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Demokratie gründen

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Sie wollen ein Kollektiv gründen und sich als Teil der Bewegung „Democracy in Europe Movement 2025“ (DiEM25) für ein demokratischeres Europa engagieren. Zu ihrer Gründungsveranstaltung haben Dominik und seine fünf KollegInnen am 20. April ins Spektral eingeladen.

„Die Mitgliedsländer der EU haben derzeit zwei Optionen: sie ziehen sich in ihre Nationalstaaten zurück, oder unterwerfen sich komplett Brüssels demokratiefreier Zone.“, erklärt Dominik.
„Die Mitgliedsländer der EU haben derzeit zwei Optionen: sie ziehen sich in ihre Nationalstaaten zurück, oder unterwerfen sich komplett Brüssels demokratiefreier Zone“, erklärt Dominik

„Liebe Europäerinnen und Europäer!“
An der Tür zieht Dominik die Schuhe aus, das muss hier jeder. „Die revolutionären Massen kommen immer zu spät“, scherzt meine Sitznachbarin, wir fangen zehn Minuten verspätet an. „Liebe Europäerinnen und Europäer!“, so werden die etwa 20 Interessierten zur einführenden Präsentation über „DiEM“ begrüßt. Hinter der Bewegung steht ein einziger radikaler Gedanke, niedergeschrieben im „Manifesto“: „Demokratisieren wir Europa! Denn die EU wird entweder demokratisch sein, oder sie wird zerfallen!“ Dominik teilt diese Meinung mit Griechenlands ehemaligem Finanzminister Yanis Varoufakis, der DiEM25 im Februar 2016 auf der Berliner Volksbühne vorgestellt hat.

„Unklar, was wir tun“
Die überparteiliche, paneuropäische Bewegung versucht gerade, sich selbst zu organisieren. Unterstützt wird sie unter anderem von linken europäischen Parteien wie der griechischen Syriza, spanischen Podemos oder britischen Labour Party, sowie von dem kroatischen Philosoph Srecko Horvat und Julian Assange (Wikileaks), der bei der Auftaktveranstaltung in Berlin via Videokonferenz dabei war.
Im Spektral stellt Dominik einen der österreichischen Erstunterzeichner des „Manifestos“ vor: Cengiz Kulac (Junge Grüne, Federation of Young European Greens). Er habe unterschrieben, weil er die Idee gut fände, wüsste aber selbst nicht genau, wohin sich die Bewegung entwickelt: „Es gibt unzählige ähnliche aktivistische Initiativen – „Nuit Debout“ in Paris, die „Aufbruch Aktionskonferenz“ in Wien im kommenden Juni, ein „Sommerlabor zum Thema Demokratie von unten“ der Grünen Akademie Steiermark im Juli. Noch ist unklar, was wir tun, ein konkretes Ziel kann ich noch nicht erkennen.“

Transparenz als erstes Ziel
Die Petition der ersten Kampagne von DiEM25 „Transparency in Europe, now!“ hat derzeit knapp 25.000 Unterzeichnungen. Der Inhalt entspricht auch ihrer ersten Forderung, die sich vor allem an die Europäische Zentralbank, die Eurogruppe und den Rat der Europäischen Union („Ministerrat“) richtet: Wie diese Institutionen Entscheidungen treffen, muss transparent sein – durch Livestreaming von Sitzungen, Veröffentlichung diverser Protokolle und Dokumente, sowie das Erstellen eines Lobbyregisters.
Innerhalb von zwei Jahren soll außerdem eine „Verfassungsgebende Versammlung über transnationale Listen“ gewählt werden, so steht es im Manifest. Bis 2025 darf es laut DiEM dauern, dass deren Beschlüsse auch umgesetzt werden. Wie vorgegangen werden soll, um diese Ziele zu erreichen, ist nicht klar.

