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Hip Hop im Annenviertel: Die All AUT Fe.Males im Gespräch

in VIERTEL(ER)LEBEN von

Tanz, Musik und Straßenkunst: Hip Hop ist in Graz in all seinen Facetten ausgeprägt. Vier Tänzerinnen des Projekts „All Aut Fe.Males
“ erzählen von Beats, Battles und einem Paralleluniversum inmitten des Annenviertels.

All Aut Fe.Males: Mehr als eine Frauenbewegung und mehr als nur Hip Hop. Fotos: Samira Frauwallner

In den Siebzigern, tausende Kilometer vom Annenviertel entfernt, entfaltete sich in der New Yorker Bronx eine schroffe Kultur: Zwischen heruntergekommenen Vierteln, Armut und Einwanderern schlich sich etwas in die Herzen der dort lebenden Menschen: Beats. Eine Lösung für Gewalt und innere Zerrissenheit. Durch den Cross-Bronx-Highway von der Stadt abgeschnitten, entwickelte sich unter den ärmeren Schichten der Viertel eine Szene zwischen Häuserblockpartys, Plattenspielern und improvisierten Tanzflächen. Die „Battle-Kultur“ verwandelte ehemalige Schläger und kriminelle Gang-Mitglieder in DJs, Sprayer, Rapper und Tänzer. Der Hip Hop war geboren.

Rosa „Sora“ Perl, Katja Schliefsteiner, Joana Hörmann aka „JoFlow“ und  Stefanie „Hafi“ Hafner  in Vertretung einer zwanzigköpfigen Hip Hop-Crew. Foto: Samira Frauwallner

Mehr als vierzig Jahre später, an einem brütendheißen Juli-Nachmittag, trafen sich vier Grazer Tänzerinnen der All Aut Fe.Males mit der Annenpost. Sie sind Teil einer Bewegung, die es seit mittlerweile einem Jahr gibt. Joana Hörmann wollte Frauen in der österreichischen Hip Hop-Szene unterstützen und zusammenbringen. Auf dem Tisch klappern Tassen, eine Sirene zerschneidet die Kaffeehausatmosphäre. Die Freundinnen sprechen währenddessen von einem Genre, das näher am Viertel ist, als man es vermuten würde. 

Annenpost: Wofür steht All AUT Fe.Males?

Joana: AUT steht für Austria, die beiden Spitzen im Logo für die Berge. Das Fe.Males mit Punkt soll unterstreichen, dass wir Frauen in dieser Kultur trotzdem einen männlichen Part in uns tragen. Wir wollen keine Feminismus-Bewegung sein. Aber wir sind stolz darauf, uns gefunden zu haben und uns als Frauen im Tanz gegenseitig zu bestärken.

Warum Hip Hop, eine amerikanische Kultur, in Österreich?

Joana: Hip Hop ist zunächst ein generelles Gefühl der Einheit – „Unity“. Es wirkt ortsunabhängig ansteckend. Die gemeinsame Liebe zur Musik und zum Tanz ist wie ein Paralleluniversum – dabei zählt es nicht, woher du bist, was du tanzt, woher es kommt. Viele hier können sich mit der Kultur des Hip Hop – „Peace, Love, Unity“ – identifizieren.

Von links oben nach rechts unten: Stefanie ist bekannt für Zeitgenössischen Tanz. Joana, mehrfache Hip Hop-Formation-Meisterin und tanzt bereits ihr Leben lang – Rosa erst seit vier Jahren. Katja besucht im nächsten Jahr die ÅSA Dance School in Schweden. Fotos: Samira Frauwallner

„Hier“ – Bietet 8020 sich an, um Hip Hop zu tanzen?

Joana: Unsere Gruppe sucht nicht unbedingt nach „normalen“ Menschen. Künstlerviertel wie das Annenviertel sind daher für den Hip Hop und das, was wir machen, ideal. Im Viertel leben Musik, Tanz, Malerei und Kunstkaffees nebeneinander – hier stimmt die Energie.

Joana, du hast das Projekt vor mehr als einem Jahr gegründet und sagst, am wichtigsten sei dabei das Talent, Dinge ohne Scheuklappen zu sehen. Suchst und entdeckst du Tänzerinnen bewusst?

Joana: Ich gehe viel nach Bauchgefühl, nicht nur nach Skills, also dem, was die Person draufhat. Es muss auch energetisch passen in der Gruppe. Da ist es wichtig, dass man sich ein bisschen in andere Menschen reinfühlen kann.

