Die Leiterin der HörBibliothek vor dem Regal, das mit Reise-Hörbüchern bestellt ist
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HörBibliothek Mariahilf: Wie man sich das Streamen spart

in Allgemein/VIERTEL(ER)LEBEN von

Spotify, Youtube, Audible – Streaming ist aus dem Alltagsleben nicht mehr wegzudenken. Doch nur wenigen ist bewusst, wie umweltschädlich es eigentlich ist. Christa Wiener-Pucher von der HörBibliothek möchte darauf aufmerksam machen. 

Betritt man die HörBibliothek am Mariahilferplatz an einem Sonntagvormittag, grinst einem die Leiterin, Christa Wiener-Pucher, vom Schreibtisch entgegen. Beim Schließen der Tür wird das Glockenläuten der benachbarten Mariahilfer Kirche gedämpft, ist aber noch deutlich zu hören: Der 10-Uhr-Gottesdienst geht soeben zu Ende. Eine kluge Strategie von Christa Wiener-Pucher, sonntags geöffnet zu haben, um den Kirchgänger:innen einen Abstecher in die HörBibliothek zu erleichtern. 

Die Wand der Bibliothek ist voller Regale. Auf ihnen befindet sich eine Vielzahl an Mappen, die nur die Covers der CDs enthalten. So wird Platz gespart. Den gibt es in der HörBibliothek nicht, dennoch haben Wiener-Pucher und ihre ehrenamtlichen Helfer:innen hier über die letzten 25 Jahre 4000 Hörbücher gesammelt. Seit unserem letzten Besuch vor zehn Jahren sind also 1000 neue dazugekommen. Zu Anfangszeiten musste sie den Buchhandlungen förmlich auflauern und ständig nachfragen, um an neue Hörbücher zu gelangen. „Ich kann da ab und zu ein bisschen lästig sein”, gibt sie mit einem Lachen zu. Genau diese Willenskraft war jedoch nötig, um ein Projekt wie die HörBibliothek zu starten.

 

Veränderungen in 25 Jahren Hörbibliothek

Wenige Minuten nach Beginn des Gesprächs mit der Annenpost betritt ein älteres Ehepaar die Bibliothek. Obwohl das Paar schon einige Jahre nicht mehr zu Besuch war, erinnert sich Wiener-Pucher an sie. Geduldig hört sie sich die Anekdoten des Mannes an und berät ihn währenddessen höchst motiviert. Das Paar verlässt die Bibliothek mit einer Doppel-CD über nordische Sagen und einem Lächeln im Gesicht. Ja, es seien vor allem ältere Personen, die in die HörBibliothek kommen, sagt Christa Wiener-Pucher. Zu Beginn, als sie die Bibliothek vor 25 Jahren ins Leben rief, hätten sich auch noch sehr viele Schüler:innen und Studierende für Hörbuch-CDs interessiert. „Aber da hat es das Streaming noch nicht gegeben.”

Ihren Anfang nahm die HörBibliothek als Schrank im Pfarrsaal der Minoriten mit 120 Kassetten und CDs, 2002 zog sie dann in die heutigen Räume. Die Zielgruppe, die damals im Vordergrund stand, waren  vor allem Blinde und Sehbehinderte.  Heute ist es Ziel, allen Menschen die Freude zu bereiten, sich etwas vorlesen zu lassen. Egal ob Kinder oder Erwachsene, egal ob blind oder nicht. „Es ist ein großes Vergnügen, wenn Leute, die gut lesen können, uns ein Buch vorlesen.” Bei diesem Thema strahlen ihre Augen.

Christa Wiener-Pucher ist klar, dass CDs ein Auslaufmodell sind. Sie findet aber, dass diese heute mehr denn je geschätzt werden sollen. Umweltschutz sei ihr schon immer wichtig gewesen. Nun hat sie eine Weg gefunden, dieses Anliegen mit ihrer Leidenschaft für die HörBibliothek zu verbinden. Seit einer Weile ist ihr nämlich bewusst: „Das Streaming wird immer intensiver.“ Und viele junge Menschen hätten kein Bewusstsein dafür, dass beim Streaming nicht nur am Endgerät Strom verbraucht wird.  Nicht zufällig findet sich in der Bibliothek ein Schild, das darauf hinweist, dass beim CD-Hören „ordentlich CO2 gespart” wird.