Cengiz Kulac will einen konkreten Plan für die Bewegung in Graz: Es wird weitere Informations- und Diskussionsveranstaltungen geben.
Cengiz Kulac (3. v.l.) will einen konkreten Plan für die Bewegung in Graz: Es wird weitere Informations- und Diskussionsveranstaltungen geben

Demokratie von unten
Dominik hofft, mit den Anwesenden mehrere Kollektive gründen zu können. Sogenannte „DiEM25 Spontanious Collectives“ (DSC), lokale Zusammenschlüsse von empfohlenermaßen fünf bis sieben BürgerInnen in ganz Europa, sollen die Forderungen nach einem transparenten und solidarischen Europa in die Öffentlichkeit tragen und neue Anhänger finden. Die Offenheit der Bewegung ist eine große Stärke, die Hoffnung in ihre Energie und Dynamik größer als in das Programm selbst.

Eine konkrete Lösung bietet das „Manifesto“ nämlich nicht, Petitionen mit der Forderung nach mehr Demokratie verändern noch keine Politik. Die nächste Europawahl findet 2019 statt, davor eine „Verfassungsgebende Versammlung“ zu wählen erscheint sehr optimistisch. Ob DiEM25 prominente Namen wie Assange, Varoufakis, etc. erfolgreicher machen, als andere Bewegungen oder Parteien mit denselben Anliegen, muss sich erst herausstellen.

Ein demokratischeres Europa ist mehreren ein Anliegen, aktiv werden nur wenige.
Ein demokratischeres Europa ist mehreren ein Anliegen, aktiv werden nur wenige

Ein Kollektiv im Annenviertel
„Please self-organise!“ hat Varoufakis im letzten offiziellen DiEM25-Newsletter geschrieben. Das nehmen sich die sechs VeranstalterInnen zu Herzen – sie sind am Ende die einzigen, die ein Kollektiv gründen. Den übrigen Anwesenden sind die Inhalte der Bewegung noch zu vage, zuerst muss klar werden, in welche Richtung DiEM25 sich entwickelt. Ihrer eigenen Forderung nach Transparenz gehen die DiEM25-AktivistInnen gleich nach. „Der Plan war, dass wir heute ‚live‘ ein paar Kollektive gründen und alle Interessierten miteinbeziehen, deshalb haben wir uns auch noch nicht vor der Veranstaltung gegründet.“, sagt einer von Dominiks Kollegen.

 

Hier geht die Demokratie-Diskussion im Annenviertel weiter:

Im Rahmen des „politcamps“ am Barcamp Graz an der FH JOANNEUM wird am Samstag, dem 23. April um 19:00 Uhr der Film „Demokratie ist los!“ von Tom Isler gezeigt, anschließend gibt es eine Diskussion mit dem Filmemacher: https://www.facebook.com/events/1722998574612315/

Wie im antiken Athen basisdemokratisch zu agieren kann man im Rahmen des Lendwirbels versuchen: Am 3. Mai um 16:00 Uhr am „Hier ist Platz“-Platz (Lendplatz) in der „Spektral Lounge“: https://www.facebook.com/events/1782598958637244/

 

Ist permanent auf der Suche nach einem wilden Abenteuer und immer unterwegs - und zwar dort, wo die Post abgeht. Das Wort "Ruhe" kennt sie praktisch nicht. Steht auf Alliterationen und Äpfel.

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2 Comments

  1. Danke für den Artikel. Interessierte bezüglich offener Demokratie, auch abseits von DiEM25, können sich gerne an mich wenden. Ich versuche zersplitterte Kräfte zu bündeln in Graz, genauso wie dies der „Aufbruch“ auf österreichischer Ebene versucht.
    Die Demokratie muss wieder auf die Straße. Politik muss wieder beim Menschen statt finden statt hinter verschlossenen Türen…

    Einladung zur SPRECHSTUNDE – hier ist „Platz für Demokratie“
    1. temporäre Grazer Platzbesetzung #occupy
    https://www.facebook.com/events/1782598958637244/
    https://www.facebook.com/events/1782598958637244/

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