Man sieht das Grazer Rathaus aus der Froschperspektive
Lesezeit: 2 Minuten, 39 Sekunden

Grazer Bezirkspolitik: Bezirksratssitzungen ohne Öffentlichkeit

in POLITIK & WIRTSCHAFT von

Während in Wien Bezirksratssitzungen per Livestream übertragen werden, setzt man in Graz auf Videokonferenzen und Umlaufbeschlüsse ohne Öffentlichkeit. Nur der Gemeinderat hat Live-Charakter. Ist die Bezirkspolitik nicht wichtig genug, um sie den Bürger*innen zugänglich zu machen?

Die Bezirkspolitiker*innen sind die elementarsten politischen Ansprechpartner*innen in ihren jeweiligen Bezirken. Ihre Aufgabe ist laut Geschäftsordnung „die Herstellung einer engeren Verbindung zwischen der Bezirksbevölkerung und den Organen und Einrichtungen der Stadt“.
Doch wie sollen die Bezirksvorsteher*innen eine engere Verbindung zwischen Bürger*in und Stadt herstellen, wenn sie von der Bevölkerung abgeschnitten werden? Oder besser gesagt die Bevölkerung von ihnen. Denn in Graz sind die Sitzungen des Bezirksrates der Öffentlichkeit momentan nicht zugänglich, nur der Gemeinderat wird auf der Website der Stadt Graz live übertragen. Der Ausschluss der Öffentlichkeit wurde durch einen Beschluss des Steirischen Landtags im Dezember legalisiert, Beschlüsse können auch im Umlaufweg gefasst und Sitzungen ohne Bürger*innen per Videokonferenz abgehalten werden.

Keine Übertragungen für den Bezirksrat

Nina-Marie Wolf (SPÖ), die neue Bezirksvorsteherin des Gries, gab sich anfangs noch optimistisch: „Eine Übertragung der Sitzungen gibt es leider auch noch nicht, ich habe diesen Wunsch mal an die Stadt weitergegeben, vielleicht ändert sich dahingehend noch etwas.” Sie hatte diesbezüglich bei der Servicestelle Bahnhofsgürtel, die der Präsidialabteilung der Stadt Graz untergeordnet ist, nachgefragt, wurde nun aber enttäuscht. Übertragungen würde es auf keinen Fall geben, es sei schließlich nur der Bezirksrat, fasst Wolf die Antwort, die sie erhalten hat, sinngemäß zusammen. „Ich kann das in gewisser Hinsicht auch ein bisschen nachvollziehen”, sagt sie. Denn für die oft schon etwas älteren Mandatare ergäben sich vor allem bei Abstimmungen in den Videokonferenzen technische Hürden. Deshalb werde man im Gries nun höchst wahrscheinlich ebenfalls auf Umlaufbeschlüsse umsteigen. In den anderen Bezirken gibt es laut Wolf ähnliche Tendenzen.

Von Seiten der Stadt lässt man anklingen, dass die Ressourcen für eine Übertragung eher knapp bemessen wären. Und der Paragraph 51a im Statut der Landeshauptstadt Graz (StLG), der „eine Beschlussfassung im Umlaufweg oder in einer Videokonferenz” regelt, würde sowieso Ende Juni 2021 auslaufen.

Ein Selfie von Ex-Bezirksvorsteher Ammerer aus dem Stadtsenatssaal
Im Stadtsenatssaal des Rathauses tagen die Bezirksräte normalerweise. Hier ein Bild aus dem April 2020, als Sitzungen noch möglich waren. – Foto: Tristan Ammerer

Es geht auch anders

In Wien beispielsweise werden auch Bezirksratssitzungen per Stream übertragen. 14 der 23 Bezirke haben eine eigene Seite mit eingebettetem Video für ihren nächsten Sitzungstermin. Zumindest die Protokolle der letzten Sitzungen sind bei allen 23 Bezirken online abrufbar. Zum Vergleich: Graz hat 17 Bezirke und keiner überträgt live. Die Protokolle der Sitzungen liegen ausschließlich in der jeweils zuständigen Servicestelle während den allgemeinen Geschäftszeiten zur Einsicht auf. Zutritt dort gibt es aufgrund der Pandemie nur mit vorher online vereinbartem Termin.

Bei diesem Vergleich muss allerdings berücksichtigt werden, dass Wien auch fast siebenmal so viele Einwohner*innen wie die steirische Landeshauptstadt hat und damit größenmäßig andere Dimensionen aufweist. Laut der Wiener Stadtverfassung bestehen die Bezirksvertretungen dort „in Bezirken bis zu 50 000 Einwohnern aus 40 Mitgliedern”. In der steirischen Landeshauptstadt setzen sie sich laut StLG „in Stadtbezirken bis zu 10.500 Gemeindemitgliedern aus 7 Mitgliedern”, jedoch maximal aus 19 Bezirksrät*innen zusammen.

Portraits der 3 Bezirksvorsteher*innen des Annenviertels Hagenhofer, Krainer, Wolf
Die Bezirksvorsteher*innen  Robert Hagenhofer, Eggenberg; Wolfgang Krainer, Lend und Nina-Marie Wolf, Gries. (v.l.n.r.) – Fotos: Pachernegg und Schnabl

Bezirkspolitik im Annenviertel

Sitzungen über den Bildschirm fanden bereits in Gries und Eggenberg statt. Wolfgang Krainer (ÖVP), Bezirksvorsteher des Bezirks Lend, bevorzugt nach eigenen Angaben Umlaufbeschlüsse. Das politische Geschehen dreht sich also auch ohne zusätzliche Augen weiter. Am Griesplatz werden die Regionalbushaltestellen verlegt, im Lend stehen mehrere Projekte an und aus Eggenberg wird von Bezirksvorsteher Robert Hagenhofer (ÖVP) versichert, dass man sich um die in der Zwischenzeit per Mail und Online-Formular eingebrachten Anliegen natürlich genauso kümmern wird.

 

Titelbild: Paul Koren

 

INFOBOX
Die nächsten Termine der Bezirksratssitzungen
Servicestelle Bahnhofsgürtel zuständig für die Annenviertler Bezirksratssitzungsprotokolle
Loading Facebook Comments ...

Schreibe einen Kommentar

Your email address will not be published.

*

20 − 6 =

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.

Das letzte von

Gehe zu Nach oben