Auch durch die Kampagne “Urlaub im Ohr” sollen Menschen umweltbewussteres Reisen lernen – Foto: Rosalie Sommer

Klimabelastung durch Streaming

Auszuforschen wie viel Strom durch Streaming exakt verbraucht wird, ist nahezu unmöglich. Es gibt zahlreiche Studien und Berichte dazu – alle kommen im Prinzip zum selben Schluss: Streaming, vor allem von Videos aber auch von Musik und anderen Audio-Inhalten, verursacht große Mengen an CO2-Emissionen. In einer Studie von 2021 sagt das französische Forschungsteam Shift Project voraus, dass Streaming innerhalb der nächsten fünf Jahren 7-9% der Treibhausgase weltweit ausmachen wird. 

Für die Höhe der Treibhausgas-Emissionen sind laut einem Bericht von Carbon Trust 2020 folgende Faktoren entscheidend: Streamt man Inhalte mit oder ohne Bildschirm? Wie groß ist der Bildschirm? Je größer der Bildschirm und je höher die Videoqualität, desto höher der Stromverbrauch. Ist das Gerät mit dem W-LAN verbunden? Wenn ja, woher bezieht der W-LAN Anbieter das Internet? Glasfaserkabel ist in dem Fall die nachhaltigste Quelle. Woher beziehen die Rechenzentren ihren Strom? Im besten – aber auch seltensten – Fall aus erneuerbaren Energiequellen. Viele Streaming-Dienste, wie z.B. Spotify, sind zufolge des Greenpeace Reports Clicking Green (2017) leider nicht sehr transparent, wenn es um ihren jährlichen Energieverbrauch geht.

Kommt es zu genauen Werten, driften die Ergebnisse auseinander. Die Resultate von Carbon Trust besagen etwa, dass für eine Stunde (Video-)Streaming 55 Gramm CO2 ausgestoßen werden. Die Recherche des Borderstep Instituts in Hamburg (2020) kommt jedoch auf Doppelte bzw. Dreifache, nämlich 100 bis 175 Gramm CO2 pro Stunde. 

Würden physische Tonträgern wie CDs, Schallplatten oder Kassetten vermehrt weggeworfen, entstünde Müll, der beim Streaming nicht anfällt. Im Normalfall wird das jedoch verhindert: Durch das Erwerben von bereits gebrauchten Tonträgern oder eben durch das Ausleihen von Tonträgern. „Die CD ist produziert und 100 Leute können sich das gleiche Produkt ausborgen. Wenn sich 100 Leute das gleiche Hörbuch beim Streaming anhören, haben wir einen ordentlichen Stromverbrauch”, argumentiert Christa Wiener-Pucher. 

 

Änderung des Konsumverhaltens noch möglich?

Faktoren wie Bequemlichkeit und Flexibilität erklären die Beliebtheit von Online-Streaming. Dass es kein vollkommenes Zurück vom Streaming gibt, weiß auch Christa Wiener-Pucher: „Das ist eben die heutige Zeit. Aber wir sollten einfach mit dem, was wir haben, sorgsam und nicht exzessiv umgehen.” Mit dem Ausborgen von CDs wäre ja wenigstens ein kleiner Anfang gemacht.

 

Infobox

Tipps für nachhaltiges Streaming, wenn man keine Möglichkeiten zum Abspielen von physischen Tonträgern hat:

  • Inhalte, die man regelmäßig anhört, downloaden
  • Beim Streamen von Hörbüchern und Musik auf Youtube verzichten – der Bildschirm ist dabei durchgehend eingeschaltet und verbraucht unnötigen Strom
  • Lieber mit dem W-LAN verbunden sein als über das Handy Datenvolumen zu streamen
  • Je besser das Netzwerk, desto nachhaltiger – 5G verbraucht weniger CO2 als 4G und 3G

 

Titelbild: Christa Wiener-Pucher neben ihren Reise-Hörbüchern. – Foto: Rosalie Sommer

 

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