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Kleine Lokale, große Leere

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Der Umbau der Annenstraße ist zwei Jahre her, die leeren Geschäftslokale sind immer noch da. Woran das liegt und was dagegen unternommen werden könnte.

Von außen gibt es hier noch nichts zu sehen.
Von außen gibt es hier noch nichts zu sehen.

Im kleinen Geschäftslokal hinter der Straßenbahnhaltestelle am Esperantoplatz brennt wieder Licht. Nur ein wenig Licht, aber es reicht, um die leeren weißen Regale, die über den ganzen Raum verteilt sind, in den Vordergrund zu rücken. Inmitten all der Leere steht der neue Mieter, Mehdi Heidari. Für ihn hat die Arbeit jetzt begonnen, mit dem Umlegen des Lichtschalters. Vor sich auf dem Tisch ausgebreitet liegt der Grundriss des Verkaufsraumes. Ein neues Lebensmittelgeschäft will er hier eröffnen , aber zuerst muss einmal umgebaut werden.

Ein ständiges Kommen und Gehen
Das Geschäft von Mehdi Heidari wird das vierte sein, welches innerhalb von wenigen Jahren im Erdgeschoss des Gebäudes einzieht. Die Vorgänger waren nur teilweise erfolgreich. 2011 zog das Café Fotograf ein, gefolgt vom Steampunk-Modeladen „Olliwood“. Zuletzt war hier das Blumengeschäft Blumen und Accessoires zu finden, leider blieb der Erfolg aus. Damit gesellten sich die Räumlichkeiten wieder zur Liste der leeren Lokale in der Annenstraße. Diese Liste ist in den vergangenen Jahren trotz der umfangreichen Umbaumaßnahmen, die im Jahr 2013 abgeschlossen wurden, nicht kleiner geworden. Wer heute die Annenstraße entlanggeht, wird 18 Lokale zählen, die einem mit leeren Auslagen entgegenblicken. Damit ist die Zahl im Vergleich zum Vorjahr zwar nicht gestiegen, von einem echten Aufschwung ist aber auch nichts zu spüren.

Mehdi Heidari in seinen neuen Geschäftsräumen.

Auch Mehdi Heidari  hat die vielen leeren Lokale bemerkt. Für ihn spielt der wirtschaftliche Faktor eine große Rolle. „Wer ein Jahr durchhält, hat eine Chance“, meint er. Dies wird sein erstes eigenes Geschäft sein, nachdem er vierzehn Jahre lang gearbeitet hat. Dabei hat er sich am Anfang aber mehr finanzielle Hilfe erwartet, etwa Steuererleichterungen oder Förderungen. Die Annenstraße war für ihn attraktiv, weil er sich in diesem Teil der Stadt mehr potentielle Stammkunden erhofft. Die Konkurrenz ist allerdings nicht weit, nur ein paar Häuser weiter verkauft ein Geschäft ebenfalls orientalische Lebensmittel. „Ich will die beste Qualität anbieten. Wenn die Leute gut über mein Geschäft reden, werde ich Erfolg haben. Dann kann ich vielleicht auch ein, zwei Mitarbeiter anstellen“, hofft er.

Neuausrichtung erforderlich?
Am anderen Ende sitzt Heinz Siegl. Ob sein Geschäft Gummi Neger erfolgreich starten wird, darüber muss er sich schon lange keine Sorgen machen – denn er steht seit fast 50 Jahren hinter dem Tresen und verkauft Schaumstoffe. Dass mehr Geschäfte leer stehen, das beobachtet er schon längere Zeit. Wenn er heute aus dem Fenster blickt, fällt sein Blick auch sofort auf ein leeres Lokal. Gegenüber war vorher ein Crocs-Store, der jetzt auf der anderen Seite der Mur zu finden ist. Als möglichen Grund sieht Siegl hier auch den Umbau  der Straße: „Vor dem Umbau hatten sie ein paar Parkplätze direkt vor dem Geschäft, da konnten die Leute kurz stehenbleiben und reinhüpfen. Mit dem Umbau sind diese weg.“ Dass Filialen großer Ketten in der Annenstraße überhaupt Zukunft haben, bezweifelt er aber. Die Umbaumaßnahmen hätten die Straße zwar belebt, aber die meisten Pendler würden sowieso nie in die Auslagen schauen. Viel mehr Möglichkeiten sieht er einerseits für Geschäfte wie sein eigenes, welche ein echtes Nischenprodukt anbieten, oder solche, die als Nahversorger für die Viertelbewohner fungieren. Diese bunte Mischung habe Zukunft: „Man sollte die Annenstraße als multikulturelle Straße betrachten, dann hat man ungefähr das, was sie wirklich ist.“ Die dafür notwendigen Gestaltungsmaßnahmen müssten aber auch von der Stadt unterstützt werden: „Jeder kleine Händler – so wie ich auch – ist mit seinem Geschäft beschäftigt und hat nur beschränkte Möglichkeiten, die Straße attraktiver zu gestalten.“

Der Ausblick von Heinz Siegl.
Der Ausblick von Heinz Siegl.

Eine multikulturelle Straße
In dieselbe Kerbe schlägt auch Markus Bogensberger vom Haus der Architektur, einem gemeinnützigen Verein, der als Diskussionsplattform zum Thema Architektur und Baukultur ins Leben gerufen wurde. Das Ziel solle sein, „kleinere, feinere, und individuellere Geschäfte“ zu haben als beispielsweise die Herrengasse, führt er aus. „Die Annenstraße hat eine wichtige Funktion als Versorger für die Anwohner. Dabei geht es außerdem nicht nur ums Einkaufen – auch um Kultur.“ Beim Umbau wäre die Chance vertan worden, diese Entwicklung der Straße zum einzigartigen multikulturellen Nahversorger-Standort zu unterstützen, erklärt Bogensberger: „Die Neugestaltung war technisch zwar sehr durchdacht, aber emotional ist da wenig passiert. Ich glaube nicht, dass man durch die Gestaltung wirklich weiß, dass man in der Annenstraße ist.“

„Leerstand managen“
Um den Leerstand in der Annenstraße, aber auch in der gesamten Stadt zu bekämpfen, schlägt Markus Bogensberger eine „Leerstands-Agentur“ vor. „Es gibt so viele Hürden, die der Belebung im Weg stehen, aber nirgends gibt es Hilfe“, kritisiert er. Als „Belebung“ schlägt er etwa die temporäre Zwischennutzung vor – Vereinigungen oder Projekte würden sich für einen bestimmten Zeitraum in leerstehende Räume einmieten, ähnlich dem Lendhaus. Bei solchen Projekten würden oft die Vermieter im Weg stehen, die aber einfach zu wenig über solche Projekte wüssten. Eine Leerstands-Agentur würde zwischen Mietern und Vermietern vermitteln und bei rechtlichen und finanziellen Fragen auch Unterstützung anbieten. „Es ist wichtig für eine Stadt, dass solche Straßen gut ausgebucht sind, damit die Stadt auch lebendig wirkt“, meint Bogensberger. „Und wenn man mit öffentlichem Geld etwas ankurbelt, fließt es ja letztendlich auch wieder zurück in die Stadtkasse.“

Markus liest liebend gerne und so ziemlich alles, was ihm unterkommt - Bücher, Zeitungen, Zeitschriften, und mehr. Daneben ist er ein großer Motorsportfan, und ist darüber immer auf dem Laufenden. Lebt noch immer auf dem Land und hat auch keine Lust, in die Stadt zu ziehen.

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