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„Bäume haben uns so viel zu erzählen“

in VIERTEL(ER)LEBEN von

Gartenschere und Spaten gebraucht sie als Pinsel, ihre Rosen übernehmen die Rolle der Farben und der Garten selbst dient als unendlich große Leinwand für ihre Kunstwerke. Christine Fischer malt mit Pflanzen. Im Interview spricht sie über das Brechen von Regeln, über die Zeit, in der sie alles aufgeben wollte und über die Kraft der Bäume.

Zu ihrem alten Kirschbaum hat Christine Fischer einen besonderen Bezug. Foto: Laura Reibenschuh

Auf rund 7.000 Quadratmetern strecken sich mir meterhohe Rosenstöcke entgegen, über und über mit Blüten bedeckt. 250 verschiedene Rosensorten, wie Christine Fischer mir später erzählt, erstrahlen Anfang Juni rund zwei Wochen lang in ihrer vollen Pracht. Die Äste der Pflanzen ranken an der hölzernen Fassade des alten Bauernhauses entlang und integrieren es in das Gesamtbild des verwunschenen Gartens in Edelsgrub. Hausherrin Christine Fischer öffnet die Tür und begrüßt mich in ihrem Meer aus Blumen.

Annenpost: Sie sind eigentlich Juristin. Was finden Sie im Garten, was Sie in den Paragrafen nicht finden?
Fischer: Alles was die Natur macht, ist wichtig im Leben. Jedes Jahr nach dem Winter ist alles total dürr, nichts ist grün. Doch dann erholen sich die Pflanzen wieder und im Frühjahr fängt alles zu wachsen an. Das Recht gehört auch zum Leben dazu, aber der Kreislauf der Natur ist, was mich fasziniert.

Was machen Sie im Winter, wenn Ihr Garten dürr und blütenlos ist?
Im Winter plane ich. Jeden Tag sehe ich meine Bücher und Zeitschriften durch. Dabei kommen mir neue Ideen, die ich umsetzen möchte. Heuer habe ich beispielsweise das Hühnergehege neu gestaltet. Das muss auch in das Bild des Gartens passen. Es ist ein kleines Häuschen aus altem Holz und alten Ziegeln mit einem Staketenzaun davor, damit Rosen daran entlang ranken können. Für mich ist das Gehege eine wunderbare Ausrede noch mehr Rosen zu setzen. Garten heißt nicht nur Pflanzen, sondern auch Gebäude, Sitzplätze, Steine.

Und jetzt auch Hühner.
Genau!

Claude Monets Garten in der Normandie ist eine Ihrer größten Inspirationsquellen. Monet sagte einmal: „Nie, nicht einmal als Kind, habe ich mich an Regeln gehalten.“ Trifft das auch auf Sie und Ihren Garten zu?
Ich finde, in einem Garten gibt es keine Regeln. Die Pflanze gibt natürlich gewisse Regeln vor, man muss ihre Bedürfnisse beachten. Rosen sollte man beispielsweise nie neben Rhododendren setzen. Doch sogar diese Regel habe ich schon gebrochen und es hat funktioniert. In Gärten werden immer wieder bestimmte Gestaltungselemente aufgegriffen. Typisch ist zum Beispiel eine Reihe Buchskugeln. Das gibt es in meinem Garten nicht, denn ich pflanze alles wild durcheinander. Claude Monet hat das in seinem Garten auch so gemacht. Er hat auch sehr mit den Farben gespielt, nicht nur auf seinen Bildern, sondern auch in seinem Garten.

Sehen Sie sich eher als Künstlerin oder als Gärtnerin?
Beides. Zuerst bin ich Gärtnerin, indem ich pflanze und die Pflanzen hege und schütze. Gleichzeitig bin ich aber auch Künstlerin, weil ich mir im Kopf Gartenbilder vorstelle. In jedem dieser kleinen Bilder ist ein Farbschema dominant. Ich entscheide mich zum Beispiel für die Komplementärfarben blau, lila und orange. In diesem Bereich setze ich dann orangen Mohn, dahinter lila Clematis, dazu blaue Jungfer im Grünen. Wenn es mir gelingt, dass ich das Bild aus meinem Kopf im Garten umsetze, bin ich als Künstlerin stolz.

