Seit 2012 gibt es im Gries eine kommunistische Mehrheit auf Bezirksebene. Lydia Bißmann, seit fünf Jahren für die KPÖ in der Bezirkspolitik engagiert, führt uns durch ihren Bezirk.
Von: Sarah Tatschl, Karolina Wiener, Carina Traxler
Auf einem alten Waffenrad, mit Schal und Trenchcoat bekleidet, rauscht Lydia Bißmann zum ausgemachten Treffpunkt. „Ich brauch‘ jetzt mal einen Kaffee“, beginnt sie ihre ganz persönliche Tour durch den Gries, bevor sie sich schnell noch einen Coffee-to-go holt. Lydia Bißmann ist seit 2013 in der Bezirkspolitik, davor arbeitete sie von 2003 bis 2014 für die Postgarage Graz. Das Postgaragen-Café hat sie 2012 mitbegründet, inzwischen musste es wieder sperren. Nur heuer reaktivierte es der steirische herbst für ein paar Wochen und hatte dort seine Festivalbar eingerichtet.
Kunst für alle
Erster Stopp der Griestour: die Niesenbergergasse, ein wahres Street-Art Museum. „Graffiti ist eine Kunstform, die für jeden zugänglich ist”, sagt Bißmann. Und es sei eine vergängliche Kunst, man wisse eben nie, wie lange die Werke erhalten bleiben. Die Graffitis und Tags, die sich an einer Wand unmittelbar hinter dem Krankenhaus der Elisabethinen befinden, sind für sie ein Sinnbild für die kulturelle Diversität im Gries. Kunst und Politik passten gut zusammen, sagt Bißmann, die erst Kunstgeschichte an der Grazer Uni studiert und danach den Studiengang Journalismus und Unternehmenskommunikation an der FH Joanneum absolviert hat. “Kunst ist politisch.”
Kirche & Kommunismus
Die nächste Station ist die Andrä-Kirche mit ihrem kleinen Park. Die Kirche mag sie, weil sie Religion mit zeitgenössischer Kunst verbindet und für die innovative Seite der katholischen Kirche steht. Tatsächlich ist der Andrä-Platz ein Mikrokosmos für sich, der von den Roma im Vinzinest ebenso genützt wird wie von den Communitys, die in der Kirche ihren Gottesdienst feiern. Obwohl Bißmann nicht gläubig ist, kommt sie gerne hierher. „Es ist ein Platz für alle“, sagt sie. Marx findet sie übrigens auch heute noch relevant. “Der Kommunismus ist das einzig Richtige für eine funktionierende Gesellschaft in der Zukunft.”
Aus alt wird neu
Durch die Kernstockgasse, am Bad zur Sonne vorbei, geht es weiter zum Altwarenhändler A&E in der Feuerbachgasse, einem von vielen Gebrauchtwarenladen, die das Bild des Gries prägen. Aida Beckovics kleine Schatzkammer wird allerdings am 20. Oktober sperren und in den Bezirk Leonhard übersiedeln.
Warum Bißmann besonders gerne in diesen Läden einkauft? „Teilweise aus Geiz, aber auch, weil die Dinge länger halten, qualitativ hochwertiger sind. Außerdem gefallen mir die Designs. Alte Dinge haben Charme.“ Etwas, das sie auch als Grund für ihre Liebe zum Annenviertel sieht. Ihrer Meinung nach präsentiert es sich authentischer und weniger „herausgeputzt“ als der Rest der Stadt. Ihr absoluter Lieblingsjob war übrigens bei der BAN, einem sozialökonomischen Betrieb und Gebrauchtwaren-Laden, der erst in der Idlhofgasse, später in der Puchstraße war, im Juli vergangenen Jahres aber pleite ging.
Herzstück
Die Tour endet am Griesplatz, ihrem absoluten Lieblingsort im Annenviertel. „Das Beste kommt zum Schluss! Mit seinen zahlreichen und vielfältigen Geschäften repräsentiere er den Bezirk wohl am besten”, meint Bißmann. Dass der Gries oft als Ankunftsstadt bezeichnet wird – also als Stadtteil, der von MigrantInnen aus verschiedenen Gründen bevorzugt wird, wenn sie erstmals nach Graz ziehen –, spiegelt sich in seiner ganz eigenen Dynamik, aber auch dem Verkehr wider, der über den Platz braust.
Einen Ausklang findet Bißmanns Spaziergang bei Espresso und Cappuccino in einem ihrer Lieblingscafés: dem Asmara, einem alten Kaffehändler am südlichen Ende des Platzes, der mittlerweile auch Wein und Spirituosen aller Art anbietet. Dort kann man mitten im Geschäft an einem der beiden kleinen Tischen Platz nehmen und das gesamte Sortiment direkt genießen. “Sehr speziell, aber durchaus mit Charme.”