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Vom Stammgast zum Wirten

in KULTUR von

„Gehen zwei Jazzmusiker an einer Bar vorbei!“ Mit diesem und ähnlichen Witzen unterhält uns Walter Ozlberger zu später Stunde in seinem Lokal, der Miles Jazzbar in der Mariahilferstraße. Dass das bei ihm nicht der Fall ist, zeigt ein Blick in den Veranstaltungskalender. Mindestens zwei Mal wöchentlich treffen sich hier Jazzmusiker aller Altersklassen und Herkunftsländer, um gemeinsam zu spielen, dabei Spaß zu haben und die Zuhörer zu unterhalten.

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Walter Ozlberger, Besitzer der Miles Jazzbar, hat seine Leidenschaft zum Beruf gemacht. (c)Stefanie Burger

Ein Kellergewölbe, angenehm kühl, bescheiden ausgeleuchtet. Das einzige Tageslicht kommt von der offenen Eingangstür. Eine große Bartheke füllt den Raum, rundherum stehen Hocker. Im Eck ist ein kleiner Bildschirm zu erblicken, der die Bilder zur Musik von Joe Bonamassa liefert. Walter begrüßt hereinkommende Gäste und nimmt ihre Bestellungen auf. Noch ist das Lokal eher leer. „Wenn das Wetter so schön ist, kommen die meisten erst später“, erklärt er. Von Mittwoch bis Samstag öffnet Walter immer um 19 Uhr. Unterstützt wird er von zwei Studentinnen, die geringfügig angestellt sind und sich die Arbeitstage teilen. Alles andere macht er selbst – vom Einkauf bis zum Säubern. So ist die Jazzbar zu seinem zweiten Wohnzimmer geworden.

Angefangen hat alles vor 15 Jahren, als der heutige Bezirksvorsteher vom Lend, Wolfgang Krainer, 1998 die Idee hatte, ein Jazzlokal zu eröffnen. Schon damals gab es im Rahmen der „Murszene“ im Sommer Jazzkonzerte am Mariahilferplatz, die großen Anklang fanden. Auch Walter war von Anfang an dabei. In der neuen Miles Jazzbar, die übrigens nach Miles Davis benannt ist, wurde er schnell zum Stammgast. Doch 2008 bat ihn Krainer, die Seite zu wechseln und das Lokal zu übernehmen. „Eigentlich ein ziemlicher Abstieg – vom Stammgast zum Wirten“, lacht Walter. Trotzdem hat er sich dafür entschieden und aus Liebe zum Jazz sein Jus-Studium an den Nagel gehängt. Bereut hat er den Schritt aber nie: „Der Job hat wie jeder andere seine Vor- und Nachteile, aber wenn es groovt und die Leute mitgeh´n, dann ist das schon was.“

Mittlerweile sind auch die ersten Musiker im Lokal und beginnen ihre Instrumente auszupacken. Manuel Wallner, der Gitarrist und Bandleader, stellt sich zu Walter an die Bar. Er und seine Kollegen spielen jeden zweiten Donnerstag im Monat im Miles. Abwechselnd mit der sogenannten Miles-Houseband treten sie als Gypsy-Formation Caravan heute zum 66. Mal bei Walter auf. Das Repertoire reicht von Standards wie Sunny (siehe Video) bis hin zu ausgefalleneren Nummern wie Mr. Sandman, die sie allesamt im Gypsy-Swing vortragen. Wallner hat Jazzgitarre studiert und arbeitet jetzt als Musiklehrer. Für ihn steht der Spaß am Zusammenspielen klar im Vordergrund. „Immer wieder treten auch Gäste auf und sorgen für Abwechslung“, fügt Walter hinzu. „Eigentlich kann sich jeder, der ein Instrument hat, dazusetzen und mitspielen.“

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Bandleader Manuel Wallner (Dritter v. l.) und seine Kollegen von Caravan sind Stammgäste im Miles (c)Stefanie Burger

Ein Highlight in der Zeit als Wirt war der Besuch der deutschen Sängerin Annett Louisan. Sie beschloss, ihren Geburtstag nach einem Konzert im Orpheum in der Miles Jazzbar zu feiern. Weiters erinnert er sich an eine „verrückte aber lustige Nacht“, als der britische Geiger Nigel Kennedy zu Gast war. Auch Dirk Stermann und Christoph Grissemann haben schon bei ihm vorbeigeschaut. Doch viel wichtiger als Stars zu bekommen ist für Walter, jungen Musikern eine Auftrittsmöglichkeit zu geben. „Ein wirkliches Highlight ist es, zu sehn, wie sie sich im Laufe der Zeit weiterentwickeln.“ So hat sich aus Auftritten im Miles sogar eine Band entwickelt. Finally tuned by Walter nennen sich die fünf Musiker, die in der Jazzbar regelmäßig Musik machen und nun auch bei anderen Veranstaltungen in dieser Formation auftreten.

An konzertfreien Tagen liefert Walter selbst die Musik. Denn er ist nicht nur Jazzliebhaber, sondern auch begeisterter CD- und Plattensammler. Stolz und mit leuchtenden Augen erzählt er, dass sich inzwischen etwa 6.000 Tonträger in seinem Besitz befinden. Diese teilt er auch mit seinen Gästen. Sie können sich aus einer CD-Karte ihren Lieblingstitel aussuchen, der dann von Walter „aufgelegt“ wird.

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Lorena Valter, die normalerweise hinter der Bar steht, wird bei den Lendwirbelkonzerten auch singen (c)Stefanie Burger

Caravan spielt nun schon eine Weile. Immer wieder hört man bekannte Melodien und Solos der Musiker. Das Miles Jazz hat sich inzwischen gefüllt – Walter und seine Kollegin bedienen die Gäste an der Bar. Manche sitzen auch bei den Musikern und hören gespannt zu, andere unterhalten sich weiter hinten. Das Publikum ist bunt gemischt. Junge, Ältere, Profimusiker, Studenten, Grazer und Auswärtige, aber alle Jazzinteressierte. „Einige kommen auch von der anderen Murseite herüber, weil es bei uns gemütlicher und nicht so aufgesetzt ist“, ist sich Walter sicher. „Ungute Schickimickis verirren sich selten zu mir.“ Die Entwicklungen der letzten Jahre im Annenviertel sieht er sehr positiv, auch was es an neuen Lokalen und Initiativen gibt. Deshalb beteiligt er sich seit einiger Zeit am Lendwirbel, der heuer wieder von 2. bis 10. Mai über die Bühne geht. Konkret geplant sind tägliche Konzerte ab Mittwoch, dem 6. Mai. Es werden unter anderem wieder Caravan, SKS Organ Experience und die Wiener Alternative-Rock-Band Quadoval auftreten.

[box] Lendwirbelkonzerte in der Miles Jazzbar:

MI 06.05.: SKS Organ Experience feat. Miriam Kulmer
DO 07.05.: Caravan (siehe Video)
FR 08.05.: The Funky Chameleons feat. Lorena Valter (siehe Bild)
SA 09.05.: Quadoval aus Wien
weitere Infos zum Lokal und aktuellen Konzerten auf www.milesjazz.at
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Christoph Wünscher ist in vielerlei Hinsicht einzigartig. Nicht nur, dass er als angehender Journalist und Annenpost-Redakteur keinen Kaffee trinkt, er liebt es auch Musik aus den 60er und 70er Jahren zu hören. Einer seiner größten Träume wäre es einmal Woodstock miterlebt zu haben. Seine Zukunft sieht er im Radio- und Fernsehjournalismus.

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