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Raufen unter Wasser – der Selbstversuch

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Drei Blasen auf den Füßen, schmerzender Druck in den Ohren, aber jede Menge Spaß. Am vergangenen Sonntag fand das erste Try-Out der Unterwasser-Rugby Mannschaft des Steirischen Tauchsportclubs (STC) statt. Die Annenpost war nicht nur vor Ort, sondern auch unter Wasser mit dabei.

Wo ist der Ball? Wer hat ihn? Da! Unter mir! Ich tauche ab und stürze mich mitten ins Geschehen und auf meine Gegenspielerin. Mit aller Kraft versuche ich, in Ballbesitz zu kommen. Von allen Seiten tauchen SpielerInnen beider Mannschaften auf uns zu. Langsam aber sicher geht mir die Luft aus. Ich weiß nicht mehr, wo oben oder unten, links oder rechts ist. Meine Gegenspielerin wehrt einen Angriff von der anderen Seite ab, das muss ich ausnutzen! So schnell ich kann, reiße ich das Spielgerät an mich. Doch ich muss nach oben. Ist jemand aus meinem Team in der Nähe? Gott sei dank schwimmt mein Teamkollege mit der dunklen Haube direkt unter mir und ich passe ihm flink den Ball zu. Dann gehts für mich an die Wasseroberfläche, für einen kurzen Atemzug. Sofort tauche ich wieder unter und blende die Über-Wasser-Welt für die nächsten Sekunden aus.

Talentefang unter Wasser

Im Eingangsbereich der Auster in Eggenberg sind die Männer und Frauen in den roten T-Shirts kaum zu übersehen. Dazwischen stehen einige Interessierte und am Rand eine große Kiste voll mit Flossen und Schnorchelausrüstung. „Das sind die Verrückten, die Unterwasser-Rugby spielen“, sagt ein Vater zu seinem Sohn. Die rot gekleideten Spielerinnen und Spieler lachen stolz, die anderen scheinen sich plötzlich zu fragen, worauf sie sich da eingelassen haben.

Mehr als 20 Personen sind am Sonntag, den 5. Mai 2019, in die Auster gekommen, um die Sportart Unterwasser-Rugby auszuprobieren. Die Chance dazu hatten sie beim Try-Out des Steirischen Tauchsportklub (STC), der dabei gleichzeitig Talente rekrutieren möchte.

Das Team und die TeilnehmerInnen des Unterwasser-Rugby Try-Out des STC – Foto: Maximilian Pless

Was ist Unterwasser-Rugby überhaupt?

Rugby ist den meisten wohl als ziemlich körperbetonte Sportart mit dem typischen eiförmigen Ball bekannt. Aber unter Wasser? Wie soll das gehen? Der Trainer und Kapitän der Grazer Mannschaft Thomas Schenkeli erklärt es ganz salopp als „Raufen unter Wasser“. Es ist eine Vollkörperkontaktsportart, die außerdem dreidimensional ist. Das heißt sowohl Ball als auch SpielerInnen können sich in alle Richtungen bewegen – was eine gute Orientierung unter Wasser verlangt. Der runde Spielball ist mit rund drei Litern Salzwasser gefüllt. Damit ist er schwerer und sinkt im Becken zu Boden, kann aber gleichzeitig gepasst werden. Ziel des Spiels ist es, den Ball im gegnerischen Korb zu versenken. Dieser ist am Rand des Beckens am Boden fixiert und erinnert an einen Basketball-Korb.

Die Ausrüstung beim Unterwasser-Rugby ist schnell aufgezählt: Badeanzug bzw. Badehose, eine Kappe mit eingenähten Ohrenschützern und die sogenannte ABC-Ausrüstung bestehend aus Flossen, Tauchmaske und Schnorchel. Die Regeln sind ebenso simpel: Die/der SpielerIn im Ballbesitz darf attackiert werden, sonst niemand. Festhalten an den Körben oder Ziehen an der Tauchausrüstung ist verboten, ebenso wie Schlagen, Würgen, Treten oder ähnliches aggressives Verhalten. Der Ball darf außerdem nicht an die Wasseroberfläche gelangen. Mit einer Unterwasserhupe zeigen die drei SchiedsrichterInnen Regelverstöße an. Jede Mannschaft besteht aus sechs SpielerInnen im Wasser und bis zu sechs AuswechselspielerInnen am Beckenrand. Wer erschöpft ist, schickt im fliegenden Wechsel einen/eine Ausgeruhte/n von der Wechselbank ins Wasser.