Bei ihrem Rosenfest Anfang Juni ist Fischers Garten für Besucher geöffnet. Foto: Laura Reibenschuh

Anlässlich des Valentinstages werden in Österreich jedes Jahr Millionen von Rosen verkauft. Was halten Sie davon?
Diese Rosen sind nicht meine Rosen. Die Rosen, die man am Valentinstag verschenkt, sind hochgezüchtete Edelrosen mit langem Stängel und oben einer Blüte, die meist nicht einmal duftet. Das kann man mit meinen Rosen, mit den alten Rosensorten, nicht vergleichen. Wenn die Rosen in meinem Garten blühen, ist das ein unvorstellbarer Duftrausch. Für mich muss eine Rose zumindest ein Strauch sein, oder eine wilde Kletterrose. Das ganze Gewächs muss etwas darstellen. Genau das tun diese Rosen aber nicht.

Die Rose gilt als „Königin der Blumen“. Was macht ihren Reiz aus?
Ich glaube, dass sie auf der einen Seite ein sehr stacheliges, eher abweisendes Gewächs ist und auf der anderen Seite diese traumhaften Blüten hat. Viele der alten Sorten haben zum Beispiel Triebe, die unheimlich malerisch überhängen. Sie blühen zwar nur einmal im Jahr, aber wenn sie blühen, sind sie eine Wucht. Dann kommt noch der Duft dazu: die einen riechen eher fruchtig, die anderen wieder blumig. Sie unterscheiden sich auch in der Blütenform extrem. Die Rose hat außerdem eine unheimlich große Farbpalette, die von Weiß bis zu einem dunklen Magenta reicht. Diese Vielfalt macht eigentlich die Faszination aus.

Vor zwei Jahren ist Ihr Mann, der Sie im Garten sehr unterstützt hat, plötzlich verstorben. Hat sich nach diesem Schicksalsschlag in Bezug auf den Rosengarten etwas geändert?
In der ersten Zeit wollte ich total aufhören. Ich habe schon beschlossen den Garten aufzugeben. Nicht, dass ich es alleine nicht schaffe, was die Arbeit anbelangt, aber er hat mich immer irrsinnig unterstützt. Er war immer da.

Hat Ihnen der Garten, gerade aus diesem Grund, wieder neue Kraft verliehen?
Ja. Immer schon, seit wir zusammen sind, hatten wir ein Faible für alte Dinge. Zuerst haben wir alte Möbel zusammen hergerichtet, dann das Bauernhaus, als wir es übernommen haben. Der Garten war etwas Gemeinsames von uns. Aus diesem Grund ist er für mich zur Lebensaufgabe geworden.

Der Garten gehört sozusagen zur Familie. Um ein Klischee zu bedienen: Sprechen Sie manchmal heimlich mit Ihren Pflanzen?
Oh ja! Ich habe einen besonderen Bezug zu den alten Bäumen in unserem Garten. Zum Mammutbaum oder zum alten Kirschbaum gehe ich öfters hin und umarme sie. Da hat man das Gefühl, es ist eine Schwingung da. Das gibt mir Kraft. Es ist faszinierend für mich, was alte Bäume alles erlebt haben, wie viele Menschenleben sie schon überdauert haben. Die hätten wahnsinnig viel erzählen, wenn sie könnten.

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Wenn sie ihre Nase nicht gerade hinter einem Buch versteckt, steht sie wahrscheinlich in der Küche und bäckt Cupcakes. Ansonsten ist sie ist immer auf der Suche nach dem Neuen und Schönen - egal ob in den Regenwäldern von Panama oder den Gassen von Graz. Ihr Merkmal: Flechtfrisuren.

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