Die Mannschaft der Berufsfeuerwehr Graz steht vor ihren Drehleiterfahrzeugen

Vom Traumberuf zur Realität: Der Weg in die Grazer Berufsfeuerwehr

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Das Aufnahmeverfahren bei der Berufsfeuerwehr Graz läuft aktuell auf Hochtouren: 107 junge Bewerber:innen versuchen, sich in einem mehrstufigen Auswahlprozess zu beweisen. Mit dabei auch drei Frauen, die es anstreben, in die Männerdomäne vorzustoßen. Wie so ein Verfahren abläuft, wie sich die Anforderungen im Laufe der Jahre verändert haben und warum in Österreich nur wenige Frauen bei Berufsfeuerwehren tätig sind, berichtet die Annenpost.

Am Gelände der Zentralfeuerwache am Lendplatz ist einiges los. Schläuche werden eingerollt, Fahrzeuge gewartet, Trainings abgehalten. Dann plötzlich ertönt eine Lautsprecherdurchsage. Ein Einsatz. Jetzt muss alles ganz schnell gehen. Die Feuerwehrmänner stoppen ihre Arbeiten. Wenige Minuten später kann man ein Folgetonhorn hören – die Grazer Berufsfeuerwehr ist auf dem Weg zum Einsatzort.

Dass dieser Ablauf so reibungslos funktioniert, ist kein Zufall. Dahinter stecken zahlreiche Übungen und eine intensive Ausbildung. Auch das Aufnahmeverfahren hat es in sich: Nach einem Bewerbungsschreiben kommt es zu einer zweieinhalbstündigen theoretischen Prüfung im Grazer Rathaus, bei der Mathematik, Rechtschreibung und logisches Denken im Fokus stehen. Die Teilnehmer:innen in diesem Jahr haben die Theorie bereits im April absolviert. Für die, die bestanden haben, steht noch der körperliche Eignungstest am 14. Juni an. Dort müssen sie ihre Kraft und Ausdauer in neun Disziplinen, wie Tauchen, Schwimmen oder Laufen unter Beweis stellen. Auch eine Personenrettung wird simuliert – mit einer 75 kg schweren Übungspuppe, die innerhalb einer Minute 66 Meter weit gezogen werden muss. Manche Disziplinen werden auswärts abgehalten, Laufen und Schwimmen werden beispielsweise in der HIB in Liebenau überprüft.

Vom Hobby zum Beruf

Auch Teile der Ausbildung, die nach einem bestandenen Bewerbungsverfahren erfolgt, finden extern in der Feuerwehrschule Lebring statt. „Wir können nicht mitten in der Stadt ein Auto anzünden. Damit hätten die Leute keine Freude“, schmunzelt Markus Rechberger. Er ist seit 15 Jahren für die Grazer Berufsfeuerwehr im Einsatz, doch seine Verbindung zum Feuerwehrwesen reicht noch weiter zurück. Schon als Kind träumte er davon, Feuerwehrmann zu werden. Diesem Wunsch blieb er treu und engagierte sich bei der Freiwilligen Feuerwehr in Feldkirchen, bis er schließlich entschied, sein Hobby zum Beruf zu machen. Mittlerweile ist er Vorsitzender des Dienststellenausschusses und somit Schnittstelle zwischen Mannschaft und Vorgesetzten. So kümmert er sich beispielsweise um die Einhaltung arbeitsrechtlicher Angelegenheiten und ist Beisitz bei der theoretischen Aufnahmeprüfung.

An seinen eigenen Bewerbungsprozess 2008 kann er sich noch gut erinnern: „Es war ein anspruchsvolles Aufnahmeverfahren. Ungefähr 240 Leute hatten sich beworben und man wusste, dass nur wenige bis zum Schluss durchkommen werden. Da entwickelt sich natürlich ein Konkurrenzdenken.“ Neben der Nervosität spielen auch die Tagesverfassung und das Wetter eine Rolle, wie gut einem die Tests gelingen, ergänzt Rechberger.

Zwischen Bewährtem und Neuem

Seit 2008 hat sich einiges im Aufnahmeverfahren geändert. Der besonders schwierige Beugehang gestaltet sich nämlich immer als eine besondere Herausforderung beim körperlichen Eignungstest. Er muss mit Kinn über die Stange für 45 Sekunden durchgeführt werden. Nun kann man sich alternativ für zehn Klimmzüge entscheiden. Außerdem gibt es keine Rangliste für die einzelnen Disziplinen mehr, sondern nur noch ein „Bestanden“ oder „Nicht Bestanden“. Zuletzt wurde die Mindestgröße von 170 Zentimeter fallengelassen.

„Dem Alter von mindestens 18 und maximal 28 Jahren muss man nach wie vor entsprechen. Mit einer technischen Berufsausbildung ist man auch klar im Vorteil“, so Rechberger über altbewährte Kriterien. Welche Aufnahmebedingungen gelten, legt der Österreichische Bundesfeuerwehrverband fest – etwaige Änderungen gelten dann für alle Berufsfeuerwehren in Österreich.

