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Irgendwann muss jeder gehen

in VIERTEL(ER)LEBEN von
Der Tod ist eine unbequeme Wahrheit, die früher oder später jede und jeden treffen wird. Im Jahr 2015 starben in Graz 2.383 Menschen. Im Annenviertel finden sich mit der Albert Schweitzer Klinik eine Hospiz- und mit dem Krankenhaus der Elisabethinen eine Palliativeinrichtung. Denn der Tod gehört nun mal zum Leben.
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Die sechs Zimmer der Palliativstation sind fast immer ausgelastet


Der kleine Lift führt in den 4. Stock der Palliativstation des Elisabethinen-Krankenhauses. Die Station ist hell und freundlich, an den Türen hängen bunte Papierschmetterlinge. Alles wirkt wie eine normale Krankenhausstation, wäre da nicht die große rote Kerze, die immer dann angezündet wird, wenn jemand stirbt. Das passiert hier öfter als auf einer normalen Krankenhausstation.
Caritas-Präsident Michael Landau verwies anfangs des Jahres auf Versorgungsmängel im Bereich Hospiz/Palliativ in Österreich. Laut Angaben sei der Bedarf nur zu 50 Prozent gedeckt. Die Steiermark, insbesondere Graz, hat das am besten ausgebaute Palliativnetz in ganz Österreich. Es gibt Palliativstationen über die Steiermark verteilt und flächendeckend werden mobile Palliativteams eingesetzt.

Tabuthema Tod
Désirée Amschl-Strablegg leitet seit vier Jahren die Palliativstation der Elisabethinen. Dass sie gerne auf der Station arbeitet, ist für viele ein großes Rätsel. „Wie kannst du nur sowas machen?“, wird sie oft gefragt. Die Diplomierte Gesundheits- und Krankenschwester ist der Meinung, dass zur Arbeit mit sterbenskranken Menschen ein gewisses Grundtalent nötig ist. Man müsse bereit sein, in Reflexion mit sich selbst, der Natur und dem Leben zu gehen. Außerdem erfordere es Mut und Neugier. Das Thema Tod enttabuisieren, ist eine wichtige Aufgabe, der sich die Einrichtung mit dem ProjektAm Ende. Leben in Kooperation mit der Styria Media Group annimmt. Mittlerweile wurde schon viel Öffentlichkeitsarbeit geleistet, aber um das Thema Tod ins Leben zu integrieren, bedarf es noch viel Arbeit.

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Auf der Palliativstation weiß man, dass Erfolg auch anders definiert werden kann

„Muss ich schon auf die Sterbestation?“
Auf die Frage, ab wann Patienten auf die Palliativstation kommen, antwortet Amschl-Strablegg: „Generell zu spät. Palliative Care heißt nichts Anderes, als die Symptome der Kranken zu lindern. Da kann ich mobil und orientiert sein. Manche gehen noch zur Arbeit oder fahren in den Urlaub. Umso früher wir auf die Symptome des Patienten eingehen können, desto besser.“ Laut einer Studie aus dem Jahr 2010 verbessert sich bei Palliativpatienten nicht nur die Lebensqualität, sondern auch die Lebensdauer. Der Begriff Palliativstation wird unmittelbar mit Sterbestation in Verbindung gebracht. Dabei steht bei einer Palliativstation die Entlassung im Vordergrund. Es handelt sich um eine Akuteinheit, die von der Finanzierung gleich funktioniert wie ein Krankenhaus. Das heißt: Zur Aufnahme benötigt man eine medizinische Indikation und es gibt eine begrenzte Aufenthaltsdauer, die bei den Elisabethinen bei circa drei Wochen liegt.
Eine Hospizeinrichtung hingegen ist wie das letzte Zuhause und wird wie ein Pflegeheim finanziert. Hier gibt es keine fixe Aufenthaltsdauer, im Durchschnitt bleiben die Patienten sechs Monate. So wie im Hospizhaus der Albert Schweitzer Klinik, das am Griesplatz zu finden ist. Karl-Josef Lienhart ist dort ehrenamtlicher Hospizmitarbeiter und besucht PatientInnen, um sie ein Stück des Weges zu begleiten. Oft beobachtet er eine Hemmschwelle, die zwischen Familie und Sterbenden besteht.

„Die Leute fragen mich: Was soll ich zum Opa sagen? Und ich antworte ihnen: Gehen Sie gleich um mit ihm wie immer. Nicht übertriebener als sonst, das ist unecht. Aber auch nicht verhalten. Es ist ja immer noch derselbe Mensch.“

Manchmal sind es auch nicht aufgearbeitete oder nicht abgeschlossene Familiengeschichten, die den Sterbenden beschäftigen.

„Hier versuche ich so gut es geht, ein Vermittler zu sein, wenn dies gewünscht wird.“

Sterben ist auch Beziehungssache
Auf Wunsch wird die Familie nicht nur in die Gespräche, sondern auch in die Pflege eingebunden. Amschl-Strablegg sieht vor allem bei Menschen mit Migrationshintergrund, dass das Einbinden der Familien sehr wichtig ist.

Dort stellt sich nie die Frage: Wer schaut auf den Kranken? Alle sind da und Zusammenhilfe ist selbstverständlich. Da hat unsere Kultur ein Defizit und wir können uns etwas abschauen!“

Glaube spiegelt sich oft im Thema Tod wider

Auch PatientInnen mit Migrationshintergrund haben oft den Wunsch nach religiöser Seelsorge. Hier kümmert man sich um den Kontakt mit dem jeweiligen Glaubensvertreter. Interkonfessionalität wird in Graz groß geschrieben. Die Seelsorge spielt bei der Begleitung von Sterbenden sowieso eine wichtige Rolle. Hier muss es nicht immer um Gott gehen, sondern einfach um Zuwendung und Gespräche. Da sind Lienhard und Amschl-Strablegg sich einig: „An oberster Stelle steht der Wille des Patienten.“

Amschl-Strablegg merkt noch an:

„ Natürlich spielt Glaube eine Rolle. Es gibt kaum Menschen, denen das am Lebensende nicht wichtig ist. Viele finden zu Gott, nicht unbedingt zur Kirche, aber zu Gott. Wie auch immer dieser heißt. Viele hadern und schimpfen mit Gott, aber kaum jemand tut so als gäbe es ihn nicht.“

 

 

[box] Auf der Homepage von Statistik Steiermark kann man Sterbezahlen der letzten Jahre einsehen. Die Zahl der verstorbenen GrazerInnen blieb in den letzten Jahren recht konstant.
2012: 2.185
2013: 2.068
2014: 2.207 [/box]

Versucht gerne fünf Bücher zu gleich zu lesen und liebt das Reisen. Immer mit Musik im Blut und lauter Flausen im Kopf.

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