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Wenn Filme Wirklichkeit zeigen

in KULTUR von
Vom 28. Oktober bis 1. November veranstaltet der Verein Jukus im UCI Annenhofkino die zweiten Türkischen/Kurdischen Filmtage. Im Programm: ein Film, in dem die zu Wort kommen, über die sonst nur geredet wird. Und ein Film als Ode an eine etwas seltsame aber wahre Liebe.

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In „Prayers At Dawn“ kann man in die anatolische Landschaft eintauchen. (© Pinar Yorgancioğlu)

„Dieses Thema lag mir schon ewig im Magen. Das gehörte einfach gemacht.“, beschreibt der Linzer Filmemacher Ufuk Serbest seine Motivation für die Dokumentation “Evideki ses-22m² Österreich“. Dieser wird am 28. Oktober zur Eröffnung von „Cinema 2015“ gezeigt, den Türkischen/Kurdischen Filmtagen, die der Verein Jukus bereits zum zweiten Mal in Graz organisiert. Die zentrale Frage, die Serbest beschäftigt: Was steckt hinter all den Bildern, die wir von Medien und Gesellschaft über „fremde Kulturen“ und Menschen aus anderen Ländern gezeigt bekommen? „Meistens reden andere viel über das Leben von Türken und Türkinnen in Österreich, aber selten kommen sie selbst zu Wort“, meint der Regisseur im Gespräch.

Als Sohn von türkischen Migranten, die einst nach Oberösterreich als Gastarbeiter kamen, lässt er nun türkische Frauen selbst reden. Die meisten kennt er persönlich. Die Gespräche im Film sind in intimer Atmosphäre aufgenommen, ohne großen technischen Aufwand, die Frauen reden frei heraus, erzählen von ihrer Ankunft in Österreich, ihren anfänglichen Schwierigkeiten. Viele wollten zuerst nur eine Zeit lang in Österreich bleiben, andere sahen Österreich als Zwischenstopp am Weg nach Deutschland. Im Endeffekt wohnen heute viele noch immer hier, aber nicht alle. Viele sind auch zurück in die Türkei gegangen. Warum gerade die Frauen und nicht ihre Männer im Fokus seiner Dokumentation stehen? Das liege einerseits an Ufuks persönlichen Bekanntenkreis und andererseits an seiner Frau, Oona Valarie Schager, die am Drehbuch und der Gestaltung mitwirkte.

In „22m² Österreich“ sprechen türkische/kurdische Frauen über ihre Ankunft in Österreich. (©Ufuk Serbest)
In „22m² Österreich“ sprechen türkische/kurdische Frauen über ihre Ankunft in Österreich. (©Ufuk Serbest)

Von der kleinen Realität
Ufuk selbst ist durch seine Familie mittendrin in der türkischen Community, berichtet also von innen heraus, sieht aber die Wichtigkeit seines Films vor allem darin, nach außen zu strahlen. „Viele Filme aus der Türkei und über die Türkei zeigen nur eine kleine Realität des Landes. Aber auch Türken und Türkinnen bekommen durch Filme oft ein einseitiges Bild von Österreich vermittelt. Wenn man dann wirklich im jeweiligen Land ist, schaut die Realität ganz anders aus.“ Das spiegelt sich im Filmtitel wider. „22m² Österreich“ lehnt sich an den Spielfilm „40m² Deutschland“ von Tevfik Başer aus 1985 an. Hier hat die Hauptfigur, eine türkische Migrantin, in Deutschland 40 m² Wohnfläche zur Verfügung. In Ufuks Dokumentation wohnt eine Protagonistin auf 22m² Österreich“.

Wenn eine Tote Leben in das Leben eines Menschen bringt.
Die erst 27 jährige Regisseurin aus Ankara, Pinar Yorgancioğlu, erzählt mit ihren Filmen gerne Geschichten von Menschen. Sie lässt ihre Filme vor allem durch Menschen und ihre Persönlichkeiten leben. Während ihres Masterstudiums an der Columbia University of New York führte sie im Kurzfilm „Prayers at Dawn“ von Şafak Vakt Regie. Er ist einer von sieben Kurzfilmen im Programm von „Cinema 2015“ und wird am 31.Oktober im UCI erstmals in Österreich ausgestrahlt. Die Handlung ist fiktiv, baut aber eine Brücke zwischen Tagtraum und Wirklichkeit. Ein einsamer Dorfbewohner kümmert sich nach dem Tod einer Frau um deren Körper. Die Tote wird Bestandteil seines Alltags und macht ihn glücklicher. Seine Sorge um sie lässt sein Leben lebendiger werden. „Eine Tote bringt wieder Leben ins Leben eines Menschen“ beschreibt die Regisseurin ihre Gedanken zum Film während des Skype Interviews. Sie befindet sich derzeit in Baden- Württemberg und macht dort ein Auslandssemester an der Filmakademie. Für Pinar ist es wichtig zu zeigen, dass keine Form von Liebe eine Krankheit ist. Ob Filme Integration positiv beeinflussen können? „Film ist eine Art von Kunst, die Integration irrelevant macht.“ Pinar deutet im Gespräch immer wieder darauf hin, dass sie Menschen als Individuen sieht, nicht in Kulturen oder Nationalitäten eingeteilt. Ihre eigene Herkunft spiele dennoch eine Rolle. In der Türkei findet sie Themen, in New York verarbeitet und produziert sie ihre Eindrücke. Im Fokus aber hat sie immer den einzelnen Menschen. Pinar will Filme produzieren, die persönlich sind aber emotional für alle gelten.

In „Prayers to Dawn“ macht eine Tote das Leben wieder lebenswert. (© Pinar Yorgancioğlu)
In „Prayers to Dawn“ macht eine Tote das Leben wieder lebenswert. (© Pinar Yorgancioğlu)

Jukus will mit ihrer Veranstaltung, wie auch schon bei „Cinema 2013“, das Leben in Anatolien näherbringen. Das Kennenlernen und Verstehen der unterschiedlichen Lebensweisen soll über das Medium Film transportiert werden. Dieses Jahr steht das vielfältige Leben türkischer/kurdischer Frauen im Zentrum. Im Sinne des feministischen Schwerpunktes kommen unter den insgesamt 16 Filmen nicht nur Frauen vor der Kamera sondern auch Frauen hinter der Kamera nicht zu kurz.

Hier kann man seine Vorurteile loswerden, denen zuhören, über die sonst nur geredet wird und auch selbst loswerden, was einem in den Sinn kommt. Im Anschluss an den Eröffnungsfilm steht der Regisseur Ufuk Serbest zur Diskussionsrunde bereit. Nach dem Kurzfilmprogramm am Samstag, kann mit Pinar Yorgancioğlu über ihren Film gesprochen werden und auch Ayşe Ayben Altunç steht nach ihrem Film „The September Women“ zur Verfügung. Sie zeichnete Gespräche mit 32 Frauen auf, die 1980 im Zuge des Militärputsches in der Türkei wegen ihren Emanzipationsbestrebungen verhaftet und gefoltert wurden.

[box] INFO: „CiNEMA 2015“ von 28.10.- 1.11. 2015

Im Programm: Insgesamt 16 Filme (Dokumentationen, Spielfilme, Kurzfilme,…)
28.10. um 19:30 : Freier Eintritt für den Eröffnungsfilm „Evideki ses- 22m² Österreich“ [/box]

Ist kritische Optimistin mit unerschöpflicher Reiselust. Mag Veränderungen und Polaroids. Schreibt, liest, übt Yoga und fotografiert. Schätzt gutes Essen und zwar sehr!

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