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Welche Zukunft hat die Kunst in der Andräkirche?

in KULTUR von

Hermann Glettler rief 1999 in der Pfarre Sankt Andrä die „Andrä Kunst“ ins Leben. Zeitgenössische, teilweise kontroverse Installationen prägen seitdem das Erscheinungsbild der Kirche. Im Herbst 2017 wurde Hermann Glettler zum Bischof der  Diözese Innsbruck ernannt. Was passiert nun mit der Kunst in der Andräkirche?

„Rosinen“, „blaues Wunder“, „Schlosserei“, „Afrolook“, „Pinocchio“ – scheinbar zufällig ausgewählte Wörter und doch haben sie eines gemeinsam: Sie sind auf der Fassade der Kirche Sankt Andrä im Bezirk Gries zu finden. Insgesamt 50 Begriffe, die keinem Erfahrungs- oder Wissensgebiet eindeutig zuordenbar sind, wurden vom Künstler Gustav Troger aus der Farbkarte der Firma Adler ausgewählt und schmücken seit 2011 die sonst in Weiß gehaltene Außenmauer. Sie sollen, wie auf der Website festgehalten ist, das Leben in seinen vielfältigsten Ausprägungen darstellen und auf dem sakralen Bauwerk “eine faszinierende Spannung” aufbauen. Doch nicht nur äußerlich ist die Andräkirche ein Kunstwerk, auch im Inneren der Kirche verwandeln verschiedene Kunstprojekte den Raum in einen Ort des Dialogs zwischen Betrachter und zeitgenössischer Kunst.

Die Kirche als Kunst-Ort

Im Jahr 1999 begann der damalige Pfarrer Hermann Glettler die Kirche für KünstlerInnen zu öffnen. Seitdem läuft unter dem Logo „Andrä Kunst“ eine permanente Auseinandersetzung mit zeitgenössischer Kunst. Eine Vielzahl an Kunstwerken war nur temporär installiert, im Laufe der Jahre sind aber auch bleibende entstanden, die nach wie vor das Bild der Andräkirche prägen. Darunter sind auffälligere wie die komplett leer gebliebene Altarnische in einem Seitenaltar, die im krassen Gegensatz zur grellorangen Raumzeichnung von Otto Zitko steht, die mit ihrem Wirrwarr an Linien das Bild eines brennenden Dornbusch vor dem inneren Auge erzeugt. Aber auch unauffälligere wie eine von Markus Wilfling installierte Kinderschaukel, die, eingefroren in ihrer sonst so monotonen Bewegung, hoch oben von der Decke hängt und unweigerlich längst verblasste Kindheitserinnerungen hervorruft.

Besonderer Blickfang sind jedoch die Fenster, die nach und nach, in einem Abstand von neun Jahren, ausgetauscht wurden und von denen keines dem anderen gleicht. Ein vollkommen in Magenta gehaltenes Fenster beispielsweise taucht auch untertags die Kirche in Abendstimmung (Künstlerin: Flora Neuwirth), während gegenüber ein energisch ausschreitender Mann mit Schweinekopf die Fläche einnimmt (Künstler: Gustav Troger).

Seit 2011 schmücken 50 verschiedenste Begriffe die Fassade – Foto: Constanze Seidl

Alois Kölbl als neuer Seelsorger

Hermann Glettler wurde nun im Herbst 2017 als Bischof nach Innsbruck bestellt, die Stelle als Pfarrer der Kirche Sankt Andrä somit frei. Als Nachfolger ist seit September 2017 Alois Kölbl tätig, der unter anderem auch als Hochschulseelsorger der Katholischen Hochschulgemeinde wirkt. „In der Leitung hat sich nun etwas geändert”, sagt Kölbl. „Es gibt nicht mehr nur einen Pfarrer sondern wir sind ein Dreierteam: der Pastoralassistent, der ehrenamtliche Leiter des Wirtschaftsrates der Pfarre Karlau und ich, als Seelsorger, leiten gemeinsam die Pfarre.“

