Podiumsdiskussion „Leerstand – Trash or Treasure“. – Foto: Katharina Fromm

Freiräume mit Ablaufdatum? Die Herausforderungen der Zwischennutzung

Lesezeit: 3 Minuten

Unter dem Motto „The New Real“ findet der Designmonat vom 9. Mai bis 1. Juni in Graz und Graz-Umgebung statt. Ein Fokuspunkt des diesjährigen Programms: Leerstandsnutzung. Die Podiumsdiskussion „Leerstand – Trash or Treasure?“ im Hornig Areal zeigt, wie viel Potenzial, aber auch Konfliktstoff in der Zwischennutzung ungenutzter Gebäude steckt.

Rund 30 Besucher:innen haben bereits auf den weißen Sitzwürfeln Platz genommen. Kurz nach 18 Uhr tritt Roland Kloss auf die Bühne und eröffnet die Diskussion. Sinnbildlich für diese Thematik ist das Hornig Areal selbst, das früher eine Kaffeerösterei war und nun leer steht. Es gehört mittlerweile dem ÖWG Wohnbau. Seit Mai 2024 beherbergt das eigentlich leerstehende Gebäude immer wieder Künstler:innen und Initiativen zur Zwischennutzung, wie zum Beispiel die Kollektive „ROTER KEIL“, „if Space“ oder auch den Grazer Künstler Gilbert Kleissner.

Zwischen kreativer Freiheit und bürokratischen Fesseln

Mit dem diesjährigen Motto „The New Real“ stellt der Designmonat die Frage, über welche Realität wir sprechen und wie wirklich Wirklichkeit ist. Dabei geht es darum, KI nicht nur als interessantes Spielzeug zu sehen, sondern als Werkzeug zu begreifen und verantwortungsbewusst mit den Folgen von künstlicher Intelligenz umzugehen. Das Festival möchte sich, so beschreibt es Eberhard Schrempf, Geschäftsführer der Creative Industries Styria, wie Wasser verhalten: „Das Festival breitet sich dort aus, wo es hin kann.“ Leerstehende Industriehallen bieten dafür besondere Entfaltungsmöglichkeiten. „Die Graffiti- und Street-Artists können sich dort austoben, wir müssen die Werke nicht übermalen“, betont er. Doch: Ohne Wasser und Strom, ohne die Aktivierung von Toiletten, Notbeleuchtung und Fluchtwege bleibt die Halle stumm. Bevor dort also Kultur stattfinden kann, ist „ein riesiger Rattenschwanz an Auflagen zu erfüllen“, wo man mit der Baupolizei und sonstigen Ämtern zusammenarbeiten muss.

Wie dringend es ist, sich mit dem Potenzial leerstehender Gebäude auseinanderzusetzen, zeigte auch die Podiumsdiskussion „Leerstand – Trash or Treasure?“, die im Rahmen des Festivals im Hornig Areal stattfand. Bei dem Diskurs vor Ort verweist der Moderator des Abends, Roland Kloss, auf den Ernst der Lage: In Österreich stehen rund 40.000 Hektar Gebäudeflächen leer, während täglich 12 Hektar Grünfläche neu versiegelt werden. 

Vom Leerstand zur Nachnutzung 

Das studentische Projekt „Re:Space – Vom Leerstand zur Nachnutzung“ möchte im Rahmen der Diskussion genau diesen Ressourcenverbrauch sichtbar machen. Doch der Weg zur Nachnutzung sei oft steinig, wie Architekt Gernot Kupfer betont: Von rechtlichen Vorgaben über fehlende Förderungen bis hin zu unflexiblen baurechtlichen Normen sei es ein „unlauter Wettbewerb“ zwischen Neubau und Sanierung. Denn während ersterer stark gefördert wird, fehlen beim Bauen im Bestand die nötigen Anreizsysteme. Auch seien bestehende Richtlinien – etwa bei Barrierefreiheit oder Außenflächen – oft nicht auf Altbauten übertragbar.

Das Hornig Areal ist auch dieses Jahr wieder Schauplatz des Designmonats. – Foto: Katharina Fromm
Das Hornig Areal ist auch dieses Jahr wieder Schauplatz des Designmonats. – Foto: Katharina Fromm

„Von der Baukultur zur Umbaukultur“

Nicole Pruckermayr von der Steirischen Kulturinitiative verweist auf die ökologische Dringlichkeit: „Zwischennutzungen aktivieren die ganze geballte Energie, die ein solcher leerstehender Raum hat. Wir können es uns nicht mehr leisten, alles zu betonieren, während gleichzeitig so viele Flächen leer stehen.“ Zwischennutzung sei daher mehr als nur ein temporäres Konzept – es sei ein Schritt hin zu einer neuen Stadtlogik: „Wir werden uns von einer Baukultur zu einer Umbaukultur entwickeln müssen.“

Doch dafür braucht es Strukturen. In Wien gibt es schon seit einigen Jahren Vermittlungsebenen für Zwischennutzungen – in Graz fehlt das bisher. „Die Besitzer:innen brauchen Regelungen, rechtliche Rahmenbedingungen und Vorgaben von politischer Seite“, sagt Pruckermayr. Ohne diese fehlt vielen das Vertrauen in das Konzept von Zwischennutzungen.

Freiräume ja, aber dauerhaft!

Das Künstler:innenkollektiv Raum 117 ist mit der Ausstellung „Bilder sprechen Wände“ im Hornig Areal vertreten. Florian Perl, Mitglied des Kollektivs, betont: „Grundsätzlich bieten Zwischennutzungen von leerstehenden Arealen die Möglichkeit für eine freie Entfaltung und sind oft auch leistbar.“ Doch er wünscht sich mehr als nur Übergangslösungen: „Es braucht mehr Flächen, die legal und offiziell gestaltet werden dürfen, wo man jederzeit hingehen kann und das auch langfristig.“ Von der Stadt wünscht er sich mehr Initiative und Unterstützung für urbane Kunst, denn Zwischennutzung bringt auch gewisse Nachteile. So müsse man immer auf Zeit arbeiten und weiß nie, wie lange man bleiben kann. Das erschwere auch die Entwicklung und Planung von größeren Investitionen.

Ein Gewinn für Eigentümer:innen und Stadt

Die Zusammenarbeit mit ÖWG Wohnbau, die das Areal kostenlos zur Verfügung stellt, sieht Schrempf als Gewinn: „Durch eine sinnvolle Zwischennutzung steht das Areal nicht leer und wird gleichzeitig sicherer gegen illegale Nutzung.“ Des Weiteren weise die temporäre Bespielung der ehemaligen Industriehalle schon in eine gewisse Richtung, um dort auch Kreativität in Zukunft Raum zu geben. Denn wenn es nach dem Geschäftsführer geht, entsteht am Hornig Areal „ein starkes kreatives Zentrum mit synergetischen Nutzungsmöglichkeiten“. Derzeit plant die ÖWG einen Nutzungsmix aus Gewerbe und Wohnen.

 

Infobox

Bis 1. Juni kann man den Designmonat noch in der Waagner-Biro-Straße 39 im Hornig Areal besuchen.

Öffnungszeiten:

Täglich von 11:00 Uhr bis 18:00 Uhr

 

Titelbild: Podiumsdiskussion „Leerstand – Trash or Treasure“. – Foto: Katharina Fromm

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