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„Keine Stimme ist eine verlorene Stimme“

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Die Grazer sollten mehr mitbestimmen können! Wie Philip Pacanda, Spitzenkandidat der Piraten Partei, das erreichen möchte, hat er der Annenpost im Interview verraten.
Philip Pacanda steht der Annenpost anlässlich der Gemeinderatswahlen am 5. Februar Rede und Antwort. Foto: Magdalena Mayer

Annenpost: Was verbinden Sie persönlich mit dem Annenviertel?

Philip Pacanda: Mich persönlich eigentlich nicht viel, da ich ganz wo anders herkomme. Trotzdem beschäftigt mich das Viertel politisch schon seit vielen Jahren, vor allem die Diskussion über die Neugestaltung des Griesplatzes.

Wie stehen Sie zur Neugestaltung?

Ich bin der Meinung, dass die Neugestaltung ein offener Prozess sein sollte. Es wäre wichtig, dass die Bürger sich beteiligen können und der Platz den Bedürfnissen der Menschen, die dort arbeiten und leben, entspricht und nicht als reiner Busparkplatz dient. Es hat zwar damals geheißen, dass es einen Bürgerbeteiligungsprozess geben wird, bei der entsprechenden Veranstaltung wurde dann aber bereits die fertige Trassenführung vorgestellt. Wir würden mit diesem Projekt gerne zurück an den Start,  um dann gemeinsam mit den Bürgern eine sinnvolle Gestaltung zu erarbeiten. Unser Gedanke ist nämlich eigentlich genau das Gegenteil von dem, was jetzt geplant ist, also weniger ein Verkehrsknotenpunkt als vielmehr ein erlebbarer Platz für alle.

Laut Polizei steigt die Anzahl der Drogen- und Gewalttaten in Lend und Gries. Wie würden Sie den Menschen hier mehr Sicherheit vermitteln?

Wir sind ganz allgemein für die Abschaffung der Ordnungswache, weil sie bei Amtshandlungen nichts tun kann und sowieso die Polizei verständigen muss. Die vorhandenen Mittel sollen dann für mehr Polizei und Streetworker eingesetzt werden. Streetworker könnten feinfühliger auf die vorhandenen Probleme eingehen als die Ordnungswache, die dafür nicht ausgebildet ist. Auch verstärkte Polizeipräsenz ist uns wichtig. Die Polizei wäre selber gerne mehr auf den Straßen, wird aber durch Bürokratie häufig daran gehindert.

Die Arbeitslosigkeit im Viertel liegt über dem Grazer Durchschnitt. Wie wollen Sie neue Arbeitsplätze in Lend und Gries schaffen?

Wir möchten vor allem kleine, junge Unternehmen fördern, die oft vor großen bürokratischen und finanziellen Barrieren stehen. Also etwa durch Zurverfügungstellung einer Infrastruktur in Form von Büros oder Technik den Anfang erleichtern. Das Annenviertel ist ein kreatives Viertel, das unterstützt gehört. Wir fordern außerdem eine Leerstandserhebung, um dann in weiterer Folge feststellen zu können, ob eine Leerstandsabgabe Sinn macht oder ob man hier fördern und günstiger vermieten kann, um diese Räumlichkeiten auch langfristig zu nutzen.

In Graz ist immer wieder die Rede davon, den öffentlichen Verkehr auszubauen um den Individualverkehr, der ständig für Stau sorgt, einzuschränken. Wie wollen die Piraten dieses Problem lösen?

Einerseits wollen wir den öffentlichen Verkehr enorm ausbauen, sprich mehr Linien und die weiter hinaus, zum Beispiel nach Seiersberg. Man muss die Leute dort abfangen, wo sie auch in die Stadt hineinfahren. Des Weiteren wäre es wichtig, die öffentlichen Verkehrsmittel leistbarer zu machen. Im Moment kostet ein Stundenticket für die Bim mehr als eine Stunde mit dem Auto zu parken. Diese Änderungen würden die Menschen zum Umsteigen animieren, das wiederum den Verkehr in der Stadt beruhigen und für einen fließenden Individualverkehr sorgen. Allerdings müssen zuerst die öffentlichen Verkehrsmittel ausgebaut werden, um dann die Masse an Umsteigern bewältigen zu können. 

