Vor genau 80 Jahren, am 27. Jänner 1945, wurde Auschwitz befreit. Wie im Viertel und in der Stadt an die Opfer des Nationalsozialismus erinnert wird und was das Gedenkjahr 2025 bringt.
In der Volksgartenstraße 18 in Graz lebten 32 Jahre lang Melanie und Adolf Lachs. Adolf Lachs arbeitete als Ingenieur, das Ehepaar hatte einen gemeinsamen Sohn. 1939 wurden beide nach Wien deportiert und von dort weiter nach Theresienstadt. Dort kam Adolf Lachs ums Leben, Melanie Lachs wurde 1944 in Auschwitz ermordet. Viele weitere Grazer:innen wurden während der Shoah, dem Völkermord an Juden und Jüdinnen nach Auschwitz deportiert. Heute wird an sie erinnert.
Vor 80 Jahren
Auschwitz-Birkenau war das größte Konzentrations- und Vernichtungslager im Nationalsozialismus. Zwischen 1940 und 1945 wurden dort ca. 1,1 Millionen Menschen ermordet. Am 27. Jänner 1945 wurden die Überlebenden befreit. An diesem Tag wird seit 2005 der Internationale Holocaust-Gedenktag begangen. In vielen Ländern Europas, darunter auch in Oświęcim auf dem Gelände des ehemaligen Konzentrationslagers, wird dieses Ereignisses gedacht.
In Graz findet unter dem Motto #WeRemember bereits zum dritten Mal ein Gedenkgang statt. Edith Zitz, von dem Verein inspire-thinking, organisiert die Veranstaltung in Zusammenarbeit mit dem Graz Museum, Granatapfel Kulturvermittlung und anderen Vereinen. Für Zitz spielt Gedenk- und Erinnerungskultur in ihrer Arbeit für inspire-thinking eine zentrale Rolle – von Gesundheitsförderung bis hin zur Arbeitsmarktpolitik. Denn in vielen Bereichen lassen sich Verbindungen zu Antisemitismus oder rechten Bewegungen erkennen. Im Gespräch mit der Annenpost erzählt sie von ihrer Motivation hinter #WeRemember: „Wir machen das bewusst im öffentlichen Raum, weil wir ein sichtbares Zeichen nicht nur für Insider:innen setzen wollen. Wir wollen, dass uns auch Leute, die unterwegs sind, wahrnehmen.“ In Zeiten von steigendem Antisemitismus und Rassismus will Zitz auf die Geschichte aufmerksam machen, die in Österreich noch immer nicht gut genug aufgearbeitet worden sei.
Die goldenen Steine
Wie im Alltag im Annenviertel an die Verbrechen der Nationalsozialisten erinnert wird, zeigt der Verein für Gedenkkultur: Seit elf Jahren werden in Graz und in der Steiermark Stolpersteine verlegt – wie die für Adolf und Melanie Lachs in der Volksgartenstraße. Für die Geschäftsführerin des Vereins, Birgit Roth, ist die Arbeit eine Möglichkeit, sich für ein Thema zu engagieren, das ihr am Herzen liegt. Für sie liegt das Besondere an den Stolpersteinen darin, dass sie die Geschichten einzelner Menschen in den Mittelpunkt stellen.
Birgit Roth bei einer Stolpersteinverlegung im November 2024. – Foto: © Verein für Gedenkkultur/Alex Danner
Birgit Roth beschreibt die Erinnerungskultur in Graz als sehr aktiv: Verschiedene Vereine und Einzelpersonen engagieren sich und organisieren Projekte. Besonders in diesem Jahr: Denn die Gedenkveranstaltung am 27. Jänner bildet auch den Auftakt für das Gedenkjahr 2025. Dabei wird auch an den 80. Jahrestag der Befreiung Österreichs vom Nationalsozialismus erinnert. Auf der Website der Stadt Graz werden laufend Termine eingetragen – darunter eine vom Verein Clio kuratierte Ausstellung im öffentlichen Raum zum Thema “Orte des Terrors 1938 bis 1945” oder das Festkonzert der Wiener Philharmoniker am 13. September im Stefaniensaal. Ein Höhepunkt des vielfältigen Programms ist die städtische Festveranstaltung am 9. Mai auf der Schloßbergbühne, wo unter anderem Isabel Frey und Konstantin Wecker auftreten werden.
Von der Vergangenheit in die Zukunft
Erinnerungskultur und Erinnerungsarbeit verändern sich mit der Zeit. Das müssen sie auch, denn die Zeit des Nationalsozialismus liegt immer weiter zurück und immer mehr Zeitzeug:innen sterben. Birgit Roth erklärt, wie sie das Projekt Stolpersteine weiterführen will: „Wir wollen nicht nur neue Steine verlegen, sondern die Steine, die schon da sind, wieder ins Licht rücken.” Der Verein arbeitet deswegen gerade zum Beispiel an digitalen Audiowalks. Außerdem soll ein Fokus auf verfolgte Gruppen gelegt werden, die bisher weniger Beachtung gefunden haben: zum Beispiel Menschen der LGBTQIA+-Community und Opfer des sogenannten „Euthanasie-Programms“, der systematischen Ermordung von Menschen mit Behinderungen.
Gerade diese vergessenen Geschichten machen deutlich, wie wichtig Nachbarschaft und Zusammenhalt sind, betont Roth: „Die deportierten Menschen waren Teil des Alltags im Annenviertel: Sie hatten Mitschüler:innen, gingen einkaufen, arbeiteten und lebten mitten unter ihren Nachbar:innen – bevor sie oft unbemerkt, zwar manchmal absichtlich unbemerkt, verschwanden. Und ich glaube, dass das heutzutage auch noch ganz gut funktionieren würde.“ Sie wünscht sich, dass man aus dieser dunklen Zeit lernt, wenn man heutzutage in der Stadt unterwegs ist: „Was bedeutet das für mich heute, wenn ich in der Annenstraße bin? Wer ist da eigentlich um mich herum?“ Erinnerung und Achtsamkeit im Alltag: Damit niemand mehr aus unserer Mitte verschwindet.
Grazer Gedenkgang: #WeRemember2025: 27.01.2025, 16:30, Treffpunkt: Karmeliterplatz 8010 Graz
2025 ist das Jahr des Gedenken: Alle Veranstaltungen sind hier zu finden: www.graz.at/gedenkjahr2025
Verein für Gedenkkultur: Stolpersteine in Graz Verein
Titelbild: Stolpersteine von Melanie und Adolf Lachs in der Volksgartenstraße. – Foto: Victoria Kimla