Das Arbeitsmarktservice Graz-West von außen

Der Arbeitsmarkt in Graz: Probleme, Perspektiven und Projekte

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Am 1. Mai, am Tag der Arbeit, feiern Arbeitnehmer:innen, was sie bisher erreicht haben. Doch für manche ist dieser Tag kein Grund zur Freude. Denn in den Stadtteilen Lend und Gries wohnen prozentual gesehen mehr Menschen ohne Beschäftigungsverhältnis als in den restlichen Bezirken. Was Arbeitslosigkeit für die Betroffenen bedeutet, welche Gründe sie haben kann und was dagegen unternommen werden kann.

„Unsere Stärke: Solidarität“ oder „Hoch der 1.Mai!“. Parolen wie diese sind am Tag der Arbeit von den Straßen kaum mehr wegzudenken. Seit den 1890er-Jahren finden in Österreich Kundgebungen und die dazugehörigen Märsche statt. Seit 1919 ist der Tag ein gesetzlicher Feiertag. Man feiert gemeinsam, was die Arbeiter:innenbewegung schon erreicht hat: faire Löhne, bezahlten Urlaub, eine Pensionsversicherung. Doch der Kampf ist noch nicht vorbei, noch immer gibt es Ziele, an denen gearbeitet wird. Da sich Österreich in einer wirtschaftlichen Rezession befindet, sind viele Menschen arbeitslos. Besonders angespannt ist die Situation in Graz in den Stadtteilen Lend und Gries, in denen die Arbeitslosigkeit traditionell höher liegt als im Rest der Landeshauptstadt.

Wie man aus der „Studie zur sozialen Lage in Graz“, die vom Sozialamt in Auftrag gegeben wurde, herauslesen kann, liegt die Quote in Gries bei knapp über zehn Prozent, in Lend nur wenig darunter. Zum Vergleich: In der gesamten Stadt Graz und Umgebung liegt die Quote bei 8,6 %. Die Arbeitslosenquote steigt momentan jedoch generell, erklärt Stefan Tauscher vom Arbeitsmarktservice Steiermark. „Österreich befindet sich im dritten Rezessionsjahr in Folge“. So gebe es in der Steiermark momentan 10,5 % mehr Arbeitslose als noch im Vorjahr (Stand März 2025). 

Die Gründe für Erwerbslosigkeit sind laut Tauscher vielseitig. „Es kann sein, dass ein Mensch nur kurzfristig arbeitslos ist, weil er zwischen zwei Beschäftigungsverhältnissen steht oder dass es aufgrund gesamtwirtschaftlicher Schwierigkeiten zur Arbeitslosigkeit kommt.” Dabei kann dann eben auch Langzeitarbeitslosigkeit auftreten, also eine einjährige oder längere ununterbrochene Erwerbslosigkeit. In diesem Zusammenhang greifen oft sogenannte Vermittlungshemmnisse, wie etwa das Alter, mangelnde Qualifikation oder gesundheitliche Einschränkungen.

Bedeutung für die Betroffenen

Nach dem Ende eines Arbeitsverhältnisses sei es besonders wichtig, dass man schnell handle. „Arbeitslosigkeit bedeutet ein geringeres Einkommen und damit ein höheres Risiko für Armut und Ausgrenzung, aber eben auch für psychische Belastungen“, erläutert Bettina Absenger, die für das Sozialamt in der Stabsstelle Arbeit und Beschäftigung tätig ist. Der Zusammenhang zwischen Erwerbslosigkeit und schlechter Gesundheit sei eindeutig nachgewiesen. Folgen davon können etwa Erhöhung des Körpergewichts und des Bluthochdrucks, Stoffwechselerkrankungen und Erschöpfungszustände sein, wie gesundheit.gv.at schreibt. Langzeitarbeitslose seien außerdem oftmals von der Entwertung ihrer Qualifikationen und der Verschlechterung ihrer Fähigkeiten betroffen, weil sie ihrer Tätigkeit lange nicht nachgehen, erklärt Absenger.