Wie wollen die Piraten, die für mehr Bürgerbeteiligung eintreten, die Menschen bei der vorherrschenden Politikverdrossenheit dazu bringen, sich zu engagieren?

Das Problem ist, dass die Informationen fehlen. Wenn man sich im Gemeinderat beteiligen will, scheitert man kläglich an der Suche nach Informationen. Sollte man doch etwas finden, dann sind die Texte unlesbar. Beteiligung muss einfach und schnell funktionieren, dann gibt es auch wieder mehr Interessenten. Und ganz wichtig: Wenn ich Bürgerbeteiligung verspreche, muss sie auch tatsächlich passieren, ansonsten erzeuge ich bei den Bürgern nur noch mehr Verdrossenheit.

Was sind Ihre Wahlziele?

Das Traumziel wäre, dass wir Clubstärke bekommen, das bedeutet, dass wir unsere Stimmenanzahl vom letzten Mal mehr als verzweifachen. Das realistische Ziel ist, sich von den Mandaten her zu verdoppeln, also mit 2 Mandaten in den Gemeinderat einzuziehen. Etwas Anderes, das mir noch besonders am Herzen liegt, ist eine hohe Wahlbeteiligung. Wir alle stehen da draußen bei Minusgraden an den Straßenständen und hoffen, dass sich das auch lohnt und viele Menschen sich an der Wahl beteiligen.

Warum sollte man Sie wählen, obwohl die Stimme für eine so kleine Partei eigentlich eine „verlorene Stimme“ ist, da die Piraten so gut wie keine Entscheidung beeinflussen können?

Keine Stimme ist eine verlorene Stimme. Gerade im Grazer Gemeinderat erleben wir oft, dass eine Stimme entscheidend sein kann. Ein Mandat kann mehrheitsgebend sein. Und warum man uns wählen sollte? Weil wir als Sprachrohr für die Menschen, die uns wählen, fungieren. Wir möchten uns für mehr Bürgerbeteiligung einsetzen und den Menschen die Möglichkeit bieten, sich öfter als nur alle fünf Jahre einmal zu Wort melden zu können.

Zum Abschluss noch eine private Frage: Auf den Hochschulen ist gerade Prüfungszeit. Wie haben Sie früher geschummelt?

(Lacht laut) Meine Lieblingsmethode war eine komplett Verblödete. Ich habe meine Texte in das Wörterbuch hineingeschrieben und dabei versucht, die Seiten so gut wie möglich zu imitieren. Allerdings habe ich mich dann beim Schummeln so blöd angestellt, dass ich gleich direkt aufgeflogen bin und dann erst recht die Schularbeit wiederholen musste.

[infobox color=“#a3a3a3″ icon=“info“] In Graz stehen am 5. Februar Gemeinderatswahlen an. Die Annenpost hat die SpitzenkandidatInnen aller Parteien im Gemeinderat zum persönlichen Interview über ihre Pläne und Visionen für Graz 8020 gebeten. Vizebürgermeisterin Elke Kahr (KPÖ Graz), Michael Ehmann (SPÖ Graz), Tina Wirnsberger (Die Grazer Grünen) und Philip Pacanda (Piratenpartei Graz) haben diese Einladung angenommen. Der amtierende Bürgermeister Siegfried Nagl (Grazer Volkspartei) und Mario Eustacchio (FPÖ Graz) wollten sich hingegen vertreten lassen oder Fragen nur schriftlich beantworten. Darauf haben wir uns nicht eingelassen. [/infobox]

"Humor - ist das nicht der Gelbe aus dem Fernsehen?" - Allzeitpessimistische, ständig schlecht gelaunte, schrecklich ehrliche und innerlich verkorkste fürs Karma Minuspunkte Sammlerin.

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