Berufsfeuerwehrmann Markus Rechberger vor einem Feuerwehrfahrzeug
Berufsfeuerwehr Markus Rechberger im Dienst – Foto: BFG

Nicht nur die Aufnahmebedingungen haben sich im Laufe der Zeit verändert, sondern auch die Anzahl der Teilnehmer:innen. Während vor zwanzig Jahren rund 300 Bewerbungen bei der Feuerwehr eingelangt sind, wurde in der Coronazeit der Tiefststand mit circa 50 Bewerbungen verzeichnet. Neue Mitglieder seien aber dringend notwendig, denn der Bedarf ist durch die Pensionierung der geburtenstarken Generation gewachsen. Im Schnitt werden jedes Jahr acht neue Mitarbeiter:innen benötigt.

Als weitere Ursache des Rückgangs nennt Rechberger die Schichtdienstarbeit, die gerade bei jüngeren Generationen eher wenig gut ankäme. „Wir haben etwa zehnmal im Monat einen 24-Stunden-Dienst. Work-Life-Balance sieht für viele anders aus”, meint der Feuerwehrmann. Man müsse schon ein gutes Stück Enthusiasmus für den Beruf mitbringen.

Mit 107 Bewerbungen in diesem Jahr verzeichnet die Feuerwehr wieder einen leichten Aufwärtstrend, der durch gezielte Maßnahmen, wie eine stärkere Social-Media-Aktivität und einem Video mit den Ö3-Moderator:innen Gabi Hiller und Philipp Hansa, gelungen sei.

Der Berufsalltag

Diejenigen, die das Bewerbungsverfahren erfolgreich abgeschlossen haben, erwartet ein vielseitiger Alltag. Die Feuerwehrleute verrichten ihre Arbeit in 24-Stunden-Diensten. Beginn ist um 7:30 Uhr mit dem Antreten der Mannschaft, bei dem jede:r Diensthabende eine Tagesaufgabe zugeteilt bekommt. Danach werden die Fahrzeuge der vorherigen Dienstmannschaft übernommen und kontrolliert. Von 8:00 bis 17:00 Uhr stehen alltägliche Arbeiten, wie das Waschen von Schläuchen, Reparaturen, Ausbildungen, Übungen und Kurse auf dem Plan. Um 17:00 Uhr beginnt der Bereitschaftsdienst, bei dem die Feuerwehrleute zwar anwesend, aber nicht mehr aktiv arbeiten müssen. Diese Zeit wird unterschiedlich genutzt: Manche machen Sport, andere verabreden sich zum gemeinsamen Fernsehschauen oder spielen Karten. Dabei muss die Einsatzbereitschaft zu jeder Zeit gegeben sein und sofort gehandelt werden können. 

Trotz des durchstrukturierten Alltags und der oft harten Einsätze, bleibe auch Raum für ein kameradschaftliches Miteinander. „Wenn man so viel Zeit miteinander verbringt, lernt man sich richtig kennen. Fast wie eine zweite Familie“, erzählt Rechberger. 

Bisher keine Frauen

Drei Frauen haben sich heuer für das Aufnahmeverfahren beworben – zwei davon sind noch im Rennen. Sie wären die ersten Frauen in der Geschichte der Grazer Berufsfeuerwehr. Doch das ist keineswegs ungewöhnlich, sondern der Normalfall. Neben Graz sind auch die Feuerwachen in Linz, Klagenfurt und Salzburg rein männlich besetzt. Ausnahme ist Wien mit fünf Feuerwehrfrauen im aktiven Dienst. Obwohl Frauen inzwischen die gleichen Chancen haben wie Männer, sind sie immer noch kaum vertreten. 2024 verzeichnete der Österreichische Berufsfeuerwehrverband 355.380 Mitglieder im österreichischen Feuerwehrwesen. 36.004 davon, also um die zehn Prozent, waren weiblich. 

Der Grund dafür liegt zu einem großen Teil am körperlich anspruchsvollen Eignungstest, den bislang kaum eine Frau geschafft hat. Die harten Anforderungen seien aber notwendig, da man sich in einer Einsatzsituation auf jeden und jede verlassen können müsse, erklärt Rechberger.

Dass Frauen im Feuerwehrwesen vertreten sind, ist generell eine relativ junge Entwicklung. Lange Zeit war ihnen die Mitgliedschaft nicht gestattet. Zwar waren während des Zweiten Weltkrieg auch Frauen in Feuerwehren tätig, doch nach dem Krieg übernahmen wieder ausschließlich Männer diese Aufgaben. Erst in den 1990er-Jahren wurde der Zugang für Frauen Schritt für Schritt geöffnet.

Aber auch dieses Jahr besteht die Chance auf Veränderung: Ob bei der Berufsfeuerwehr Graz bald schon die ersten Frauen ihren Dienst antreten, zeigt sich im Juni.

 

 

Titelbild: Die Zentralfeuerwache der Berufsfeuerwehr Graz am Lendplatz – Foto: BFG

Ich bin 2005 in der Oststeiermark geboren und habe 2024 in Graz maturiert. Gleich danach habe ich mich entschlossen in die Medienwelt einzutauchen und bin für mein Studium in die Stadt gezogen. Neben dem Schreiben für die Annenpost beschäftige ich mich gerne mit Literatur, Geschichte und meinen Katzen.

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