Tabubruch oder Provokation? – Was wirklich hinter den “PornNights” steckt

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Im November veranstalteten die „RosaLila PantherInnen“ erneut die „PornNights“, rund 800 Besucher:innen kamen. Doch wie geht der Verein, der sich seit über 30 Jahren für die Gleichstellung queerer Menschen einsetzt, mit negativen Kommentaren zu seiner Arbeit um? Oder ist die Empörung begründet?

Autor:innen: Julia Fuchs, Franziska Küer

Die PornNights sind dazu da, Tabus zu brechen. Darüber hinaus wollen wir aber auch unterhalten”, sagt Jo Scharf, Sozialarbeiterin bei denRosaLila PantherInnen“. Zwei Wochen lang bot der Verein im „feel free“ in der Annenstraße ein abwechslungsreiches Programm: Von einem informativen Vortrag über Geschlechtskrankheiten über eine „Sex and Crime“-Tour bis hin zu einer Shibari-BDSM Liveperformance, war alles dabei. Für zwei Abende wurde sogar ein Saal im benachbarten Annenhof Kino angemietet. Dort feierte nicht nur die bekannte Grazer Dragqueen Jodie Fox die Premiere ihres Kurzfilms „Jodies Vorspiel“. Auch der aus Berlin angereiste Tim Lienhard präsentierte seinen autofiktionalen Filmessay „Wenn nichts mehr geht, dann Gran Canaria“. Außerdem wurden die Highlights des „Porn Film Festival Vienna“ gezeigt.

Tim Lienhard und Jodie Fox – die Outfits schreien, die Statements sind klar Foto Emil Fester

Zwischen Karaoke und Klischees 

In den zwei Wochen erwarteten die Veranstalter 300 bis 400 Besucher:innen  – gekommen sind fast 800. Die Zielgruppe sei bunt gemischt, sagt Jo. Unter ihnen war auch Thomas aus Klagenfurt. Thomas ist heterosexuell und beschreibt sich als „sehr konservativ. Ich habe mich dann aber mit einer queeren Person angefreundet, welche mich hin und wieder auf solche Veranstaltungen schleppt”, erzählt er lachend. Die Veranstaltung, die er gerade im „feel free“ besucht, heißt „Porno Karaoke“. Sie sei anfangs etwas befremdlich, aber trotzdem witzig! Weiterempfehlen würde er einen Besuch auf jeden Fall.  

Auch wir fühlen uns bei „Porno Karaoke“ kurz überrumpelt. Kaum haben wir unsere Jacken abgelegt, flimmert schon der erste Erwachsenenfilm über den großen Bildschirm – lautlos, wohlbemerkt. Einen gleichgeschlechtlichen Erotikfilm gemeinsam mit Fremden zu schauen, hatten wir nicht ganz erwartet. Doch schnell wird klar: Hier geht es nicht um den sexuellen Aspekt.  

Das Publikum soll die Filme jeweils zu zweit synchronisieren. Die Untermalung der Besucher:innen ist manchmal passend, zum Großteil aber völlig absurd. Die Filme, die gezeigt werden, könnten unterschiedlicher nicht sein: queere Erotik, Star-Wars-Content oder ein Film im Vintage Stil. Schließlich lassen auch wir uns von der lockeren Stimmung anstecken und machen selbst mit. Im Original wurde wahrscheinlich weniger gelacht, aber die Gäste im „feel free“ waren zufrieden mit uns.  

Doch nicht alle teilen diese Offenheit. Auf Facebook finden User:innen harte Worte für die „PornNights“,- ‘grauenhaft’ und ‘Satanismus’ sind nur einige davon. Als wir Jo die Kommentare zeigen, grinst sie nur. Sie habe noch nie Übergriffe auf Veranstaltungen dieser Art gesehen. Ganz im Gegenteil: „Die Menschen sind respektvoll und offen“, sagt sie.  

Ein Luftbussi an die Hooligans 

Auch Jodie Fox war dieses Jahr, wie eingangs schon erwähnt, Teil der „PornNights“. So las sie etwa auch bei einem Dark Dinner erotische Geschichten aus allen möglichen Epochen vor. Unser Gespräch mit ihr findet kurz vor der Premiere ihres Kurzfilms „Jodies Vorspiel“ statt. 

An diesem Abend fährt Jodie in einer pinken Limousine vor. Selbstbewusst steigt sie aus und präsentiert ihr neonpinkes Kleid, die hohen Stöckelschuhe, die sie selbst entworfen hat und der auffällige Schmuck, ebenfalls eine Eigenkreation. Im Gespräch mit ihr merken wir jedoch schnell, dass hinter ihrer glamourösen Erscheinung ein sehr warmherziger Mensch mit einer spannenden Geschichte steckt. 

Was reizt Jodie an den „PornNights“? „Die Pornografie wird aus der Schmuddelecke herausgeholt und durch das bunte Rahmenprogramm in die Gesellschaft gebracht”, sagt sie. Jeglicher Gegenwind interessiere sie nicht. „Einmal war ich als Jodie Fox am Jakominiplatz. Auf einmal rufen mir drei ihres Zeichens ‘Hooligans’ nach: ‘Scheiß Transen, für die Heidi Klum reicht es heute nicht mehr!’” Ihre Reaktion? „Ein Luftbussi!” Als ihr dann vorgeworfen wurde, sie würde Leute belästigen, ging sie auf die Gruppe zu.

Als Dragqueen hat man da eine ganz andere Autorität. Sie nutze ihr Auftreten für die Zivilcourage. Nach einem einstündigen Gespräch wären die ‘Hooligans’ selbst mit Jodies Stöckelschuhen über den Jakominiplatz gelaufen. Es sind gerade die, die so laut schreien, die eigentlich neugierig sind, aber es sich einfach nicht anerkennen lassen wollen. Das ist bei Anhängern der FPÖ besonders stark.” 

Politische Hürden statt Unterstützung

Beim diesjährigen „Aufsteirern“ kollidierte Jodie Fox bereits mit der neuen Landesregierung, erzählt sie weiter. Die FPÖ, die den Landeshauptmann stellt, wollte ihre geplante Hütte verhindern. Am Ende durfte sie die Besucher vom „Aufsteirern“ doch bewirten. Sogar der ehemalige FPÖ-Politiker Gerald Grosz stattete ihr einen Besuch ab.  

Versöhnung? Fehlanzeige. Wie kürzlich bekannt wurde, wird der Verein auch 2026 keine Unterstützung vom Land Steiermark erhalten. Doch die RosaLila PantherInnen geben nicht auf. Sie haben ihr Ziel bereits vor 30 Jahren formuliert: So lange weitermachen, bis es Vereine wie diesen nicht mehr braucht. Und damit auch mit den „PornNights“. 

 

Titelbild: „He came“ bei „Porno Karaoke“ Wenn Tabus ein Mikrofon bekommen. – Foto: Julia Fuchs

Infobox:

Die RosaLila PantherInnen sind ein Grazer Verein, der sich seit über 30 Jahren für die Gleichstellung queerer Personen einsetzt. Seit ihrer Gründung organisierten sie bereits zahlreiche Veranstaltungen, darunter den ersten Grazer CSD im Jahr 2012 und den seit 1990 jährlich stattfindenden Tuntenball. Für ihre innovative Coming-out-Hilfe für junge Homosexuelle erhielten sie 2004 den Europa-Preis. Der Verein möchte Treffpunkt aber auch Anlaufstelle für queere Menschen sein. Sie betreiben das „feel free“ in der Annenstraße.

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