Pole Dance ist eine vielseitige Bewegungskunst, die sich zwischen Tanz, Akrobatik und Sport bewegt. Besonders im Bereich Pole-Fitness – einer sportlich orientierten Variante – stehen Kraft, Beweglichkeit und Ausdauer im Vordergrund. Trotzdem haftet Pole Dance oft ein sexualisiertes Image an und wird deshalb nicht immer als ernstzunehmender Sport gesehen.
Im kleinen Grazer Studio Off Gravity Pole setzen zwei engagierte Trainerinnen ein klares Zeichen gegen diese Vorurteile: Sie zeigen, dass Pole Dance nicht nur den Körper stärkt, sondern auch Selbstbewusstsein, Präsenz und mentale Stärke fördert. Ein Blick auf eine Sportart, die viel mehr als ihr Image ist – und auf eine Community, die um Anerkennung kämpft.
Pole Dance kämpft vielerorts mit Vorurteilen: Viele verbinden die Disziplin noch immer mit Stripclubs oder Erotik, was oft zu Skepsis führt. Aber bei Chrissi und Ella ist das anders: Ihr Umfeld ist meist offen und unterstützend. Nur Ellas Mutter hatte anfangs Vorbehalte. „Meine Mama war zuerst nicht so happy, als ich angefangen habe“, erzählt Ella, die ursprünglich aus Kroatien stammt und nun seit über zwölf Jahren Pole Dance macht.
Bei beiden war die Faszination für den Sport bereits früh vorhanden. Ella kam über eine Freundin erstmals in Kontakt mit Pole Dance, absolvierte 2019 ihre Trainerausbildung in Deutschland und unterrichtet seit 2022 in Graz. „Ich musste es einfach ausprobieren“, erinnert sie sich. Nach anfänglichem Zögern im Elternhaus konnte sie schließlich starten – und fand darin endlich eine sportliche Betätigung, die sich für sie richtig anfühlte.
Chrissi wiederum kam während eines Kurses der Volkshochschule in Graz erstmals mit dem Sport in Berührung. Während eines Auslandssemesters in Spanien vertiefte sie ihr Können, wo sie auch die Vielfalt an Stilrichtungen kennenlernte – ein Aspekt, der ihre Begeisterung für die Individualität des Pole Dance maßgeblich prägt.

Von der Leidenschaft zum eigenen Studio
Kennengelernt haben sich die beiden im Unterricht: Ella war Trainerin im Studio Somos, Chrissi ihre Schülerin. Die gemeinsame Begeisterung für Pole Fitness brachte sie schließlich dazu, 2021 das Studio Off Gravity Pole in Graz zu gründen.
„Wir sind auf ein paar Schwierigkeiten gestoßen bei der Gründung“, erzählt Chrissi. „Pole Dance ist in Österreich ein sehr neuer Sport, der in vielen Bereichen noch nicht offiziell erfasst ist.“ Gemeint ist damit etwa, dass die Sportart bislang nicht unter den Dachverbänden oder in staatlich anerkannten Ausbildungswegen verankert ist – es fehlen Regelwerke, Förderungen und Strukturen, wie sie etwa beim Turnen oder Tanzen selbstverständlich sind. Dennoch wächst das Interesse: Die Nachfrage steigt, neue Kurse entstehen, die Community wächst.
Fitness und Empowerment
Im Training liegt der Fokus ganz auf Körperbeherrschung und Kraft. „Es ist ein Ganzkörper-Workout. Es braucht Körperspannung, Kraft, Ausdauer – alles ist dabei“, sagt Chrissi. Um dem sexualisierten Bild entgegenzuwirken, sprechen sie bewusst von Pole Fitness – ein Begriff, der den sportlichen Aspekt stärker betont. „Man kann es am ehesten mit Calisthenics vergleichen“, erklärt sie.
Aber Pole Dance wirkt nicht nur physisch. „Viele unserer Teilnehmer:innen berichten, dass sie sich stärker und aufrechter fühlen – nicht nur körperlich, sondern auch mental“, sagt Ella. Selbstbewusstsein, Körpergefühl und Präsenz werden mit trainiert – und das in einem Umfeld, in dem sich niemand für Kleidung, Körper oder Herkunft rechtfertigen muss.
Die knappe Kleidung, die beim Training getragen wird, sei dabei rein funktional. „Man braucht Hautkontakt zur Stange, sonst rutscht man ab“, erklären die beiden. Genau diese Äußerlichkeiten sorgen außerhalb der Szene jedoch oft für Missverständnisse – gegen die das Team von Off Gravity Pole aktiv aufklärt.
Ein Sport für alle
„Jeder Körper kann Pole Dance machen“, sagt Ella. Der Gedanke, man müsse bereits sportlich sein, bevor man beginnt, sei ein Trugschluss: „Man wird mit der Zeit stark.“ Im Studio trainieren Menschen unterschiedlichsten Alters, mit verschiedenen Vorerfahrungen – die meisten sind weiblich, aber nicht ausschließlich.
Auch wenn es bislang an offizieller Anerkennung durch Sportinstitutionen fehlt – etwa durch fehlende Einbindung in Förderprogramme, Verbände oder Ausbildungssysteme – ist der gesellschaftliche Wandel spürbar.
Zwischen Tanz, Akrobatik und Ausdruck
Dass Pole Dance nicht auf einen Stil beschränkt ist, zeigt der Blick auf die verschiedenen Richtungen innerhalb der Szene. Pole Fitness fokussiert sich auf Kraft und Technik, während Exotic Pole mit High Heels und fließenden Bewegungen stärker aus dem Tanzbereich kommt. Lyrical Pole wiederum legt den Schwerpunkt auf emotionalen Ausdruck und Ästhetik.
Im Grazer Studio steht der Fitness Aspekt im Vordergrund. Damit wollen sie zeigen, wie vielseitig Pole Dance ist – ohne andere Formen abzuwerten. Der Begriff Pole Dance umfasst dabei sowohl athletische als auch künstlerische Ausdrucksformen – von intensivem Krafttraining bis zu tänzerischer Performance.
„Wir wollen, dass niemand sich mehr fragen muss, ob er oder sie diesen Sport machen darf“, sagt Ella. Und dass Pole Dance endlich als das gesehen wird, was es ist – ein ernstzunehmender, vielseitiger Sport und ein Ausdruck persönlicher Freiheit.
Titelbild: Die beiden Gründerinnen des Off Gravity Studios in der Metahofgasse – Foto: Nadja Weixler