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„Wir sind der letzte Rettungsanker“

in KULTUR von
Bei Minus vier Grad Celsius will niemand unter einer Brücke schlafen. Doch viele Menschen sind mit dieser Realität konfrontiert. Deshalb öffnete die Caritas im November 2013 die erste Winternotschlafstelle in der Keplerstraße 82. Aufgrund des großen Andrangs muss das Angebot weiter ausgebaut werden.

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Im Schlafsaal für Männer stehen 30 Betten dicht an dicht. Foto: Tabea Krämer

Neunhundert. 900 Menschen in Graz haben keine eigenen vier Wände. Sie leben in Übergangswohnungen, Wohnheimen und Notschlafstellen. Dies geht aus einer Studie des Instituts für Arbeitsmarktbetreuung und – Forschung aus dem Jahr 2016 hervor, die ermittelt hat, dass die Anzahl der Obdachlosen in Graz geradezu „explodiert“ sei. Im Jahr 2009 waren erst 109 Personen betroffen. Vor allem Großfamilien aus Rumänien und Bulgarien gelten demnach als „Problemgruppen“. Aktuell sind es 900 Personen, 70 von ihnen haben überhaupt keinen warmen Platz zum Schlafen.

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Der Mittdreißiger arbeitet entweder von 21.30 Uhr- 8.30 Uhr oder von 14.30 Uhr -21.30 Uhr. Foto: Tabea Krämer

Die Keplerstraße: ein Ort, um zu helfen
Jakob Url ist einer derjenigen, der an diesem Umstand etwas ändern will. Url arbeitet seit zwei Jahren bei der Caritas Winternotschlafstelle in der Keplerstraße 82, einer von vier Notschlafstellen in Graz. Im Gegensatz zur Arche38, die nur für Männer geöffnet ist, dem Haus Elisabeth, in dem ausschließlich Frauen leben und dem Schlupfhaus für Jugendliche bietet das Zentrum in der Keplerstraße von November bis April einen Schlafplatz für jedermann und -frau.

50 Betten helfen 57 Menschen
„Nachdem wir im November aufgemacht haben, waren wir bereits in der zweiten Nacht voll ausgebucht“, erklärt Url. Das Angebot der Caritas werde wirklich genützt. Sorgen macht ihm, dass jedes Jahr mehr Hilfsbedürftige dazukommen. „Leistbares Wohnen ist das größte Problem in Graz. Wohnungen werden einfach viel zu teuer!“, sagt Url. In der Winternotschlafstelle stehen auf rund 350 Quadratmetern 50 Betten zur Verfügung. Doch jede Nacht verbucht das Team der Caritas bis zu 57 Übernachtungen. „Wir müssen kleinere Kinder in das Bett ihrer Mütter legen“, sagt Teamleiter Url. Geplant sind allerdings weitere acht Betten in der ehemaligen Küche des Hauses, um weniger Menschen abweisen zu müssen. Url erwartet, dass dieses Projekt bald umgesetzt werden kann: „Wir erhoffen uns, auch durch den Spendenaufruf im Internet, mehr Geld für diese zusätzlichen Betten zu generieren.“

Die Caritas hilft mehr Männern als Frauen
Gut zwei Drittel aller Obdachlosen, die einen Platz zum Schlafen brauchen, sind Männer. Deshalb sind auch weit mehr als die Hälfte aller Betten für Männer reserviert. „Frauen sind flexibler als Männer“, meint Jakob Url. Sie könnten sich „neuen Lebenssituationen leichter anpassen als Männer“ und fänden so vielleicht schneller wieder Arbeit. Außerdem hätten Menschen tendenziell mehr Mitleid mit Frauen als mit Männern.

„Frauen sind flexibler als Männer.“

15 Euro machen Hilfe möglich
Für jede Übernachtung in der Keplerstraße muss die Caritas 15 Euro aufbringen. Schließlich müssen ein Zivildiener und  sechs Mitarbeiter entlohnt werden, fallen Kosten für Abendjause, Frühstück, Hygieneartikel und Betriebskosten an. Finanziert wird das Projekt mit Unterstützung der Stadt Graz. In Zukunft will sich auch das Land Steiermark stärker an den Kosten beteiligen. Außerdem muss jeder Obdachlose ab der zweiten Nacht einen symbolischen Euro bezahlen. „Alles, was nichts kostet, ist nichts wert“, erklärt Url. Eine Person darf höchstens 60 Nächte pro Wintersaison am gleichen Ort schlafen, da die Notschlafstelle rechtlich wie eine Art Hotel behandelt wird. Ab der 61. Nacht müsste diese Adresse zum Hauptwohnsitz gemacht werden.

„Alles, was nichts kostet, ist nichts wert.“

Freiwillige Helfer

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Die Caritas verwandelte das ehemalige Marienstüberl in eine Winternotschlafstelle. Foto: Tabea Krämer

„Für viele Obdachlose sind wir der letzte Rettungsanker“, sagt Jakob Url. Dieser Rettungsanker wird ermöglicht durch ein Netzwerk aus vielen Menschen, die gemeinsam an einem Strang ziehen. Url verweist auf die ständige Zusammenarbeit mit zahlreichen Beratungsstellen wie beispielsweise der Flüchtlingsberatung. Außerdem helfen an Wochenenden Freiwillige aus, waschen Wäsche, reden mit den Obdachlosen, spielen mit den Kindern und richten die Jause her. „Wir sind sehr froh, dass sich auf unsere Anfragen auf Facebook bis jetzt immer Freiwillige gemeldet haben. Auch aus dem Studiengang ,Soziale Arbeit´ der FH JOANNEUM.“
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