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In den Müll mit der Wegwerfgesellschaft

in VIERTEL(ER)LEBEN von
„Reparieren statt Wegwerfen“ ist das Motto des Repair Café Teams. Bereits zum 22. Mal wurde in Graz geschraubt, geklebt, gelötet, genäht und geplaudert.

„Bück dich, damit du dir den Kopf nicht stoßt.“ Foto: Ramona Arzberger

Johann schraubt an Lisas Kaffeemaschine. Das Rückschlagventil, ein Teil der Pumpe, ist kaputt. Johann ist gelernter Elektrotechniker, hat sein Hobby zum Beruf gemacht und ist beim 22. Repair Café am Lendkai 45 zum ersten Mal dabei. „Ich find’s nicht gut, dass die Leute gute Dinge wegen Kleinigkeiten wegwerfen“, sagt er. „Ich mache das gerne hier und kann so auch etwas gegen diese Gesellschaft tun.“

Im April 2013 gründete Andreas Höfler gemeinsam mit Dietmar Hafner das Repair Café in Graz. Gefunden und entschlossen, das Projekt zu verwirklichen, haben sich die beiden Hobbywerker beim Grazer BarCamp. Die Idee zum Café hatten sie aus Deutschland und den Niederlanden.

Das Konzept des Repair Cafés ist einfach und hat sich erfolgreich etabliert. Seit unserem letzten Gespräch mit dem Repair Café Graz im Oktober 2014 sind viele weitere Cafés in der Steiermark und noch mehr in ganz Österreich entstanden. Jede und jeder kann kaputte Gegenstände hinbringen. Gemeinsam und mit Unterstützung eines kompetenten Teams wir dann die Reparatur versucht. Nur für die verbrauchten Materialien muss man bezahlen, Werkzeug und Unterstützung sind kostenlos, können jedoch mit ein wenig Trinkgeld entlohnt werden. Die Räumlichkeiten in Graz werden vom Verein Traumwerk und dem Freiraum Projekt-Spektral zur Verfügung gestellt, die sich Erdgeschoss und Keller am Lendkai teilen. Eine Voraussetzung gibt es jedoch: Die zu reparierenden Dinge müssen alleine in das Café getragen werden können. Das Grazer Repair Café ist besonders auf Haushaltsgegenstände und elektronische Geräte spezialisiert.

Neben dem Repair Café leitet Gründer Andreas weitere Workshops im Traumwerk. Foto: Repair Café Graz

Alle zwei Monate organisieren Andreas Höfler und sein Kollege Valentin Gritsch das Repair Café, das bereits zum 22. Mal stattfindet. Aus anfangs etwa 25 Geräten, die bei einem Café zu reparieren versucht wurden, sind mittlerweile bis zu 150 Reparaturversuche täglich geworden. Etwas mehr als die Hälfte kann dabei auch wirklich zur Gänze repariert werden. Geschafft wird diese Leistung, mit einem Team von bis zu 17 Reparatur-Helfern, die sich im Vorhinein dafür bewerben können.

Andreas Höfler ist vor allem wichtig, Bewusstsein bei den Menschen zu schaffen. „Verschwendung und Ressourcennutzung ohne Nachhaltigkeit können nicht ewig weitergehen. Irgendwann muss man anfangen, nachhaltig zu leben und nachhaltig zu wirtschaften.“ Der Software Entwickler trägt neben dem Repair Café auch damit zu einer nachhaltigeren Gesellschaft bei, dass er selbst versucht, gebrauchte Dinge zu kaufen. „Erst vor Kurzem habe ich mir eine gebrauchte Waschmaschine gekauft, damit ein Gerät, das ansonsten weggeworfen worden wäre, noch länger im Arbeitskreislauf bleibt, und kein neues Gerät erzeugt werden muss.“

„Verschwendung und Ressourcennutzung ohne Nachhaltigkeit können nicht ewig weitergehen. Irgendwann muss man anfangen, nachhaltig zu leben und nachhaltig zu wirtschaften.“

 

Das Repair Cafe ist für viele ein Ort um Begabungen zu zeigen und die Welt zu verbessern. Foto: Ramona Arzberger

Um diese Bewusstseinsarbeit geht es auch Höflers HelferInnen. Carina, deren Hobby Nähen ist, hilft ebenfalls zum ersten Mal. Sie glaubt, dass die Leute schon eine entsprechende Überzeugung brauchen, um überhaupt ins Repair Café zu finden. „Wenn etwas repariert werden kann, das vielleicht auch noch teuer gewesen ist, verstärkt das eine gute Einstellung der Menschen.“

Indes empfiehlt Bettina, die schon seit eineinhalb Jahren TeilnehmerInnen des Cafés empfängt und ihnen das Konzept erklärt, Kaufentscheidungen viel bewusster zu treffen. „Wichtig ist, wertige Dinge zu kaufen und dabei auf Materialverarbeitung und Bewertungen anderer zu achten.“

Lust auf Kaffee? Lisas Kaffeemaschine ist wieder bereit für ein oder zwei Espresso. Foto: Ramona Arzberger

Inzwischen ist Johann fertig mit der Reparatur von Lisas Kaffeemaschine. Alles funktioniert wieder und Lisa freut sich sichtlich. „Ich selbst hätte das nicht reparieren können“, sagt sie, „deshalb find ich’s wirklich gut, dass es das Repair Café gibt“.

[infobox] Wer selbst einmal am Repair Cafe teilnehmen möchte findet genauere Infos dazu auf www.repaircafe-graz.at.
Das 23. Cafe findet am 18. März 2017 von 10:00 bis 17:00 am Lendkai 45, 8020 Graz statt. [/infobox]

Ramona mag alte Rock Songs, will die Welt entdecken, Abenteuer erleben, Philosophin sein, Musik machen und Journalistin werden.

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