• PONTIFEX_NavaridasDeutinger_©Kati-Goettfried_2-1.jpg
    Foto: Kati Goettfried
  • PONTIFEX_NavaridasDeutinger_©Bernhard-Mueller_2.jpg
    Foto: Bernhard Mueller
  • PONTIFEX_NavaridasDeutinger_©Bernhard-Mueller_8.jpg
    Foto: Bernhard Mueller
  • PONTIFEX_NavaridasDeutinger_©Kati-Goettfried_4.jpg
    Foto: Kati Goettfried
Lesezeit: 2 Minuten, 51 Sekunden

Pontifex: Kirchgang und Theaterbesuch

in KULTUR von

Die Dunkelheit im Raum wird langsam aufgebrochen. Strich für Strich entstehen auf der Bühnen-Leinwand purpurfarbene Umrisse. Die Gestalt eines katholischen Geistlichen in einem bodenlangen Gewand. Leicht nach vorne gebeugt, als ob das Kreuz, das um ihren Hals hängt, sie nach unten zieht. Die Arme zu beiden Seiten ausgestreckt, das Publikum willkommen heißend.

Es gibt unbestreitbare Gemeinsamkeiten zwischen dem abendlichen Theaterbesuch und dem sonntäglichen Kirchgang: Wer sich darauf einlässt, dem wird Erhebendes geboten und – so ist es zumindest vorgesehen – eine Botschaft vermittelt. Wer nichts mit dem Vorgetragenen anzufangen weiß, der wird sich sowohl im Schauspiel- als auch im Gotteshaus langweilen. Und frühzeitig zu gehen, ist an beiden Orten gleichermaßen unangenehm. Zudem hat man für das Erlebnis bezahlt – im Theater früher und ganz offensichtlich, im Gotteshaus später und auf subtilere Art und Weise.

Die Augen mit voller Aufmerksamkeit auf die Zeichnungen gerichtet, die Marta Navaridas mittels Tablet-Malerei auf die Leinwand projiziert, entgeht den Ohren beinahe, dass Musik die leise rauschende Stille im Saal verdrängt. Erst der Sprechgesang einer Männerstimme lenkt den Blick dorthin, wo die Ohren bereits sind – auf die drei ProtagonistInnen, die inmitten der Bühne sitzen: „Europe, what has happened to you?“ – Alexander Deutinger wirft eine Frage auf, die man nicht zwingend dem Vorbild des gemalten Geistlichen zuordnet.

Mit Rhythmen unterlegt und in die Gestalt eines Rap-Songs gehüllt, wurde sie von 31. August bis 2. September im Kristallwerk in Gösting gestellt. Das Grazer Künstler-Duo Marta Navaridas und Alexander Deutinger kam mit „Pontifex“ in ihre Heimatstadt, nachdem das englischsprachige Stück zuvor auf dem Sommerszene Festival in Salzburg und dem Impulstanz Festival in Wien gespielt wurde. Wohl unabhängig vom Ort der Aufführung ist die Performance dort am stärksten, wo Gesang und Musik, Tanz und Visualisierungen zu einem großen Gesamtbild verschmelzen. Woran nicht zuletzt die Musikerin Adina Camhy – mit schlicht schönen bis lärmend schrägen Klängen – ihren Anteil hat.

Mehrfach preisgekrönt und weltweit anerkannt, mit Gastspielen u. a. in New York, Madrid und Venedig, wurden Navaridas & Deutinger im Jahr 2010 auch in der Steiermark mit dem „BestOFFstyria Prize“ ausgezeichnet, dessen Nachfolgeformat „NewsOFFstyria“ am 12. September im Grazer Roseggerhof startet. Ihre aktuelle Produktion, die thematische Reihe „Iconic Rhetorics“ setzt sich mit ikonenhaften Figuren und SympathieträgerInnen des 20. und 21. Jahrhunderts auseinander. Nach den Arbeiten „Your Majesties“ über Barack Obama und „Queen of Hearts“ über Lady Diana, steht in „Pontifex“ die mediale Inszenierung von Papst Franziskus im Fokus des Werkes: Ist das katholische Kirchenoberhaupt ein „Superheld-Pop-Papst-Politiker“? Ein „neuer linker Hoffnungsträger“? Oder doch eine „konservative Marionette“?

Auf jeden Fall ist der Pontifex der eigentliche Urheber der Frage: „Was ist mit dir los, Europa?“ Er stellte sie 2016 im Zuge seiner Dankesrede bei der Verleihung des Karlspreises der Stadt Aachen – „für Verdienste um Europa und die europäische Einigung“ – im Vatikan. Franziskus I. verglich Europa dabei mit einer „müden und gealterten Großmutter“ und sehnte sich nach dem „humanistischen Europa, der Verfechterin der Menschenrechte, der Demokratie und der Freiheit“. Navaridas & Deutinger dienen Papst Franziskus‘ Ansprachen als Grundlage für ihre Produktion „Pontifex“, einen Mix aus Live-Konzert und Spoken-Word-Performance – inklusive unterhaltsamen „Paint-Malereien“ für Fortgeschrittene auf der Großleinwand.

Während das bunte Gekritzel – dem entstandenen Bedürfnis zum Trotz – Marta Navaridas vorbehalten bleibt, darf sich das Publikum zumindest an einer Spendensammlung á la Klingelbeutel beteiligen. Und wie der Kirchenbesucher, weiß auch jener der „Pontifex“-Vorstellung, dass er damit dem finalen Segen schon ein ganzes Stück näher ist. Am Ende des Abends schließlich, ist der Inhalt des „Fischernetz-Klingelbeutels“ ein Sinnbild für die schrille Vorstellung: Eine unentschlossene Mischung aus leeren Bierflaschen, Geldscheinen, einer Sonnenbrille und Kopfschmerztabletten. Und damit werden die Unterschiede zwischen Theaterbesuch und Kirchgang – in der Vielfalt des Inhaltes – doch eindeutig erkennbar.

 

INFO: theaterland steiermark veranstaltet von 12. bis 16. September 2017 die erste Grazer Premieren-Woche der Freien Theater. newsOFFstyria ist das Nachfolgeformat von bestOFFstyria und erforscht innovative Tendenzen der darstellende Künste, indem es verschiedenartige Theaterformen zeigt.

Teil der Veranstaltung sind die Produktionen: „LETZTE WEIHNACHTEN, EIN TOTENTANZ“ von Gruppe DAGMAR, „DIE ALEX IDENTITÄT“ von zweite liga für kunst und kultur, „NEWSOFFAKTIONSTAG“ von Das Andere Theater, „MAGIC HOUR TIME MACHINE“ von Das Planeten Partyprinzip, „FULL HOUSE“ von ELECTRICO 28 und „PRESSURES OF THE HEART“ von Lederhaas/Fernandez. 

Klettert auf Berge und fährt sie auf Skiern runter. Bewegt sich im Alltag mittels Fahrrad fort und ist Koch aus Leidenschaft.

Loading Facebook Comments ...

Schreibe einen Kommentar

Your email address will not be published.

*

16 + 5 =

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.

Das letzte von

Gehe zu Nach oben