Aufatmen für einen der ältesten Grazer Freiräume! Nach zwölf Monaten ohne Gewissheit über den Weiterbestand steht fest – das Spektral am Lendkai darf bleiben!
Ein Urgestein unter den „dritten Orten” ist gerettet. Seit mittlerweile über 20 Jahren bietet das Spektral die Möglichkeit, gemeinsame Räume und Ressourcen mitzunutzen und auch mitzugestalten. Dritte Orte wie das „gemeinsame Wohnzimmer“ am Lendkai 45 bieten einen Ausgleich zum Alltag und Raum zum Austausch. Für die Aktivitäten verantwortlich sind die unterschiedlichen Menschen, Gruppen und Kollektive, die das Spektral zu ihrer Homebase gemacht haben. Vorstandsmitglied Sebastian Waach, besser bekannt unter dem Namen “See”, vergleicht die Arbeit im Spektral mit dem Gefühl „mit Ton zu arbeiten“. Ton forme man nach eigenem Willen, man könne sich aber auch vom Ton führen lassen, sagt er. Eintritt oder Mitgliedsbeiträge verlangt das Spektral dafür nicht.
Als im November 2024 bekannt wurde, dass der Vermieter das Gebäude, in dem das Spektral seit 2004 gedeiht, verkaufen möchte, entschied See sich, Vorstandsmitglied der „freefutureforces“ zu werden. Das ist der Verein hinter dem Spektral, der sich am Ende des Kulturhauptstadtjahres 2003 formiert hat und der heute auch das Freiraumfest ausrichtet. Aber woher sollten die 350.000 € kommen, die der Eigentümer für die Räume wollte? Ein Jahr später ist das vermeintlich Unmögliche zur Realität geworden – das Geld ist da, das Spektral darf bleiben. Gelungen ist das über ein besonderes Modell der Gemeinschaftsfinanzierung.

„Lieber 1.000 Freund*innen im Rücken“…
…als eine Bank im Nacken. Unter diesem Motto begann das 1983 in Freiburg gegründete „Mietshäuser Syndikat“ in den 90er-Jahren, Direktkredite im Freundes- und Bekanntenkreis zu sammeln. So konnten Häuser gekauft werden. Der Wohnraum wird dann langfristig mit 0% Gewinn vermietet. In Österreich entstand nach deutschem Vorbild 2014 der HabiTAT-Verband, der in der Vergangenheit schon eine Reihe von Projekten umgesetzt hat, darunter das Willy*Fred in Linz, die Salzburger Wohnfabrik oder den queer-feministischen Space „GemSe” in Kärnten.
Nach diesem Modell wurde auch das „Crowdlending” für das Spektral organisiert. Über 120 Menschen haben sich mit einer durchschnittlichen Leihsumme von 3.000 Euro an der Finanzierung beteiligt. Durch die Unterstützung der vielen Kleinanleger konnte das Kampagnenziel von 350.000 Euro Mitte November erreicht werden. Organisatorisch wurde das „freefutureforces“-Team von anderen HabiTAT-Projekten unterstützt. Das Besondere am Spektral: Es ist der bislang einzige Kulturverein unter den HabiTAT-Projekten.
In Graz ist es das erste Projekt, das sich durch viele Klein- und Mittelbeträge finanzierte. „Vorerst”, fügte See lächelnd hinzu. Denn es gibt bereits Ideen für weitere HabiTAT-Projekte. Zu Details hält See sich bedeckt, jedoch sei es ein Wohn-Projekt, welches auf „Miteinander statt Nebeneinander” bauen soll.

Ein neuer Anfang?
Zwölf Monate voller Ungewissheit um den Freiraum an der Ecke Fellingergasse gehen damit zu Ende. Durch den Kauf des Gebäudes stehen dem Verein einige neue Möglichkeiten offen. Man könne nun längerfristig planen und auch an die Modernisierung der bald 22 Jahre alten Räume gehen. Wie es inhaltlich weitergehe, wisse er nicht, sagt See. Schließlich bildeten ja die Menschen den Charakter des „gemeinsamen Wohnzimmers”. Auch die Frage, wann denn das Spektral eigentlich Geburtstag feiert, steht im Raum. Der erste „unrunde” wurde zum 11. Jahrestag der Gründung am 4.12.2015 begangen. Auf die Frage, ob man aus gegebenem Anlass doch schon dieses Jahr eine Jubiläumsfeier veranstaltet oder traditionsgemäß erst 2026 zum 22. Geburtstag, schmunzelt See: „Vielleicht wird’s auch ein neuer Erster!“
Titelbild: Eingang Spektral mit Team, See (Hinten-Mitte) – Foto: Spektral