Redakteurin in Action – Foto: Maximlian Pless

Der Sprung ins (kalte) Wasser

Für die voll ausgerüsteten TeilnehmerInnen des Try-Out geht es nach einer kurzen Einführung ab ins Wasser. Und auch für mich heißt es jetzt: abtauchen und erstmal ausprobieren. Ich brauche etwas Zeit, um mich an die Flossen und die Maske zu gewöhnen. Meine ersten Tauchversuche scheitern– bis zu vier Meter ist das Becken der Auster tief. Ich habe das Gefühl, als würde ich schweben. Der Lärm der Auster ist plötzlich nicht mehr zu hören, die Perspektive eine ganz andere. Wir teilen uns in kleine Gruppen auf und stoßen uns unter Wasser die Bälle zu. Nach und nach bekomme ich ein Gefühl dafür, wie sich der Ball bewegt. Geht er nach oben oder unten? Wie schnell „fällt“ er im Wasser? Alles gar nicht so einfach. Besonders die Dreidimensionalität ist eine völlig neue Erfahrung für mich. Es ist ungewohnt, einen Pass von schräg unten zu erhalten, oder einen Mitspieler direkt über mir anzuspielen.

Mehr als nur Sport

„Beim Unterwasser-Rugby in Graz war es von Anfang an eher eine Gemeinschaft als einfach nur eine Sportmannschaft“, sagt Thomas Schenkeli. Für den Kapitän war das vor etwa zwölf Jahren auch einer der Hauptgründe, warum er zu diesem Sport gekommen ist. Davor spielte er Basketball in der 2. Bundesliga und Landesliga. Nach einer schweren Knieverletzung machte er sich dann auf die Suche nach einer Alternative. Da im Wasser das Verletzungsrisiko wesentlich geringer ist, fiel ihm die Entscheidung für Unterwasser-Rugby nicht schwer. Abgesehen von ein paar blauen Flecken gibt es in diesem, doch sehr intensiven, Sport kaum schwerere Verletzungen. Schenkeli selbst hat sich in zwölf Jahren Unterwasserrugby nur einmal die Schulter ausgerenkt.

Thomas Schenkeli und Steffi spielen beide im österreichischen Nationalteam – Foto: Maximilian Pless

Verwirrung, Schmerzen, aber jede Menge Spaß

In zwei Gruppen aufgeteilt, geht es für die eine in den Vier-Meter-Bereich um schon ein Match zu spielen. Ich bleibe mit der anderen Gruppe im seichteren Wasser. Wir versuchen, die Scheu vor dem Körperkontakt abzulegen. Zu dritt, zu viert kämpfen wir um die Bälle, lernen abzutauchen und gehen dabei an unsere Grenzen. Ich habe immer noch Angst, die Luft nicht lange genug anhalten zu können. Aber ich merke bald, wann ich auftauchen muss und irgendwann geschieht es fast wie von alleine. Für gut 15 bis 20 Sekunden sind professionelle SpielerInnen unter Wasser, bevor sie Luft holen müssen. Auch wenn ich manchmal die Orientierung verliere, meine Flossen trotz Socken so sehr reiben, dass ich Blasen bekomme und meine Ohren vor Druck schmerzen, macht es viel Spaß und die Vorfreude auf das Trainings-Match steigt.

Zum Schluss wird noch abgeklatscht – Foto: Maximilian Pless

Vorfreude auf die WM in Graz

Die 23 Männer und zwölf Frauen des amtierenden Vizestaatsmeisters aus Graz fahren jährlich auf acht bis zwölf Turniere quer durch Mitteleuropa. Schenkeli und zehn weitere SpielerInnen vertreten heuer bei der Unterwasser-Rugby WM in der Eggenberger Auster das österreichische Nationalteam. „Wir freuen uns schon sehr, sind aber auch nervös. Wenn man daheim spielt, sind die Anforderungen und der Druck immer größer“, sagt Schenkeli. Mit 30 Teams aus 17 verschiedenen Ländern ist die WM vom 25. Juli bis zum 3. August die größte in der Geschichte des Sports.

Die Zeit ist fast um, das Try-Out beinahe vorbei. Die Gruppe aus dem tiefen Wasser schaut uns vom Beckenrand aus bei unserem Spiel zu: Die weißen Kappen gegen uns Dunkle. Die letzte Aktion des Matches hat gerade begonnen, noch einmal kommen wir von allen Seiten aufeinander zu, kämpfen um den Ball und drücken uns gegenseitig weg. Trotz meines Einsatzes berühre ich den Ball nur, komme aber nicht in seinen Besitz. Da sehe ich aus den Augenwinkel, wie eine Mitspielerin mit dunkler Kappe den Ball im Korb versenkt. Wir tauchen schreiend vor Freude auf und klatschen ab. Die zwei Stunden sind wie im Flug vergangen. Das Rugbyteam des Tauchklubs lädt uns alle ein, wieder einmal vorbeizuschauen und mit ihnen zu  trainieren. Erschöpft geht es dann für uns nach Hause.

Weiter Bilder vom Try-Out

 

 

Optimistische Pessimistin, extrovertierte Introvertierte. Dressiert gerne Nachbarkatzen und besucht am liebsten exzessiv Konzerte. Wahl-Grazerin aus dem südlichen Oberösterreich.

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