Ein Grazer Buchklub bringt Leser:innen zusammen – für Austausch, neue Perspektiven und gemeinsame Gespräche über Literatur und das Leben.
Fünf Frauen sitzen an einem Tisch im Außenbereich des Restaurants „Wildmoser” im Grazer Bezirk Lend. Vor ihnen liegen Bücher, zwischen ihnen entspinnt sich eine lebhafte Diskussion. Sie sind Teil eines Buchklubs, gegründet von Brigitte Wiegisser. „Ich lese wahnsinnig gerne, hatte aber niemanden, mit dem ich über die gelesenen Geschichten reden konnte“, sagt sie. Also gründete sie im Herbst 2019 den Buchklub – seither treffen sich Leser:innen regelmäßig, um über Bücher, aber auch alles andere zu reden.
Online und vor Ort
Alle sechs Wochen wird in der Gruppe ein neues Buch gelesen. Zwei Vorschläge kommen jeweils von Brigitte, über die dann in der Facebook-Gruppe abgestimmt wird. Diese zählt mittlerweile 235 Mitglieder. Viele lesen mit, auch wenn sie nicht an den Treffen teilnehmen – sie stimmen dennoch regelmäßig ab, diskutieren online und posten gelegentlich eigene Buchempfehlungen.
Gelesen wird, was Stoff für lebendige Diskussionen bietet: gesellschaftskritische Romane, moralisch herausfordernde Geschichten oder feministische Literatur. „Die kann man gut diskutieren, weil wir alle in einer total unterschiedlichen Welt leben“, sagt Barbara. Vor den Treffen überlegt sich Brigitte passende Fragen zum Buch, die als Gesprächsgrundlage dienen.

Raum für Vielfalt
Die Gespräche gehen oft über den Buchinhalt hinaus. Es wird über Figuren und Handlungen gesprochen, aber auch über Glaube, Gesellschaft oder persönliche Erfahrungen. Dabei ist Respekt zentral. „Jeder lässt jeden ausreden, auch wenn die Meinungen verschieden sind“, betont Barbara, „Das ist bei mir auf der Arbeit auf alle Fälle oft nicht so.“ Im Buchklub aber gilt Offenheit: „Es darf jeder eine Meinung haben und niemand wird verurteilt.”
Das gemeinsame Lesen eröffnet neue Blickwinkel. „Man bekommt neue Denkanstöße, lernt andere Perspektiven kennen“, erzählt Maria. Vielleicht ist es genau diese Vielfalt, die den Reiz des Klubs ausmacht.

Wildmoser statt Bildschirm
Anfangs traf sich die Gruppe im Café „Herr Karl“, doch nach dessen Schließung und einigen Online-Versuchen während der Pandemie ist der „Wildmoser” heute fixer Treffpunkt. Zentral gelegen, mit Parkplätzen und schön zum Draußensitzen – der ideale Ort für Literatur und Austausch. Dort wird getrunken, gegessen und getratscht. „Natürlich über das Buch – aber auch über alles andere“, sagt Brigitte.
Vom Lesen zum Miteinander
Zwischen den Buchseiten wachsen auch Freundschaften. Aus dem Buchklub ist eine Gemeinschaft entstanden, in der man seine Gedanken teilen kann. „Viele wollen mit den Büchern einfach nicht allein gelassen werden. Es ist schön, wenn man mit anderen darüber sprechen kann“, sagt Brigitte. Einmal im Jahr wird sogar gewichtelt: Wer mitmacht, bekommt im Dezember ein „Wichtelkind“ zugeteilt und schickt bis Weihnachten ein besonderes Buch.
Neue Leser:innen sind jederzeit willkommen. „Wir beißen niemanden und freuen uns über Zuwachs“, meint Brigitte.
Titelbild: Jelena Petrović, Maria Reimelt, Brigitte Wiegisser, Katharina Hadeyer-Ingolic und Barbara Steiner (von links nach rechts). – Emilia Wolfbauer-Pokorny