Kölbl hat selber Kunstgeschichte studiert und ist auch als Lehrbeauftragter für Christliche Kunst an der Karl-Franzens-Universität in Graz tätig. Außerdem kuratiert er die QL-Galerie der Katholischen Hochschulgemeinde und des Afro-Asiatischen Institutes. Ausschlaggebend für die Übernahme der Pfarre durch Kölbl war allerdings nicht das Kunst-Studium sondern vielmehr der aktuell herrschende Priestermangel: „Der Herr Generalvikar (Kan. Dr. Mag. Erich Linhart, Anm.) hat mich schon vor einiger Zeit gefragt, ob ich die Kirche übernehmen würde. Da habe ich abgelehnt, weil ich vollkommen ausgelastet und der Meinung war, dass das der Pfarre nicht zumutbar ist. Dann wurde nach einer anderen Lösung gesucht, das hat leider nicht funktioniert und somit bin doch ich hierher gekommen.“

Alois Kölbl, der neue Seelsorger der Pfarre Sankt Andrä – Foto: Constanze Seidl

Die Zukunft der Kunst

Bei einem Rundgang durch die Kirche und beim aufmerksamen Studium der beschreibenden Texte der Kunstwerke wird klar: In den letzten Jahren ist an dauerhaften Kunstwerken nichts mehr Neues dazu gekommen, die letzten Installationen stammen aus dem Jahr 2013. Dass das Projekt tatsächlich schon eher einen Abschluss gefunden hat, bestätigt auch Kölbl, der mit Hermann Glettler mehrere Jahre zusammen in der Kunstkommission der Diözese Graz-Seckau tätig war und nun deren Vorsitz inne hat.

„Wie es nun wirklich weitergeht, darüber kann ich jetzt noch nicht viel sagen. Ich gehe davon aus dass wir an temporären Projekten schon noch einiges machen werden, aber so wie ich die Kirche Sankt Andrä jetzt wahrnehme, würde ich nichts sehen, das hier an zeitgenössischen Interventionen noch fehlt“, sagt Kölbl. Die Kirche Sankt Andrä wird dennoch sicher ein Kunstort bleiben, gibt es im Jahreslauf doch fast schon die Tradition, zu bestimmten Tagen und liturgischen Feiern, KünstlerInnen einzuladen. Das Fastentuch in der Fastenzeit wird beispielsweise jedes Jahr neu gestaltet und auch bei der Langen Nacht der Kirchen wirken Künstlerinnen und Künstler mit. „Kirche hat es nie ohne Kunst, in welcher Form auch immer, gegeben und das ist gut so. Pfarrer Glettler hat Kunst als eine Möglichkeit gesehen, mit der Zeit an und für sich ins Gespräch zu kommen, um mit den Mitteln der Kunst ein Sensorium für das Zeitgeschehen zu entwickeln. Das ist auch für mich eine sehr wichtige Dimension. Gefällige Kunst ist für mich nicht gute Kunst, Kunst mutet immer etwas zu.”

In der Andrä Kirche trifft zeitgenössische Kunst auf sakralen Raum – Foto: Constanze Seidl

Gegenstimmen

Auch in Sankt Andrä haben die Installationen und Interventionen immer wieder zu Diskussionen innerhalb der Pfarrgemeinschaft geführt. „Natürlich sind nicht immer alle einverstanden. Es gab Menschen, die haben die Feiergemeinde verlassen, und ich habe auch jetzt schon Gespräche mit Personen geführt, die gesagt haben, sie hoffen, dass ich die ganze Kunst wieder entfernen lasse.“ Der entscheidende Punkt, meint Alois Kölbl, ist in diesem Fall, dass die Kirche im Stadtgebiet liegt, und es somit durchaus Ausweichmöglichkeiten für Menschen gibt, die in einem solchen Umfeld nicht beten und die Liturgie feiern wollen. „Man muss aber tatsächlich aufpassen. Eine Kirche ist kein Museum, eine Kirche ist ein benützter Ort, ein Ort für Alle, und da gilt es auch, auf die Bedürfnisse aller Rücksicht zu nehmen.“

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