Das Referat für Arbeit & Beschäftigung bietet einige Fördermaßnahmen für Betroffene an.
Das Referat für Arbeit & Beschäftigung bietet einige Fördermaßnahmen für Betroffene an. – Foto: Magdalena Kurz

Vielfältige Gründe für Arbeitslosigkeit in Gries und Lend

Es gibt nicht den einen Grund für die erhöhte Arbeitslosigkeit in den Bezirken Lend und Gries. Ein Indikator könnte jedoch ein Migrationshintergrund sein. Der „Bericht zur Lage der Migrant:innen“, der vom Migrant:innenbeirat veröffentlicht wurde, nimmt Bezug auf die Arbeitslosenquote bei Menschen ohne österreichische Staatsbürgerschaft. Denn die liegt mit 15,3 % höher als bei ihren österreichischen Kolleg:innen, wo sie nur 5,4 % beträgt. In Lend und Gries ist der Anteil an Nicht-Österreicher:innen vergleichsweise hoch – er liegt bei 40,88 %. Im Vergleich dazu sind nur etwa ein Drittel der in ganz Graz Lebenden nicht-österreichischer Herkunft, was zur Folge hat, dass in Lend und Gries durch die Demografie eine tendenziell höhere Arbeitslosigkeit herrscht.

Menschen mit Migrationshintergrund hätten oftmals keine ausreichende Ausbildung, wüssten nur wenig über das Beschäftigungssystem – ein einfaches Bewerbungsschreiben bereitet oft schon Schwierigkeiten – und seien nur wenig in Fördernetzwerke eingebunden, so der Report des Beirats. Sprachliche Barrieren würden ihr Übriges tun, um ihnen den Zugang zum Arbeitsmarkt zu erschweren und ihr Arbeitsmarktrisiko, also die Wahrscheinlichkeit, arbeitslos zu werden oder zu bleiben, zu erhöhen. Zusätzlich gibt der Bericht „Studie zur sozialen Lage in Graz” an, dass große Institutionen wie Gefängnisse oder Einrichtungen der Wohnungslosenhilfe zu einer höheren Konzentration von sozialer Benachteiligung und damit auch Arbeitslosigkeit führen können. Die treten vermehrt in den betreffenden Bezirken auf. 

Projekte, die helfen sollen

„Generell ist es wichtig, arbeitslos gemeldete Personen so rasch wie möglich wieder zu einer möglichst nachhaltigen und existenzsichernden Beschäftigung zu begleiten“, erklärt Tauscher. Dafür wurden einige Projekte und Maßnahmen ins Leben gerufen, die sowohl vom Arbeitsmarktservice (AMS) als auch vom Sozialamt mitgetragen werden. Von letzterem gibt es zum Beispiel die Qualifizierungsförderung „Grazer Fonds für Aufstieg und Entwicklung“ für armutsgefährdete Beschäftigte, durch den unter anderem Weiterbildungen finanziert werden. Das AMS unterstützt das Projekt „KmS – Kompetenz mit System“, das etwa das Nachholen eines Lehrabschlusses ermöglicht. Die Annenpost berichtete 2022 auch über das Projekt „Your Company”, ein gemeinnütziges Beschäftigungsprojekt. Diese Angebote sollen helfen, Erwerbslosigkeit zu verkürzen oder ihr im besten Fall vorzubeugen.

Der Tag der Arbeit erinnert also nicht nur an Errungenschaften wie Arbeitnehmerrechte, sondern kann auch ein Anlass sein, auf jene aufmerksam zu machen, für die Arbeit keine Selbstverständlichkeit ist. Denn wie es der Bericht „Studie zur sozialen Lage in Graz“ gut zusammenfasst: „Der Arbeitsmarkt ist entscheidend für gesellschaftliche In- oder Exklusion und damit soziale Ungleichheit.“

 

 

Titelbild: Das Arbeitsmarktservice in Graz West von außen. – Foto: Magdalena Kurz

Ich heiße Magdalena Kurz und bin aus dem Süden von Oberösterreich. Nach meiner Matura am BG/BRG Bad Ischl habe ich mich direkt für die FH JOANNEUM beworben. Ich mag es besonders, im Rahmen der journalistischen Tätigkeit neue Leute kennenzulernen und einen Einblick in andere Lebenswelten zu bekommen.

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