Marie Pribyl spielte als zweite Österreicherin in einem Herren-Team Football – und das in der zweithöchsten Liga. Heute trainiert sie die Kampfmannschaft der Styrian Bears in Graz und will den Meistertitel holen.
19:45 Uhr. Die ersten Spieler betreten den Fußball-Verbandsplatz in der Herrgottwiesgasse und passen einen Football hin und her. Die Flutlichter zeichnen ihre Schatten in den Kunstrasen. Nach und nach strömen immer mehr Männer aus den Kabinen auf den Platz – die Helme in der Hand und die Köpfe in Gesprächen. An der Seitenlinie steht eine Frau, um den Hals eine Trillerpfeife, zwischen den Schulterpolstern kaum sichtbar.
Marie ist 29 Jahre alt und coacht diese Saison erstmals die American-Football-Mannschaft der Styrian Bears auf der Offensive Line. Dennoch ist bei ihr von Unsicherheiten keine Spur. Marie weiß genau, was sie tut. Der Grund: Sie hat selbst fünf Jahre lang in der Herrenliga Football gespielt – als einzige Frau.
Mit 15 Jahren räumte Marie Football erstmals einen festen Platz in ihrem Leben ein. Sie begann bei den Graz Giants, jedoch nicht als Spielerin, sondern hinter den Kulissen. „Anfangs habe ich hin und wieder an Spieltagen vor Ort unterstützt. Mit der Zeit habe ich dann das Teammanagement und die Organisation der Gamedays übernommen.” Nach drei Jahren (2014) hatte Marie genug vom Zusehen: Sie schloss sich den Giants Ladies an und schnürte erstmals selbst die Footballschuhe. „Wir haben mit der Mannschaft beides gespielt – American und Flag Football“, erzählt sie. Unter Flag Football versteht man eine Abwandlung von American Football, bei der kein Körperkontakt erlaubt ist und weniger Spieler:innen am Feld stehen.
Wechsel in die Herrenliga
Das Frauen-Team der Giants zerbrach über die Jahre: „Wir waren zu wenige Damen für American Football, deswegen haben wir irgendwann nur mehr Flag Football gespielt.” Für Marie bedeutete das: Ein Mannschaftswechsel muss her. 2017 trat sie als zweite Frau in Österreich einer Herrenmannschaft bei, den Styrian Hurricanes in Voitsberg. Für viele ein unvorstellbarer Schritt, da Frauen in männerdominierten Sportarten häufig unterschätzt werden und sexistische Strukturen erleben.
Die Hurricanes hießen ihre neue Mitspielerin jedoch gleich willkommen: “Ich hatte das Glück, dass ich auf ein sehr, sehr gutes Team gestoßen bin. Sie sind mir von Anfang an ebenbürtig gegenübergetreten.“ Im Gegensatz dazu zeigte sich der American Football Bund Österreich (AFBÖ) nicht erfreut: „2019 wollte er unterbinden, dass Frauen bei den Herren spielen.“ Warum der Bund ein Verbot wollte, ist unklar. Zu diesem Zeitpunkt haben bundesweit lediglich drei Damen in einem Männer-Team gespielt.
Die Mannschaften haben sich gegen das Vorhaben gewehrt, weshalb es der AFBÖ nicht durchgesetzt hat. „Und seitdem ist es von den Statuten her erlaubt, dass Frauen mitspielen“, sagt Marie zufrieden.
In den darauffolgenden Jahren kämpfte sie sich mit ihrer Mannschaft nach oben: Binnen kurzer Zeit stiegen sie um zwei Ligen auf. Sie schafften es bis in die Division 1 – die zweithöchste Liga in Österreich. „Das ist auch die Liga, in der ich jetzt die Bears coache“, erzählt Marie.

Frauen im Football
Die Frage, warum Marie nach dem American-Football-Aus der Giants Ladies nicht zu einem anderen Damen-Team gewechselt ist, erübrigt sich bei einem Blick auf die Damenliga. Lediglich vier Mannschaften spielen jährlich um den Meistertitel im American-Football, keine davon aus der Steiermark. „Umso wichtiger ist es, dass Mädels bei Herrenteams unterkommen, wenn sie spielen wollen“, meint Marie. Sie ergänzt: „Es ist aber sicher nicht für jede Frau etwas, in einem Herren-Team zu spielen.“
Sie selbst hat innerhalb ihres Teams in Voitsberg nur positive Erfahrungen gemacht. „Ich habe genauso hart eine drüber bekommen wie alle anderen, aber ich hatte auch dieselben Chancen.” Der ein oder andere Gegner habe sich jedoch „in seinem männlichen Stolz verletzt gefühlt, wenn er von einer Frau am Spielfeld fertiggemacht wurde“, sagt Marie und schmunzelt.
Neue Prioritäten
Nach einer Knieverletzung 2022 folgte das vorzeitige Aus für Maries American-Football-Karriere. Infolgedessen bot sie den Styrian Bears in Graz ihre Unterstützung im Verein an. „Ich habe anfangs organisatorische Tätigkeiten übernommen und bin heuer die erste Saison als Coach tätig.“ Es ist aber nicht ihr erstes Mal an der Seitenlinie: „Bei den Hurricanes war ich auch schon Offensive Line Coach und Assistant Head Coach.“

Abseits der American-Football-Saison plant Marie wieder bei der Flag-Football-Mannschaft der Bears einzusteigen. Bereits im vergangenen Jahr war sie Teil des Teams, ebenfalls als einzige Frau. Denn: Die kontaktfreie Football-Variante kann sie auch nach ihrer Knieverletzung spielen. „Am Beginn haben sie manche im Team unterschätzt, aber sie hat es ihnen richtig gezeigt”, sagt Team-Kollege Niklas. Der Defensive-Captain Benjamin ergänzt: „Es ist schade, dass sich nicht mehr Frauen für den Sport interessieren. Es war echt eine Bereicherung, Marie im Team zu haben.“

Ob sie Flag oder American Football bevorzugt, weiß Marie nicht. „Die Frage habe ich noch nie beantworten können. Ich mache beides irrsinnig gern.“ Aus diesem Grund hat sie jahrelang beides parallel gespielt. „Aktuell steht für mich aber die Kampfmannschaft mit dem American Football im Fokus“, meint sie. Das große Saisonziel: Den Meistertitel nach Graz holen. Zwei Spiele vor Saisonende auf dem ersten Platz in der Tabelle ist das Team auf dem besten Weg dahin.
Titelbild: Marie geht in ihrer neuen Funktion als Trainerin auf. – Foto: Johanna Kalcher