Zuletzt sah man euch öffentlich – außerhalb interner Battles – beim Lendwirbel. Es wirkte sehr intim. Was hat man als ZuschauerIn dort gesehen?

Joana: Die Verbundenheit im Tanz, ein gegenseitiges „Connecten“ – was für uns komplett normal ist, aber für andere Leute oft sogar einschüchternd, weil wir so auf uns konzentriert sind. Unsere Gruppendynamik ist elektrisierend.

Rosa: Wenn du in der Gruppe bist, checkst du es eigentlich gar nicht. Das ist die Energie unter uns Frauen – bestimmt wirkt das auf Außenstehende manchmal „flashig“.

Stefanie: Wenn wir beispielsweise zusammen fortgehen…

Was passiert da? Werdet ihr beobachtet?

Stefanie: Meistens gehen wir eh auf die Bühne hinauf. Normal tanzen können wir ja nicht (lacht). Ich tanze aber auch gerne direkt auf dem Boden. Ich bin ein „erdiger“ Mensch. Diese Bodentechnik kommt von meiner Ausbildung in Zeitgenössischem Tanz.

Joana: Es ist uns aber egal, wenn wir beobachtet werden. Es ist so intensiv, dass wir alles rundherum vergessen.

Tanzt ihr lieber nur für euch selbst?

Rosa: Man muss nicht immer allein sein, damit man in sich gekehrt tanzen kann.

Joana: Ich brauche es manchmal nach der Arbeit, um meinen Kopf wieder frei zu bekommen. Als eine Art Ventil. Manchmal auch im Urlaub. Wenn es sich zu lange aufstaut, brauche ich Zeit für mich selbst und sage: „So, es tut mir leid, aber ich muss jetzt kurz auszucken.“


Video: Samira Frauwallner

Ihr kommt aus verschiedenen Bundesländern: Wien, Tirol, Salzburg, Vorarlberg und der Steiermark. Was zeichnet euch als Bewegung aus, wofür steht ihr?

Stefanie: Vielfältigkeit. Wir sind so unterschiedliche Persönlichkeiten. Bei uns sind zahlreiche Bewegungsqualitäten und Tanzrichtungen vertreten.

Joana: Das ist eindeutig das Interessanteste an uns. Wir können uns gegenseitig inspirieren, so viel Verschiedenes zeigen. Es ist uns nicht vorrangig wichtig, dass wir alle „nur“ Hip Hop tanzen.

Wie würdet ihr euer Körpergefühl beschreiben? Wie fühlt ihr euch, wenn ihr tanzt?

Joana: Es ist eine Mischung aus Freiheit und dem Bedürfnis, seinen Körper kontrollieren zu können. Freiheit, nicht mehr nachdenken zu müssen, welche Schritte du abrufst.

Rosa: Wenn du einen Beat hörst, wenn du dich bewegst – es ist die Extremität, das Pulsieren, das die Musik dir gibt.

Katja: Du verschmilzt quasi mit der Musik. Das macht etwas mit dir. Es verändert dich und deinen Alltag. Eigentlich dein ganzes Leben.

Wie lebt es sich als Tänzerin?

Stefanie: Es sind alles Berufe, die kontinuierlich kein Geld bringen. Man muss einen Mittelweg finden zwischen dem Unterrichten und den Projekten, die als Tänzerin reinkommen. Wenn du allerdings nicht nur vom Tänzerdasein lebst, freust du dich ohne Stress und Geldsorgen mehr auf die Bühne, glaube ich.

Joana: Es gibt genug Leute, die sich wegen des Geldes verändert haben. Weil es um das Überleben geht, was kein schönes Gefühl ist. Du musst dann immer zeigen, dass du da bist. Einfach nur einem Hobby nachgehen zu können, ist hingegen befreiender und schöner.

 

Das Logo der Crew. Quelle: and8.dance

(Geheimtipps der All Aut Fe.Males!)
14.-16.Juli:  Jam, Battle & Party in Innsbruck
17.-23. August: Summer Dance forever in AMsterdam
21.-26. August: Dynamic Dance Camp Kärnten
7.Oktober: Flavourama Battle Salzburg
16./17. September: Großes All Aut Fe.Males annual meeting in Graz
2. Dezember: B the Beat Battle in Graz!

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