Runde Feier, dunkle Wolken: Die Streichung der Förderung durch die FPÖ-ÖVP-Landesregierung wiegt schwer, trotzdem lässt sich das Megaphon-Team das Feiern nicht nehmen.
Autor:innen: Max Steibl, Niklas Saria, Iris Stark, Matilda Royer
Geschäftiges Treiben herrscht im Büro von Claudio Niggenkemper: Überall türmen sich Kartonboxen, daneben stapeln sich Magazine der neuesten Ausgabe. „So unordentlich ist es normalerweise nicht in unserem Büro“, lacht der Co-Redaktionsleiter des Megaphons. Die Straßenzeitung Megaphon blickt am Samstag auf ihr drei Jahrzehnte langes Bestehen zurück. Aber nicht alle sind in Feierstimmung. Auch das Magazin der Caritas ist von Kürzungen der blau-schwarzen Landesregierung stark betroffen. Der Redaktion fehlten im Juli plötzlich 20.000 Euro für das zweite Halbjahr. Mittels Crowdfunding konnte die akute Lücke vorübergehend geschlossen werden. Ab Jänner fehlt aber derselbe Betrag. „Irgendwann ist der Spendentopf ausgeschöpft“, so der 29-Jährige. Das Megaphon sollte sich nicht über Crowdfunding, sondern über Verkäufe finanzieren.
Das Megaphon als Kreislauf
Niggenkemper arbeitet seit Anfang 2022 beim Megaphon, das ein Projekt der Caritas ist. Gegründet von der Sozialwissenschaftlerin Maria Laura Bono bietet die Straßenzeitung seither Menschen in prekären Lebenssituationen die Möglichkeit, etwas Geld zu verdienen. Das Konzept lässt sich als Kreislauf beschreiben: Die Verkäufer:innen können die Zeitungen am Monatsanfang um jeweils 1,70 Euro im Vertriebsbüro des Megaphons erwerben und an verschiedenen Standorten wie Supermärkten oder Straßenecken um 3,40 Euro verkaufen. Somit kommt eine Hälfte des Erlöses den Arbeitenden zugute, die andere dient der Grundfinanzierung des Magazins.
Die Jubiläumsausgabe kann am Samstag an den üblichen Standorten erworben werden. – Matilda Royer
Sozialer Aspekt im Vordergrund
Besonders wichtig ist für die Verkäufer:innen der soziale Aspekt, wenn sie auf der Straße mit Menschen in Kontakt treten können, sagt Niggenkemper . Auch bekommen sie durch das Projekt Zugang zu anderen Unterstützungsangeboten und Anlaufstellen der Caritas. Ohne die Straßenzeitung würde dieser so wichtige Erstkontakt als Anknüpfungspunkt wegfallen. „Wir können unsere Klient:innen im Haus weitervermitteln, mit den Hilfestellungen, die wir hier haben”, sagt Niggenkemper. Auch arbeitsmarktpolitische Unterstützung und Rechtsberatung wären nicht mehr möglich, sollte es das Megaphon nicht mehr geben.
Fest und Solidaritätszug
Dennoch will das Megaphon-Team am Samstag primär „das feiern, was es zu feiern gibt“: 30 erfolgreiche Jahre, in denen Verkäufer:innen ein wenig Anschluss an den Grazer Alltag gefunden haben. Um 10:30 Uhr startet das Fest am Mariahilferplatz. Das Programm beinhaltet unter anderem eine Open-Mic-Bühne und einen mit Wünschen und Erinnerungen behangenen „Lebensbaum”. Die Frauenpreisträgerin 2025, Maryam Mohammadi, gedenkt mit diesem Kunstprojekt den Geschichten abgeschobener oder verstorbener Verkäufer:innen.
Den anschließenden Solidaritätszug der Festbesucher:innen zum Volkskundemuseum begleitet die KUG Earth Band. Unterwegs verteilen die Veranstalter:innen eine limitierte Anzahl der Jubiläumsausgaben. Im Volkskundemuseum steht dann eine Podiumsdiskussion zum Thema Medienfreiheit mit weiteren steirischen Medien wie Radio Helsinki auf dem Plan. Danach versteigert das Megaphon künstlerische Neuinterpretationen ehemaliger Covers.
Während das Event die Vergangenheit zelebriert, steht die Zukunft des Magazins zugleich auf wackeligen Beinen. Durch den Förderstopp mischt sich daher auch das Gefühl von Protest in die Feierstimmung. Aus der Sicht Niggenkempers sind die durch die Politik verursachten Schäden irreversibel: „Wenn etwas wie das Megaphon 30 Jahre braucht, um zu wachsen: Können wir es uns erlauben, von vorne zu starten?“
Titelbild: Claudio Niggenkemper erzählt über die Jubiläumsfeier und Auswirkungen finanzieller Kürzungen. – Foto: Matilda Royer
Das Megaphon ist ein Straßenmagazin und eine soziale Initiative der Caritas Steiermark.
Die Feier zum 30-jährigen Bestehen findet am Samstag, 4. Oktober ab 10:30 Uhr am Mariahilferplatz und im Volkskundemuseum statt.
Programm: 30 Jahre Megaphon – Megaphon