Das Dramatiker:innenfestival steht heuer ganz im Zeichen der Demokratie. Trotz außergewöhnlicher Umstände im heurigen Jahr versucht das Festival, Demokratie mithilfe verschiedener Beiträge zu fördern und neu zu denken.
Das internationale Dramatiker:innenfestival Graz findet heuer von 11. bis 15. Juni statt – trotz Einsparungen im Kulturbereich und der jüngsten Ereignisse in Graz. Unter dem Motto „Abgesagt“, das auf genau diese Einsparungen Bezug nimmt, setzt das Organisationsteam rund um Edith Draxl einen Themenschwerpunkt auf Demokratie. In mehreren Programmpunkten beschäftigen sich Künstler:innen und Expert:innen mit dem Zusammenhang zwischen demokratischen Prozessen, gesellschaftspolitischen Fragestellungen und der Rolle von Kunst.
Im Theaterstück „The Handke Project“, das am Freitag im Theater am Lend gezeigt wird, beschäftigt sich Regisseurin Blerta Neziraj mit der Trennung von Kunst und Künstler:in sowie mit der Frage nach der Meinungsfreiheit in der Kunst – am konkreten Fall von Peter Handke. Sie stellt die Frage, wie Kunst wahrgenommen wird, wenn sie ethische oder moralische Grenzen überschreitet. „Wo die Grenzen verlaufen, das ist etwas, das in der Gesellschaft ausgehandelt wird, was letztlich auch durch Gerichte entschieden wird – und was sich im Laufe der Zeit und Jahrzehnte verändert“, sagt die Demokratieexpertin Tamara Ehs, die beim Festival einen Vortrag zum Thema „Demokratie: Kultur der Reparatur“ gehalten hat. „Was gerade auch Kunst und Theater bieten können, ist, diese Kommunikation aufrechtzuerhalten.“
Auch Christian Winkler – Leiter des Theater am Lend – liefert einen Beitrag beim Dramatiker:innenfestival
“Der Mainstream kopiert meistens Dinge”
Neben der inhaltlichen Auseinandersetzung mit Kunst und Politik richtet das Festival den Blick auch auf aktuelle gesellschaftliche Realitäten. Christian Winkler, Leiter des Theater am Lend, betont die Bedeutung der freien, avantgardistischen Theaterszene:
„Der Mainstream kopiert meistens Dinge, die schon da sind, und nimmt die coolen Dinge auf“, sagt Winkler. „Wenn das die richtigen Leute sehen, dann schaffen sie es in den Mainstream – und beeinflussen dort, wie über Dinge gedacht wird.“
Auch Winkler selbst ist mit einem eigenen Stück vertreten, das beim Dramatiker:innenfestival auf die Bühne gebracht wird. Es behandelt auf scheinbar leichtfüßige Art und Weise gesellschaftskritische Themen wie Segregation, Marginalisierung und Klassengesellschaft. Aufgrund der jüngsten Vorfälle in Graz wurde der erste Aufführungstermin jedoch abgesagt.
„Eine Perspektive, die das Theater auf die Bühne bringen kann, ist die der Ausgeschlossenen – immerhin sind in Österreich 20 % der Menschen nicht wahlberechtigt“, so Ehs.
Demokratie beruht auf Partizipation – auch von jenen Gruppen, die oft nicht gesehen oder gehört werden. Sie ist der Meinung, dass all jene, die keine Stimme haben, nicht gesehen werden und folglich auch keine Macht besitzen.
Außerdem kann Theater auch eine Anlaufstelle für die sein, die sich selbst ausschließen – für Nichtwähler:innen. „Wenn sie sagen, das politische System hält nichts für mich bereit, dann könnten sie aber im Theater eine Rolle spielen. Kann man das auf die Bühne bringen? Kann man das auch zeigen?” sagt Ehs.
Kunst kann also einen erheblichen Beitrag zum öffentlichen Diskurs leisten und gesellschaftliche Probleme frühzeitig – oft auf subtile Weise – sichtbar machen. Das diesjährige Dramatiker:innenfestival versucht, Menschen mithilfe von Theaterstücken, interaktiven Formaten und Vorträgen dazu zu bewegen, gewohnte Denkmuster zu hinterfragen und neue Perspektiven einzunehmen.
Titelbild: (c) Atdhe Mulla: Das Handke Project im Theater am Lend hinterfragt Grenzen in der Kunst