Joe Niedermayer vor seinem PC

Kahlschlag im Sozialsystem: Grazer Vereine ringen um Fördergelder

Lesezeit: 3 Minuten

Infolge von Förderkürzungen seitens der FPÖ stehen viele Grazer Sozialvereine vor großen Herausforderungen. Besonders betroffen sind Organisationen, die sich für queere Menschen, Integration oder psychische Gesundheit einsetzen. Joe Niedermayer spricht über die Situation der RosaLilaPantherInnen.

„Müsste ich eine Note im Schulsystem geben, würde ich wahrscheinlich eine 8- verteilen”, bewertet Daniela Schlüsselberger, Vorsitzende des SPÖ Gemeinderatsklubs Graz, die bisherige Arbeit der blauen Landesregierung. Sie ist unter anderem Leiterin des Ausschusses „Gesundheit und Pflege, Soziales, Senior:innen und Integration” und steht somit in engem Kontakt mit den zahlreichen Sozialorganisationen in Graz. 

Diese machen sich schon seit Anfang des Jahres Sorgen um Fördergelder. Gelder, die benötigt werden, um zahlreiche Projekte, aber auch generelle Vereinsstrukturen, wie Miete und Strom, zu finanzieren. Bisher war es so, dass die Vereine Jahresverträge bekamen, in denen die Höhe der Förderungen genau dotiert wurde. Die FPÖ kündigte die Verträge kurz nach Regierungsantritt auf, zahlte aber 50% der versprochenen Gelder aus. Die restlichen Fördermittel sollten nur nach erneuter Antragstellung und Vertragsabschluss vergeben werden. Doch bereits bei den neuen Anträgen gab es Hürden. 

„Auf einmal hat man sich bei mir gemeldet und gesagt, dass man jetzt die Nationalität seiner Schützlinge angeben muss”, erzählt Schlüsselberger. Die Absage der Anträge, die die FPÖ per Mail an viele Organisationen am 13. Juni schickte, kam dennoch sehr überraschend. „Die Vereine, denen man die Gelder gestrichen hat, passen der FPÖ nicht ins Weltbild. Sie setzen sich für Migration, Integration und für queere Menschen ein. Das ist, meiner Meinung nach, zutiefst rassistisch”, sagt die SPÖ-Politikerin. 

Daniela Schlüsselberger in ihrem Büro
Daniela Schlüsselberger in ihrem Büro – Foto: Daniel Lahnsteiner

Existenzsorgen trotz Eigenfinanzierung

Als Reaktion auf die Absage-Mails rückten die Grazer Sozialorganisationen zusammen. Sie gründeten die Initiative „steiermarkretten” die das Ziel hat, gegen die Kürzungen zu protestieren und Menschen über die prekäre Situation zu informieren. Ein Gründungsmitglied waren dabei die RosaLila PantherInnen. Sie bieten neben zahlreichen Beratungsangeboten für queere Menschen auch Schulworkshops, Vorträge und wichtige Projekte zur Aids-Vorsorge an. Bei ihnen wurde die Basisförderung in Höhe von 30.000 € und eine Projektförderung in Höhe von 10.000 € gestrichen. 

Joe Niedermayer, der Geschäftsführer, sieht das kritisch. Vor allem die Beratungsangebote helfen vielen queeren Menschen, die mit psychischen Problemen zu kämpfen haben. Er warnt vor Folgekosten, die durch die Kürzungen entstehen können: „Ein psychisch kranker Mensch kostet dem Steuerzahler viel mehr Geld als ein gesunder. Einen geeigneten Platz in einer psychosozialen Einrichtung zu finden, ist auch sehr schwierig.” Queere Jugendliche haben auch ein doppelt so hohes Suizidrisiko und erleben überdurchschnittlich oft Gewalt. 

Eine gute psychosoziale Begleitung ist besonders für diese Gruppe unerlässlich. Auch wenn die RosaLilaPantherInnen einen erheblichen Teil ihres Budgets selbst durch die FagTory-Partys in der Postgarage, den Tuntenball oder den CSD finanzieren, müsse man trotzdem mit Einschränkungen der Leistungen rechnen. Niedermayer erwartet zwar längere Wartezeiten, wenn man psychologische Hilfe bei ihnen in Anspruch nehmen will, man werde aber niemanden ablehnen. Die Chatberatung der RosaLilaPantherInnen wird aber wahrscheinlich eingestellt und auch weniger Schulworkshops angeboten werden.

Kritik an Kommunikation

Vor allem das Timing der Absage ließ Niedermayer sauer aufstoßen: „Wir befanden uns in der Zeit der offiziellen Staatstrauer. Man hatte die Gedanken wirklich woanders.” Auch den Pride-Month als Zeitpunkt auszusuchen, sei unpassend gewesen. Viele Menschen würden den Monat als Zeit der Bekräftigung sehen, als eine Zeit, in der sie so sein können wie sie sind. Durch die Entwicklungen seien viele aber eingeschüchtert worden und hätten Angst um die Zukunft. 

Niedermayer suchte mehrmals beim zuständigen Landesrat Hannes Amesbauer um ein Gespräch an, wurde zuerst aber abgelehnt. „Das ist nicht der ,Steirische Weg’. Normalerweise setzen wir uns zusammen, reden miteinander und wenn die FPÖ sagt, wir verdienen kein Geld, dann ist das okay. Aber das von heute auf morgen in einer E-Mail zu verkünden, ist nicht richtig”, meint Niedermayer. Immerhin: Am 25. Juni kam es dann doch zu einem Treffen zwischen Amesbauer und den RosaLilaPantherInnen. Die ernüchternde Bilanz: Für 2025 wird es keine Fördermittel vom Land geben. Eine mögliche Einigung für 2026 wurde zumindest in Aussicht gestellt.

Einen Lichtblick in dieser schwierigen Situation gibt es für Joe Niedermayer aber trotzdem: „Wir bekommen viele Spenden und neue Mitglieder, die Beiträge zahlen. Es ist schön zu sehen, wie die Menschen in Krisenzeiten zusammenrücken. Das gibt einem echt Hoffnung.” 

Infobox

Am 1.7.2025 wird um 18:00 Uhr am Mariahilferplatz ein Solidaritätszug von “steiermarkretten” stattfinden. Mehr Infos unter: https://steiermarkretten.at/ 

Titelbild: Joe Niedermayer mit seinem PC auf der Website von steiermarkretten -Foto: Daniel Lahnsteiner

Geboren 2002 in Gmunden, Oberösterreich. Sucht jetzt nicht mehr nach den richtigen Paragrafen, sondern nach guten Geschichten im Annenviertel. Liebt Fußball, Football und gute Musik (vorzugsweise Green Day oder Blink182)

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