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Die „Mietrebellen“ vom Gries

in VIERTEL(ER)LEBEN von
2008 war das Jahr der Hausbesetzungen in Graz. Seither ist es um dieses Thema sehr lange ruhig geworden. Von Freitag bis Dienstag besetzten Aktivisten nun die Idlhofgasse 9.

„Bitte anklopfen!“, forderte das Schild, das an der Eingangstür des Gebäudes Idlhofgasse 9 angebracht ist, freundlich, zugleich bestimmt auf. Weniger freundliche Parolen waren auf selbstgemalten Transparenten am Dach oder in den Fenstern zu lesen. „Scheiß Miete“ oder „A Kiwara is ka Hawara“ stand da, Slogans wie „ACAB“ und „Verpisst euch Bullenschweine“. Fünf Tage lang hatten Aktivisten dieses Gebäude, das im Eigentum einer Grazer Immobiliengesellschaft steht, besetzt gehalten, bis sie Dienstag früh von der Polizei vertrieben wurden. Sie haben in dieser Zeit ihre Forderungen auf Plakate und Flugblätter gedruckt, einen Spiele- und einen Filmabend abgehalten, an dem der Streifen Mietrebellen gezeigt wurde. Mit diesen Aktionen wollten die Aktivisten auf die steigenden Mieten im Viertel aufmerksam machen. „Ergreifen wir die Initiative in unseren Grätzln, um die Konflikte, denen wir scheinbar ausgeliefert sind, in Angriff zu nehmen“, steht auf einem Flugblatt, das die Besetzer am „Tag 3“ verteilten.

Foto: Samira Frauwallner
Am Sonntag fand ein Filmabend zur Vorführung von „Mietrebellen“ statt. Foto: Samira Frauwallner

Am Tag vor der Räumung, gegen 16 Uhr, bleiben immer wieder Passanten vor dem besetzten Haus stehen und grübeln über die Aktion. Die Stimmung auf der Straße ist gespalten, sowohl Zuspruch, als auch Ablehnung werden geäußert. Manche finden die Aktion gut und würden selbst gern mitmachen, andere wollen das Haus gar „mit eigenen Händen abreißen“. Tatsächlich soll das Gebäude bald einer Feuerwehrdurchfahrt weichen, um einen Wohnbau am Gelände des früheren Clubs Niesenberger zu erschließen. Dafür  soll in weiterer Folge auch die Niesenbergergasse verbreitert werden. „Statt günstigen Wohnraum aufrechtzuerhalten, werden Konzepte von Privatinvestoren gefördert, durchgesetzt und dadurch Menschen verdrängt“, kommentierten die Besetzer diese Entwicklung in einem Schreiben auf „Indymedia linksunten“, der – nach eigenen Angaben – „wichtigsten linksradikalen Webseite im deutschsprachigen Raum“.

Zwei junge Sozialarbeiter beäugen das Haus von der gegenüberliegenden Straßenseite mit kritischem Blick. Der Verkäufer im türkischen Lebensmittelladen nebenan meint: „Vorher hatten wir viele Probleme mit Afghanen, die hier Drogen verkauft haben. Die Leute, die jetzt da sind, verhalten sich ruhig und sind nett.“

Mit Medien wollen sie nichts zu tun haben, sagt einer der Besetzer auf Anfrage, und verweist auf einen „Tag der offenen Tür“, der für Dienstag geplant sei. Soweit sollte es nicht mehr kommen. In den Morgenstunden des Dienstag räumte die Polizei das Gebäude auf Antrag der Hausbesitzer und unter Berufung auf das Sicherheitspolizeigesetz. 50 Beamte waren im Einsatz und nahmen vier Personen fest, darunter eine Frau aus Wien und drei Männer, deren Identität noch nicht bekannt ist. „Die Räumung verlief ohne besondere Vorkommnisse und die Identitätsfeststellung der verhafteten Personen ist bereits im Gange“, sagt Fritz Grundnig, Pressesprecher der Landespolizeidirektion Graz. Warum 50 Beamte im Einsatz waren, wo sich doch nur vier friedliche Personen dort aufhielten? „Im Endeffekt sind wir mit entsprechender Personalkraft ausgerückt, weil es unklar war, wie viele Personen sich im Haus befinden und wie gewaltbereit diese sind. Wir mussten davon ausgehen, dass die Demonstranten sich gewalttätig wiedersetzen“, sagt Grundnig.

Foto: Samira Frauwallner
Ein Plädoyer für die Nutzung von Leerständen, Spekulanten kann man hier nicht leiden. Foto: Samira Frauwallner

Auf indymedia wurde die Räumung ebenfalls kommentiert. Fünf Tage lang sei dem leerstehenden Haus Leben eingehaucht und der „Widerstand gegen Aufwertung  und Verdrängung“ sichtbar gemacht worden: „Leben heißt Revolte. Die Häuser denen die drin wohnen.“

#jammingsteve kennt keine Grenzen. Er musiziert, schreibt und liest. Ist an den verschiedensten Orten auf der Welt anzutreffen. Skeptiker, Philosoph und Denker

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