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„Was uns als Menschen ausmacht“

in VIERTEL(ER)LEBEN von
Welche Funktion Liebe in unserem Leben haben kann und wie es sich anfühlt, 50 Jahre glücklich verheiratet zu sein, erzählen Ulrike und Klaus Kreinig im Gespräch.
Klaus und Uli in ihrem Wohnzimmer. Foto: Katrin Blaß

Auf dem Türschild steht in fein säuberlicher Schrift „Ulrike u. Klaus Kreinig“. Während ich mich noch nicht festlegen kann, ob ich die schöne Schrift der ehemaligen Lehrerin oder eher dem Hobby-Maler und -Schriftsteller zuordnen soll, öffnet sich auch schon die Tür zu der im dritten Stock gelegenen Wohnung. Nach einer netten Begrüßung gelangen wir durch einen schmalen, von hunderten Büchern gesäumten Flur in das Wohnzimmer. Es ist eine dieser Wohnungen, in denen man sich auch schon beim ersten Betreten wie zuhause fühlt. Eben genau so, wie man das pensionierte Ehepaar aufgrund ihrer sympathischen Art von Anfang an ins Herz schließen möchte.

„Das ist schon eine ganz besondere Geschichte!“, sagt Uli schmunzelnd auf meine Frage, wie sich die beiden kennengelernt haben, während ihr Mann Klaus Tee in ihre blau melierte Tasse gießt. Er lehnt sich zurück und beginnt zu erzählen. Mit 22 Jahren kommt der gebürtige Kärntner ins bayerische Neu-Ulm um seine Ausbildung bei der Firma Bosch fortzuführen. Als ihn dort einer seiner neuen Arbeitskollegen, Ulis Bruder, zum Mittagessen ins Haus der Familie einlädt, begegnete er zum ersten Mal seiner zukünftigen Frau.

16 D-Mark Schulden
Während Klaus davon erzählt, dass er schon damals wusste, dass er die ideale Frau gefunden hat, schweift mein Blick immer wieder zu Uli. Mit höchster Aufmerksamkeit hört sie zu, wie ihr Ehemann diese Geschichte, die sie ja selbst erlebt und bestimmt schon viele Male gehört hat, erzählt. „Ja, und eines Abends im Spätsommer haben wir uns nach dem Theater noch in einen Gastgarten gesetzt. Ich hatte die Ringe eingesteckt, für die ich beim Juwelier 16 D-Mark Schulden aufschreiben ließ, weil mein Lehrlingsgeld nicht ganz ausreichte. Als wir so in dem Gastgarten saßen, fragte ich das Fräulein Heidermann – wir waren ja damals noch per Sie – was sie sich denn wirklich wünscht?“ Der 72-Jährige hält kurz inne, blickt seine Frau an, und lässt sie antworten: „Naja, und ich sagte daraufhin, dass ich jetzt gerade gern ein Bier hätte!“ Daraufhin schob er ihr die kleine Schachtel mit den Ringen zu. Dass der Ring genau die richtige Passform hatte, überraschte Uli damals nicht, denn wenn Klaus etwas macht, ist es „immer so gut durchdacht“.

Klaus zeigt sein Lieblings-Hochzeitsfoto. Foto: Katrin Blaß

Nach der Hochzeit wollten die beiden ihre Abenteuer- und Reiselust ausleben und verbrachten mit ihren zwei kleinen Kindern mehrere Jahre in Afrika. Nach ihrer Rückkehr nach Europa waren Uli und Klaus als selbstständige Unternehmer in Österreich, Slowenien und Kroatien tätig, bevor es sie dann vor fünf Jahren nach Graz verschlug.

Etliche gemeinsame Abenteuer und 50 Ehejahren später passen der Ring sowie die Beziehung offenbar immer noch, denn in diesem Jahr feiern die beiden ihre goldene Hochzeit. Auf die Frage, was denn nun zu so einer langen und guten Ehe führt, ist sich das Paar einig: Respekt und Verständnis für einander seien die wichtigsten Zutaten für eine glückliche Beziehung.

Ein Leben lang
„Egal wie ähnlich oder unterschiedlich unsere Interessen, Wünsche und Lebensvorstellungen auch waren, wir haben immer wieder einen Konsens gesucht und gefunden. Wir haben uns ein Leben lang immer aufeinander verlassen können“, erzählt Uli. Vielleicht ist genau dieses Vertrauen dafür verantwortlich, dass die beiden aus ihrer Beziehung von Anfang an so viel Energie schöpfen konnten. Schon in jungen Jahren versuchte das Ehepaar, Mitmenschen, die Hilfe brauchten, unter die Arme zu greifen. Als dann der gemeinsame Sohn im Alter von 25 Jahren bei einem Tauchunfall ums Leben kommt, entwickelte sich das Bedürfnis, sich noch intensiver um andere Menschen zu kümmern. „Ein Trauerfall wie dieser kann eine Familie kaputt machen. Aber uns hat es nicht kaputt gemacht. Wir haben versucht, daraus etwas zu machen, und begonnen, uns um die Schicksale von anderen jungen Menschen zu kümmern, weil wir ja wussten, wie schnell ein Leben vorbei sein kann!“, sagt die ehemalige Lehrerin und spätere Unternehmerin.

Uli mit ihrem fee-Award. Foto: Katrin Blaß

Dass es dem Paar dabei weder an Motivation noch an Kreativität mangelt, zeigt sich an der Vielfältigkeit der initiierten Projekte. Im Grazer Volksgarten riefen sie zum Beispiel den nun jährlich stattfindenden Adventmarkt „Tannenduft und Engelshaar“ ins Leben. Ziel des ersten Charity-Marktes war es, Jugendlichen aus finanziell schwächeren Familien einen einfachen Zugang zu Mannschaftssport zu ermöglichen. Im Sommer vor zwei Jahren fand dann das erste Mal der „Oma Uli Cup“ – so nennen die Jugendlichen das Streetsoccer-Turnier – statt. Des Weiteren versucht das Ehepaar bereits seit drei Jahren Familien mit Migrationshintergrund beim Deutschlernen zu unterstützen. Das Wichtigste sei, dass man „die Augen offen hält, nicht an seinen Mitmenschen vorbeigeht und einfach mal mit den Leuten spricht“, weiß Klaus aus eigener Erfahrung. Regelmäßig veranstaltet er Diskussionsrunden, bei denen gemeinsam Zeitung gelesen und über Gott und die Welt geplaudert wird. Frau Kreinig widmet sich währenddessen bereits einem neuen Projekt. Seit Jahresanfang steht sie jeden Freitagnachmittag zusammen mit einem Sozialbetreuer in der Grazer St. Andrä Schule an der Tafel und gibt leseschwächeren SchülerInnen mit Migrationshintergrund Nachhilfe in Deutsch. Aufgrund ihres Engagements wurde Uli von der Stadt Graz heuer schon mit dem “fee-Award“ – das steht für „freiwillig, ehrenamtlich, engagiert“ – ausgezeichnet.

„Mann kann absolut sagen: Unsere Liebe zueinander gibt uns Kraft für die Liebe für andere Menschen!“, resümiert Uli am Ende des Gesprächs. Und Klaus ergänzt: „Das ist es doch, was uns als Menschen ausmacht. Einfach andere Leute gern zu haben. Anders würde das Leben nicht funktionieren.“

Geht gerne Klettern, Skifahren und auf Parties. Mag gutes Essen und roten Wein. Doch am Liebsten mag sie Chris und Dogstar Lea. Lebt nach dem Motto: Collect memories not things! Findet Graz gut.

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