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Traumfänger im Trockennebel

in VIERTEL(ER)LEBEN von

Kunsthandwerk und Clubatmosphäre – geht das zusammen? Die Leute von der “Kreativabteilung” finden schon. Und machen Grazer Dancefloors seit vergangenem Herbst ein wenig bunter.

Der dritte Floor der Postgarage vibriert, bebt im 4/4-Takt elektronischer Beats. Bunte Lichtkegel schneiden durch den Trockennebel, erhellen blitzlichtartig den Raum, Tanzende, Drinks – und Äste? Es ist ein seltsamer Ort, den Marley Theußl und Mirjam Gollob da am Rande der Tanzfläche gestaltet haben. Mit Schwemmholz, gemusterten Tüchern, Traumfängern und Amuletten wirkt der Stand der Kreativabteilung ein wenig wie ein Fremdkörper in der gewohnten Clubatmosphäre.

„Wir sind da irgendwie rein gerutscht“, erklären Marley Theußl und Mirjam Gollob, die jungen Frauen hinter den beladenen Ästen. Die beiden sind Anfang zwanzig, Studentinnen, und touren mit ihrem Kunsthandwerk durch die elektronische Musikszene im Gries. StonedArt nennen sie sich, seit sie vergangenen August begannen, Steine und Flaschen mit Acrylfarben zu bemalen, nur zum Spaß und für ein paar Posts auf Facebook. Wenige Wochen später kam die Sache ins Rutschen.

Im September suchten die Veranstalter des ersten DreamWave Festivals rund um die Postgarage noch nach Beiträgen, die das Festival bunter und facettenreicher machen sollten. Die Mädels von StonedArt stellten sich mit ihrem ersten Stand hin, den sie aus Ästen, Schwemmholz und schweren Holztischen gebaut hatten, vollbeladen mit ihrer jungen Kreativität. Beim Festival lernten sie auch Richard Sonnlechner und seine Kreativchips kennen. Und dort, zwischen Techno, Goa und Traumfängern, verstanden sie, dass es zu viele kleine KunsthandwerkerInnen gibt, die sich die Höhe der Standgebühren nicht leisten können. Im Oktober gründeten sie einen Verein, um es allen ein wenig einfacher zu machen.

Der Stand der Kreativabteilung in der „Poga“ – Foto: Samira Frauwallner

Abteilung: Kreativ

„Es gibt unglaublich viele kreative Köpfe, Handwerker, die ungesehen Großartiges machen. Der Vertrieb der Arbeiten ist aber zu aufwendig, zu zeitraubend und die Gebühren für einen Stand sind für den Einzelnen oft nicht tragbar“, sagt Marley Theußl. Die Idee der “Kreativabteilung” verbindet diese KünstlerInnen. Sie tragen ihre Ideen zusammen, ihre Kunstwerke und ihre Zeit. Hölzerne Anhänger, bunt leuchtende Lampen, Schmuck aus Perlen, Federn und farbigen Steinen – all das hängt auch an diesem Abend in der Postgarage von den Ästen des Standes, liegt auf bunten Tüchern aus. „Wir kennen die Szene, die Musik, wir wissen, wo wir ankommen und wo wir es bleiben lassen können“, sagt Marley. Wem etwas gefällt, der zahlt dafür, „was es ihm wert ist“. Das Geld wird unter den Mitgliedern der Kreativabteilung aufgeteilt, die Materialkosten und die Party-Wochenenden werden damit gedeckt – eine Aufwandsentschädigung, könnte man sagen. Reich wird hier niemand. „Aber glücklich“, meint Miri, während sie die Lichterkette über dem Stand zurechtrückt.

Mit Laser werden die Motive in die Kreativchips aus Holz gebrannt – Foto: Samira Frauwallner

Von Naturmaterialien und synthetischen Klängen

Herzstück des Standes sind die Kreativchips aus Holz, die Marley gemeinsam mit Richard herstellt. Kreisrund, mit Motiven wie Wildtieren, Sternzeichen und abstrakteren Symbolen, erinnern sie ein wenig an Amulette indigener Völker. Ein bisschen was vom Boho-Stil und sehr viel Feinarbeit. Sie würden gut in den Pinterest-Feed eines Neohippies passen. Und doch liegen sie hier, unter bunten Lichtkegeln, und zittern leicht im Takt der Musik – und das passt auch.
Nicht immer aber fühlt sich die Mischung aus Handwerk und Party so gut an wie an diesem Abend, wissen Marley und Miri. „Wenn hier eine Techno-Veranstaltung läuft, schaut für uns wenig raus. Wenn aber Goa gespielt wird, kommen andere Leute, auch von weiter weg. Die begeistern sich dann wirklich für uns“, sagt Miri. „Wir haben sogar ein paar Fans, die immer kommen, wenn wir aktiv sind.“ An diesem Abend herrscht vor dem Stand reges Treiben. Die Mädels unterhalten sich mit den Leuten. Über bemalte Steine, die Arbeit mit Naturmaterialien und über bevorstehende Festivals. „Das ist eigentlich das Schönste“, sagt Marley später. „Die Menschen, die man kennenlernt, die sich für deine Arbeit begeistern und wieder kommen.“

Aus den Lautsprechern der Postgarage tönt Goa-Sound, synthetisch, sphärisch und ein wenig düster. Keiner heult hier Texte mit, gibt ja auch keine. Nur hin und wieder einen tranceartiger Gesang, der die Ohren in Schwebe versetzt und am Stand – unter den bunten Lichterketten, Ästen und eingehüllt in Musik und Nebel – eine kleine, fast surreale Welt entstehen lässt. Stoned passt eigentlich auch ganz gut.

Verliert sich regelmäßig im eigenen Kopf. Gierig nach Höhenluft und schwarzem Kaffee. Bekannt für ihren kritischen Blick.

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