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Diagonale 2019: Goldene Hoden und der Boden unter den Füßen

in KULTUR von

Am 19. März 2019 feierte die 22. Diagonale in der Grazer Helmut List Halle ihre Eröffnung. Österreichs Schauspiel- und Politikgrößen waren anwesend und feierten den Eröffnungsfilm Der Boden unter den Füßen.

Bereits zum 22. Mal findet vom 19. bis zum 24. März 2019 das Festival des österreichischen Films in Graz statt. Die Eröffnungsgala in der Helmut List Halle bildete einen würdigen Start in eine Woche, in der Humanität, Geschwisterlichkeit und Solidarität gemeinsam mit dem österreichischen Film im Vordergrund stehen sollen.

Hedonismus gegen Populismus

Sebastian Höglinger und Peter Schernhuber, die aktuellen Intendanten der Diagonale, leiteten das Festival mit zahlreichen Danksagungen und einem Aufruf zum Hedonismus – eine Tugend, die laut ihnen in der Filmbranche und ganz besonders in der Steiermark weit verbreitet sei – ein. Ihre Worte richteten sich gegen Populismus, Totalitarismus und religiösen Fanatismus, trotzdem soll die Diagonale keine “geschlossene Demonstration für das eigene Klientel” sein, sondern zum Diskurs aufrufen. Für ihre Kritik an der politischen Vereinnahmung von öffentlich-rechtlichen Medien bekamen sie tosenden Applaus. Mittlerweile Tradition in ihrer Antrittsrede ist ein Pop-Zitat, diesmal stammte es wie schon 2016 von den Hamburger Feuilleton-Rockern Tocotronic: “Wir müssen durch den Spiegel gehen”.

Wir müssen durch den Spiegel gehen

Manuel Rubey, der nicht nur als Sänger, Schauspieler und singender Schauspieler (Falco – Verdammt wir leben noch!) Talent beweist, sondern auch mit routinierten Moderationsfähigkeiten beeindruckt, führte durch das dichte Programm des Abends. In der gut gefüllten Halle tummelten sich allerlei bekannte Gesichter der österreichischen Kultur- und Medienlandschaft. Da kann es schon passieren, dass man auf der Herrentoilette plötzlich neben Josef Hader steht und peinlich berührt parallel uriniert. Auch die Spitze der steirischen Politik, Landeshauptmann Hermann Schützenhöfer und Bürgermeister Siegfried Nagl, bewiesen ihre Affinität zur hohen Filmkunst und glänzten mit Anwesenheit.

Birgit Minichmayr erhält den großen Schauspielpreis – Foto: Jakob Thaller

Goldene Hoden für Minichmayr

Birgit Minichmayr, die als Romy Schneiders beste Freundin in 3 Tage in Quiberon am Samstag im Schubertkino zu sehen ist, erhielt den Großen Diagonale-Schauspielpreis  2019. Die Laudatio hielten Regisseurin Veronika Franz und die österreichische Theater-, Film- und Fernsehschauspielerin Johanna Orsini-Rosenberg. In ihrer emotionalen Dankesrede sprach sich wie die Intendanten zuvor auch Birgit Minichmayr für Weltoffenheit und ein vereintes, starkes Europa aus. Der Preis wurde dieses Jahr von der Künstlerin Ashley Hans Scheirl gestaltet und sei “keine normale Trophäe, sondern ein Kunstwerk”, wie Rubey besonders betonte. Ein Kunstwerk in Form zweier gigantischer, goldener Hoden.

Bevor der Eröffnungsfilm gezeigt wurde, setzte Johann Lurf mit dem von ihm gestalteten Diagonale-Trailer “Nationalismus ist Gift für die Gesellschaft” noch einmal ein Zeichen gegen totalitäre Strukturen und die Einflussnahme politischer Parteien auf Kunst und Kultur.

Der Boden unter den Füßen

Das mit Valerie Pachner und Pia Hierzegger hochkarätig besetzte Geschwisterdrama bildete den Mittelpunkt der diesjährigen Diagonale-Eröffnung. Marie Kreutzer verpackt in ihrem Film gesellschaftlich unausgesprochene Problemthemen wie psychische Krankheiten, gleichgeschlechtliche Liebe und beruflichen Leistungsdruck und liefert damit den Querschnitt einer modernen Generation. Über eine Laufzeit von 108 Minuten erzählt der atmosphärisch dichte Film die Geschichte der erfolgreichen, aber dauer-gestressten Unternehmensberaterin Lola (Valerie Pachner). Zusätzlich zu ihrem Job und den damit verbundenen Reisen rund um den Erdball muss sie auch noch die Vormundschaft für ihre an paranoider Schizophrenie erkrankte Schwester Conny (Pia Hierzegger) übernehmen. Der Abspann, begleitet von Leonard Cohens Lied “If I didn’t have your love”, lässt die Zuschauer zuerst schweigend, dann applaudierend zurück.

 

Produzent Alexander Klehr und Regisseurin Marie Kreutzer – Foto: Jakob Thaller

Bevorstehende Highlights

Wer will, kann sich in den kommenden Tagen mit über 180 Filmen einem cineastischen Dauerrausch hingeben. Von ganz großen österreichischen Filmen, welche nie an Aktualität verlieren, wie Ulrich Seidls Models, bis hin zu internationalen Klassikern, wie Rainer Werner Fassbinders Querelle (Darsteller Hanno Pöschl wird bei der Vorführung anwesend sein), bietet die diesjährige Diagonale mal wieder alles, was das cinephile Herz höher schlagen lässt. Als ganz große Favoriten auf einen der begehrten Diagonale-Filmpreise gelten Die Kinder der Toten, eine Verfilmung von Literaturnobelpreisträgerin Elfriede Jelineks gleichnamigen Zombie Opus Magnum, und Gregor Schmidingers Nevrland, ein LGBT-Drama mit Simon Frühwirth und Josef Hader in den Hauptrollen. Die Preisverleihung findet am 23. März im Orpheum statt, bis dahin wünschen wir eine gute Projektion!

Info
Alle Filme und ihre Aufführungsorte findet man auf: http://www.diagonale.at/spielplan/

 

8200, 2320. mag: musik, film, medien, kochen, lesen, schwechsn, das internet. mag nicht: leere (wort-)hülsn, sich selber beschreiben, das internet.

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