Bücherzelle

Offene Bücherregale: Orte der Begegnung

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Orte des Austausches, der Literatur und des Miteinanders: Das sind die offenen Bücherregale. Hier können Bücher entnommen werden. Durch die mit Büchern gefüllte Telefonzelle am Hofbauerplatz ist das Annenviertel um ein offenes Regal reicher geworden.

Das Phänomen der „Free Books“ ist nichts Neues, in vielen österreichischen Städten gibt es mittlerweile offene Bücherregale. Die Bücher, die sich darin befinden, können gratis entnommen werden und müssen auch nicht zurückgebracht werden. Es ist außerdem möglich, dort eigene Bücher abzulegen, um sie mit anderen zu teilen. 88 dieser offenen Bücherregale gibt es im Grazer Stadtgebiet, die Anzahl hat sich in weniger als zwei Jahren fast verdoppelt. Von diesen 88 befinden sich 19 im Annenviertel.

Bücher aus der Telefonzelle

Viktoria Kulterer und Norbert Dornig von der Stadtteilarbeit Eggenlend sind tagtäglich im Kontakt mit neuen alten Büchern. Im Kost-Nix-Laden in der Alten Poststraße befindet sich eines der Regale, das von ihnen betreut wird. Seit circa einem Monat steht eine alte Telefonzelle mit Büchern am Hofbauerplatz in Eggenberg. Neben den Marktständen hat die kleine Bibliothek ihren Platz schnell gefunden. Die Telefonzelle hat eine überdurchschnittlich hohe Besucherzahl, die sich auch gern um deren Inhalt kümmert. „Bereits bei der Eröffnungsfeier kamen viele Menschen zu uns und sagten, sie würden sich darum kümmern, hinschauen und sogar herauskehren“, meint Kulterer.

Viktoria Kulterer und Norbert Dornig vor der ehemaligen Telefonzelle – Foto: Stadtteilarbeit Eggenlend

Eine Community, die sich nicht mehr in Zahlen fassen lässt, steht begeistert hinter dem Projekt und belebt dieses. Für Viktoria Kulterer ist es trotzdem wichtig, eine Institution im Hintergrund zu haben. Die tritt vor allem dann in den Vordergrund, wenn sie ein neues Regal baut.

Die Rückeroberung der Stadt

Die Menschen, die das Projekt leben, vernetzen sich auch im Internet. Die Idee dazu kam von Beatrix Altendorfer. Sie arbeitet für Nachhaltig in Graz und ist Administratorin der Facebook-Gruppe „Offene Bücherregale Graz & Graz Umgebung“. Die Gruppe hat bereits mehr als 1.500 Mitglieder und dient als Plattform für den gemeinsamen Austausch. Für interessierte Leser gibt es auch eine Karte mit sämtlichen Grazer Bücherregalen, die nicht nur deren Standorte, sondern auch Fotos beinhalten.

88 Bücherregale in Graz sind verzeichnet – Karte: Nachhaltig in Graz

Mit dem Ziel, Freiräume zu schaffen, lässt sich die Eigendynamik der Regale für Beatrix gut erklären. Das Thema sei sozusagen „Wir erobern unsere Stadt zurück”. Beim Befüllen der Regale trifft sie ständig Leute, die von den Büchern erzählen, die sie gelesen haben – oder Geschichten aus vergangenen Zeiten. Der rege Austausch ist neben der Funktion als Bibliothek ein weiterer wichtiger Aspekt der offenen Bücherregale.

Früher hat Beatrix Altendorfer noch zahlreiche Touren mit dem Auto und dem Fahrrad unternommen, um die Bücherregale zu versorgen, heute geschieht das beinahe von selbst. „Mittlerweile sind es Orte der Begegnung. Es ist einfach etwas total Verbindendes. Etwas herzuschenken, etwas zu finden, überrascht zu werden, das gefällt vielen Leuten. Vor allem auch jenen, die sonst nicht auf Second Hand stehen.“

Dabei sind die Menschen oftmals motiviert, selbst neue Regale aufzustellen. Das kann zum Problem werden, wenn diese Regale ohne die Genehmigung von Grundeigentümern errichtet werden oder sie nicht wetterfest sind. „Es sollte wirklich passen – wenn die Bücher nass werden, ist ja auch keinem geholfen“, meint Beatrix.

Gesicherte Zukunft

Anfang des Jahres kündigte Vizebürgermeister Mario Eustacchio für Juli 2019 eine Reform in der Stadtteilarbeit an. Aus den ehemaligen Stadtteilzentren sollen Nachbarschaftszentren werden. Die Zukunft der offenen Bücherregale sei Dornig zufolge gesichert, da die Regale vielen Menschen wichtig seien. Die Regale sollen, auch wenn sich die Organisationsform ändert, gleich weiterbestehen. Man trifft sich, hat Kontakt durch die Bücherkabinen, kann aber auch andere Projekte oder gemeinsame Inhalte entdecken“, meint Norbert Dornig.

Waschechter Krakauer, aber kein Pole. Obersteirer mit Herz, Leidenschaft und einer stets prall gefüllten to-do-Liste. Außerdem gerne mal nebenbei Profikoch mit einem Hang zu Verbranntem.

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