der letzten Verhandlungsrunde, wo es wirklich drauf ankommt, ist der Großteil der Arbeitnehmer:innen nicht mehr motiviert.“

Folgen für die Versorgung

Die Ergebnisse  der Verhandlungen  haben einen realen Einfluss auf die Versorgung der Bevölkerung in ganz Österreich. Eiletz bestätigt, dass es in Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen bereits zu wenig Personal gebe, und dass sich bei einer weiteren Verschlechterung der Arbeitsbedingungen noch mehr Menschen aus dem Sozialbereich zurückziehen könnten. In Pflegeheimen in ganz Österreich seien rund 6.000 Betten leer, und im mobilen Dienst habe es zwischenzeitlich Wartezeiten von bis zu sechs Wochen gegeben.

Eiletz appelliert klar: „Nicht am Menschen sparen! Es geht nicht um Beschäftigung, sondern um die Versorgung von Menschen!“.

 

Titelbild: Beatrix Eiletz erzählt über die laufenden Kollektivvertragsverhandlungen und Auswirkungen finanzieller Kürzungen. – Foto: Matilda Royer

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